Links Wien und Wiener Wahlen – wie weiter?

Nötig sind eine Verbindung von Kandidatur und Kämpfen und demokratische Strukturen

Im Herbst stehen die Wiener Wahlen auf dem Programm. Lange Zeit wurde das Antreten von Links Wien von Corona überschattet. Die SPÖ Wien und Bürgermeister Michael Ludwig hatte die Möglichkeit, sich als Stadtregierung entsprechend zu inszenieren. Mehrere Pakete hatte die SPÖ geschnürt, die auf den ersten Blick fortschrittlich und wie eine Abkehr vom geplanten Nulldefizit wirken, aber bei näherem Hinsehen sich nicht wirklich von der Politik der Bundesregierung unterscheiden. 

In der StolzaufWien BeteiligungsGmbH  sollen Kredite an Firmen in Form von Beteiligungen vergeben werden. Die Beteiligungen sind aber auf maximal 20% pro Firma beschränkt und sollen nach maximal 7 Jahren wieder verkauft werden. Auch wenn das gegenüber den reinen Rettungspaketen der Bundesregierung ein Fortschritt ist: dabei handelt es sich wie bei den Bankenrettungspaketen nach der Krise 08 um eine Verstaatlichung der Verluste bei gleichzeitiger Privatisierung der Gewinne. 

Interessant auch wie die SPÖ Wien in der Vergangenheit mit Privatisierungen umgegangen ist: Das Haus des Meeres wurde 2015 um einen symbolischen Euro an einen Freund „eines hochrangigen Stadtpolitikers“ verkauft. Wenn um einen symbolischen Euro privatisiert wird, dann kann auch um einen symbolischen Euro verstaatlicht werden – und zwar die profitablen Teile von Unternehmen. Es geht dabei nicht um Kleinunternehmen sondern um Schlüsselbetriebe. Kompensation sollte nur auf Basis der Prüfung früherer Profite und konkretem Bedarf erfolgen. Genau das tut aber die Stadt Wien nicht. Und genau das sollte Links Wien aber fordern. 

LINKS Wien ist im Jänner dieses Jahres aus den Überresten von Aufbruch gegründet worden, um bei den Wiener Wahlen zu kandidieren. Dass Aufbruch nicht eigenständig bei der Wahl 2017 kandidiert hat, sondern lediglich Einzelpersonen und die Junge Linke auf einer KPÖ+ Liste kandidiert haben, hatte Aufbruch zum Zuseher auf der politischen Bühne gemacht.

Es ist zu begrüßen dass es ein linkes Bündnis bei dieser Wahl gibt. Allerdings leidet LINKS Wien an Schwächen, die sich schon bei der Gründungskonferenz im Jänner gezeigt hatten. Dazu gehört die Konzeption und politische Ausrichtung von LINK Wien. Die Konferenz war ziemlich topdown ausgerichtet, das Programm sehr schwammig. Sie war geprägt davon, die Spitzenvertreter*innen nach Kriterien der Identity Politics (also Quoten bezüglich Geschlecht/Migrationshintergrund) statt nach Inhalten auszusuchen. Dass Quoten nichts über die Inhalte aussagen, zeigt sich darin, dass Schwarzgrün genau den hohen Frauenanteil der Regierung als Alibi nutzte, um sich fortschrittlich zu präsentieren – und ihre teils reaktionäre Politik zu rechtfertigen. Es gilt eine Partei aufzubauen, die Arbeitnehmer*innen, Frauen, Migrant*innen, Jugendliche, Arbeitslose, Pensionist*innen und unterdrückte Schichten im Kampf vereint, aber Quoten sind dabei nicht hilfreich, wenn das Programm und die Inhalte nicht attraktiv für diese Schichten ist. Gewerkschaftsaktivist*innen wiederum waren kaum vertreten – es wurde auch nicht der Anspruch gestellt die Gewerkschaftsbewegung anzusprechen oder sich in ihr zu verankern. Auch die Liste der Kandidat*innen bestätigt dies. Die Gefahr besteht auch, dass durch das reine Fokussieren auf die Wiener Wahl verabsäumt wird, eine Grundlage als Bewegung aufzubauen. Die SPÖ Wien und die Grünen haben aufgrund der Schwäche der FPÖ einen bequemen Polster, was bedeutet, dass ein Wahlbündnis links von der SPÖ diesmal auch ein Potential hat. Das ist aber kein Automatismus und birgt die Gefahr dass Aktivist*innen bei einem schlechten Abschneiden sich enttäuscht zurückziehen.

Als erste Straßenaktion nach Corona (abgesehen von einer Kundgebung am 1. Mai) nahm LINKS Wien an den #blacklivesmatter Demonstrationen teil, wo sie einen Block auf der Demonstration vom 4.6. organisierten. Darin besteht auch eine Chance – nämlich neue Aktivist/innen zu gewinnen, die LINKS tatsächlich mit Leben erfüllen und nach links drängen könnten.

In der Zwischenzeit wurde von der Koordination via Mail mitgeteilt, dass man sich auf eine gemeinsame Kandidatur mit der KPÖ geeinigt habe (mit dem Anspruch auch noch weitere Kräfte dafür zu gewinnen – vermutlich ist damit der Wandel gemeint), mit welchem Programm, welchen Forderungen und welchem Zugang, ist nicht klar. Ein Antreten im Bündnis und dessen Grundlage wurde davor nicht ausführlich diskutiert.

Die KPÖ ist nach wie vor starker Bezugspunkt für die Linke. Das führt dazu, dass sie neue Projekte vereinnahmt und aufsaugt und ihr durch ihre Top-Down-Methoden ihre falsche Politik aufdrückt bzw. überhaupt Bündnispolitik falsch angeht. Sie scheint sich zwar innerhalb des Bündnisses diesmal weniger dominant zu verhalten. Die KPÖ hat aber seit Jahrzehnten nicht ernsthaft für sozialistische Maßnahmen argumentiert und konnte kaum neue Schichten ansprechen. Neben der KP hatte 2019 auch der Wandel kandidiert – und der KPÖ mit Forderungen wie jener nach einem Mindestlohn Konkurrenz gemacht. Der Wandel konnte damals für die Linke 15.000 zusätzliche Stimmen mobilisieren. Das zeigt das Potential links von der KPÖ.

Ernsthafte Bündnispolitik müsste verschiedene Kräfte der Arbeiter*innenklasse sowie sozialistische Kräfte auf der Basis von bestimmten vereinbarten Zielen zusammenbringen, während alle Kräfte ihre eigenständige Identität behalten können.

Es gibt Gerüchte, dass Michael Ludwig mit der ÖVP koalieren könnte. Das könnte zwar Chance für Links sein, da manche da nicht mitkönnen, aber ist auch eine Gefahr, weil es die Rechte stärken könnte. Die FPÖ scheint zwar durch die Kandidatur von Strache zwar geschwächt, von Unzufriedenheit mit der SPÖ können aber beide Parteien profitieren. (HC Strache tritt – nachdem sich die FPÖ im Zuge des Ibiza-Skandals von ihm abgewandt hatte – mit einer eigenen Liste an.)

LINKS Wien sollte folgende Dinge tun:

-Eine neue Kraft muss Teil von Kämpfen sein bzw. sie initiieren und mobilisieren. Sie muss Schritte setzen für konkrete Kampagnen, die an den Bedürfnissen „normaler“ Menschen anknüpfen und in den Betrieben aufbauen. Wir stehen vor einer tiefen Krise. Eine neue Kraft muss ein Programm entwickeln, das Antworten gibt auf die Auswirkungen der (Corona- und wirtschaftlichen) Krise wie Betriebsschließungen, Kürzungen und Personalabbau (z.B. Forderung nach Verstaatlichung der Luftfahrtbranche als Teil eines klimaschonenden Transportplans). Sie muss gegen Angriffe durch eine neue Regierung kämpfen. Es hat nach Corona einige Proteste gegeben, nicht nur die #blm Demonstrationen, sondern auch Proteste der Veranstaltungstechniker/innen, Streikdrohungen rund um Lohnrunden (z.B. Chemie) und Proteste gegen Personalabbau. LINKS muss Druck auf die ÖGB-Führung ausüben, damit diese die vereinzelten Kämpfe zu einem branchenübergreifenden Streiktag zusammenführt und für eine bundesweite Demonstration als erstem Schritt mobilisiert.

-Sie muss Gewerkschaftsaktivist/innen mit einschließen bzw. einen Kampf für die Umwandlung der Gewerkschaften in demokratische und kämpferische Organe führen

-Sie braucht demokratische Strukturen, in denen Einzelpersonen wie auch organisierte Kräfte mitmachen und sich beteiligen können.

-Sie muss versuchen jene, die in den aktuellen Bewegungen (z.B. #blm) auf die Straße gegangen sind, einzubinden und zu gewinnen

-Sie muss Raum geben für inhaltliche Debatten darüber, welches Programm nötig ist

-Gewählte Vertreter/innen dürfen nicht mehr als einen Durchschnittslohn verdienen

Nötig ist ein Bündnis, das auf einem klaren Programm basiert und Wurzeln auch in die Arbeiter*innenbewegung schlägt bzw. Menschen über das bereits bestehende Aktivist*innenspektrum hinaus anpricht. Ob LINKS Wien das gelingt, bleibt abzuwarten.