Am 9.10. finden die Bundespräsidentschaftswahlen statt. Sie finden vor dem Hintergrund von zunehmender Unsicherheit über die Zukunft, inklusive Sorgen über die steigende Inflation (10,3% im September) und die unsichere Gasversorgung statt. In den Lohnrunden sind Arbeitskämpfe bis hin zu Streiks möglich – die erste Runde bei den Metaller/innen wurde erfolglos abgebrochen. Die von der Regierung nun angekündigten Pensionserhöhungen decken nur für die niedrigsten Pensionen die aktuelle Inflation ab.
Dennoch spiegelt sich diese Situation kaum in den aktuellen Präsidentschaftswahlen:
Zur Wahl steht mit Van der Bellen der Kandidat des Establishments, der von Grünen, ÖVP, SPÖ und Neos unterstützt wird – also allen Parlamentsparteien außer der FPÖ, sowie vier Kandidaten die mehr oder weniger dem rechtspopulistischen Lager zugerechnet werden können (FPÖ, der von Stronach unterstützte Wallentin, ex-FPÖ/BZÖ Politiker Grosz, sowie ein MFG Kandidat). Italien ist eine Warnung, was passiert, wenn es nicht gelingt, die Ablehnung gegen die Etablierten Parteien nach links zu kanalisieren. Bei sinkender Wahlbeteiligung und einer fehlenden linken Alternative werden jene auf der extremen Rechten profitieren, die nicht als Teil des Establishments gesehen werden.
Nicht aus dem rechtsextremen Lager, aber durchaus offen gegenüber Verschwörungstheorien und ähnlichem ist Staudinger. Er kommt zwar ursprünglich aus dem Umfeld von Attac, repräsentiert aber eher eine verwirrte Schicht aus ländlichem Kleinbürgertum, die unzufrieden mit der aktuellen Situation sind, aber nicht die explizit Extreme Rechte wählen möchte.
Die Bierpartei wird teils als links gesehen, betont aber, „weder rechts noch links“ zu sein. Es ist aber möglich, dass Dominik Wlazny alias Marco Pogo einiges aus dem Protestpotential links der Mitte kanalisiert. Auf den Plakaten greift er soziale Fragen auf und sein Personenkomitee hat sich aus normalen arbeitenden Menschen zusammengesetzt. Für manche mag auch der frische Zugang als nicht professioneller Politiker sympathisch wirken. Manche könnten ihn wählen um ihre Ablehnung aller anderen Kandidaten auszudrücken. Dennoch zeigt sich bei internationalen Fragen wie jener nach dem Ukraine Krieg, dass er keine unabhängige Position in Opposition zu allen beteiligten imperialistischen Mächten (sowohl Putin wie auch EU und Nato) einnimmt, die sich auf internationale Solidarität mit den arbeitenden Menschen in der Ukraine und Russland stützt und gleichzeitig thematisiert dass der Krieg und die Aufrüstung Ausdruck der wachsenden Spannungen zwischen den kapitalistischen Mächten ist.
Dennoch zeigt sein Wahlkampf, dass es möglich ist, Wahlen wie die Präsidentschaftswahl als Bühne für Ideen zu nutzen. Bei einer kommenden Nationalratswahl hat die Bierpartei nun vermutlich eine wesentlich bessere Ausgangsposition. Das zeigt wie groß die vegebene Chance für die Linke ist – weder die KPÖ noch Links haben ein*e Kandidat*in aufgestellt. Die KPÖ-Graz hätte ihre Position in Graz nutzen können um eine Kampagne zu starten, die die unoffizielle Koalition von Grünen, ÖVP, SPÖ und Neos wie auch die extreme Rechte herausfordert. Dabei schreit die aktuelle soziale und politische Situation nach einer Partei, die die Interessen der Arbeitnehmer*innen, Jugendlichen, Pensionist*innen und Arbeitslosen vertritt.
In manchen Umfragen lag Wlazny zuletzt bei 14%, nur 4% hinter dem FPÖ-Kandidaten Rosenkranz, was bedeuten könnte, dass einige taktisch Wählende versuchen könnten, durch eine Wahl Wlaznys die FPÖ aus dem zweiten Stimmgang raus zu halten. Umgekehrt betont das Van der Bellen Lager, dass der beste Weg die extreme Rechte raus zu halten, eine Stimme für VdB ist, um einen zweiten Wahlgang zu verhindern. Wir wissen aber aus Erfahrung, dass Van der Bellen eine sehr stumpfe und begrenzte gegen die extreme Rechte ist.
Gleichzeitig könnte die Wahlbeteiligung diesmal vermutlich niedrig sein – es gibt eine große Schicht, die vermutlich nicht zu dieser Wahl gehen werden, weil sie sich nicht vertreten fühlen.
Das Amt des Bundespräsidenten vereint viel Macht in einer Hand – der Bundespräsident kann Regierungen angeloben und absetzen und ist Oberbefehlshaber des Bundesheeres. Was würde passieren, wenn es eine Regierung gäbe, die die Interessen der herrschenden Klasse deutlich beschneidet, indem sie Politik im Interesse der Arbeitnehmer*innen macht? (I think you should remove “zu” as we don’t want to get involved in a discussion here about state structures, how much power the president should have)
Wichtig wird sein, was nach der Wahl passiert – die Lohnrunden, ob es gelingt, durch Streiks und Proteste die Lebensstandards zu verteidigen. Es ist möglich die Gewerkschaftsführung durch Druck von unten zu Kämpfen zu bewegen.
Die Wahl des Bundespräsidenten ist eine Momentaufnahme in diesem heißen Herbst. Wie andere Länder kann Österreich in der aktuell sehr instabilen Situation schnell in Aufruhr geraten – durch internationale wie auch heimische Entwicklungen. Die Kämpfe die auf uns zu kommen, können die Grundlage sein, auf der eine echte politische Alternative aufgebaut werden kann, die tatsächlich die Interessen von arbeitenden Menschen vertritt, die Kämpfe vereint und bündelt und die eine sozialistische Alternative zu diesem kapitalistischen System, das an allen Enden bröckelt, formulieren kann. Links und die KP-Graz sollten als ersten Schritt eine gemeinsame Initiative für ein Bündnis der verschiedenen linken Projekte setzen, das den Kampf gegen die Teuerung als oberste Priorität setzt und dagegen mobilisiert und diesem Kampf auch auf Wahlebene einen Ausdruck gibt. Das Wähler/innenpotential das die Bierpartei anspricht, zeigt dass das möglich ist.
