Dieser Artikel von Anna Hiermann, SO Wien, erschien Ende August in Offensiv Nr. 23.

Das mediale Bild des öffentlichen Schulsystems: Früher hätte es gut funktioniert. Im Laufe der letzten Jahre sei das Niveau, v.a. an den Mittelschulen, wegen der vielen Kinder mit Migrationshintergrund gesunken.

Die Entlastung des Bildungssystems war eines der Argumente der Regierung, um den Familiennachzug zu stoppen. Tatsache ist, dass das Bildungswesen mit erheblichen Problemen, wie zu großen Klassen, Lehrer*innenmangel etc., zu kämpfen hat. Zusätzlich spiegeln sich gesellschaftliche Probleme, wie Armut, Rassismus, Sexismus oder die Folgen der Weltpolitik auch in den Schulen wider, je nach Schultyp und Region in unterschiedlichem Ausmaß. Doch nicht Kinder mit Wurzeln in der Türkei, Syrien, dem Sudan oder Tschetschenien haben seit Jahrzehnten den Rotstift in der Bildung angesetzt, müssen aber jetzt als Sündenbock für das Versagen der etablierten Parteien herhalten.

Mehr Ressourcen nötig

Ähnlich wie im Gesundheits- und Sozialsystem wurde unter dem Deckmantel von “Reformen” im Bildungsbereich gespart. Statt zusätzlicher Mittel aufgrund der steigenden Aufgaben und der Inflation sollen Schulen wie Unternehmen geführt werden. Ein Beispiel ist die “Inklusion”. Sie soll die Trennung von Schüler*innen aufgrund einer Behinderung überwinden. In der Spar-Praxis bedeutet “Inklusion” aber, dass Kinder mit unterschiedlichsten Bedürfnissen in eine Klasse ohne zusätzliches Personal kommen, Sonderpädagog*innen sind ebenfalls nicht vorgesehen. Die “Lösung” ist kein Zurück zu Sonderschulen, sondern endlich ausreichend Hilfsmittel, Lehrkräfte, Sonderpädagog*innen, Schulpsycholog*innen, Sozialarbeiter*innen. Die Antwort auf die steigende Wut und Verzweiflung von Lehrpersonen beschränkt sich zynisch auf die Aufforderung, resilienter zu sein, d.h. die Missstände besser auszuhalten.

Ein Beispiel für die Folgen des Neoliberalismus ist die “Schulautonomie”. Schulen müssen “wirtschaftlich” geführt werden. Das führt dazu, dass z.B. für Projekte selbst Sponsor*innen aufgetrieben werden müssen, sowie die billigsten Materialien bestellt werden müssen, anstatt die besten. Während Privatschulen aus öffentlichen Geldern Millionenzuschüsse erhalten, müssen sich öffentliche Schulen zunehmend Geld von den Eltern oder Firmen holen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen. Doch die Behauptung, es sei “leider kein Geld vorhanden”, ist falsch: Schließlich ist für Aufrüstung auch genügend Geld da. Die Bildungspolitik der letzten Jahre zeigt, dass die Hoffnung auf echte Verbesserungen nicht auf Regierung, Bildungsministerium oder Bildungsdirektionen gelegt werden kann. Zusätzlich verhalten sich die Gewerkschaften mehr als zurückhaltend, wenn es um die Abwehr von Kürzungen geht. Kein Wunder also, wenn viele Beschäftigte gar nicht mehr eintreten. Die vielen Basisinitiativen zur Bildung zeigen die Bereitschaft, aktiv zu werden und auch zu kämpfen. Die Lösung ist es nicht, die Gewerkschaften der bremsenden Führung zu überlassen, sondern sie uns endlich als Kampforganisationen zurückzuholen.

Es tut sich viel – Bildungsproteste von unten geplant

Der Unmut unter Lehrpersonen ist groß! Über die scheinheiligen Versprechen der politisch Verantwortlichen, die Schulterklopfer ohne echte Unterstützung und über die Passivität der zuständigen Gewerkschaft. Aber es gibt auch zahlreiche Initiativen im Bildungsbereich, in denen Schüler*innen, Eltern und Lehrpersonen versuchen, die Probleme aufzuzeigen und die schon so lange überfälligen Verbesserungen oder auch nur das Stopfen der Löcher zu erreichen.

Eine solche Initiative hat sich in Wien, im 2ten Bezirk aus Lehrpersonen verschiedener Schulen gebildet. Neben der Idee für eine Dienststellenversammlung aller Kolleg*innen im Bezirk (die die Personalvertretungsmehrheit allerdings nicht unterstützt) gibt es Pläne für einen Bildungsprotesttag im Bezirk.

Hier können Schüler*innen, Lehrpersonen, andere Beschäftigte im Bildungswesen und Eltern zusammen aktiv werden. In Arbeitskreisen, Protestzügen und Straßenaktionen kann z.B. ausgerechnet und präsentiert werden, wie wenig Platz in den Klassen ist, wofür der Staat Geld ausgibt (und wofür nicht) und wie Schule ohne Profitlogik aussehen könnte.

So können verschiedene Ressourcen-Löcher aufgezeigt und deutlich gemacht werden, was gebraucht wird: beispielsweise kleinere Klassen, mehr Personal und Ressourcen. Und was es nicht braucht: nämlich rassistische Hetze gegen Schüler*innen und die Forderung an Lehrpersonen, noch mehr zu schlucken.