Die Gewerkschaften müssen kämpfen, nicht nur aufklären und fordern
Dieser Artikel von Sonja Grusch, SO Wien, erschien Ende August in Offensiv Nr. 23 – in der Zwischenzeit gab es leider mehrere (kampflose) Abschlüsse bei denen Reallohnverluste akzeptiert wurden (Metallsektor, Öffentlicher Dienst). Umso dringender sind die Forderungen dieses Artikels.
Der Herbst kommt und damit auch die Lohnrunden. Nach dem 2-Jahres-Abschluss der Metaller*innen 2023 wird heuer wieder verhandelt. Der Abschluss der Metallindustrie ist traditionell nicht nur der Startschuss, sondern hat hohe Symbolwirkung für alle Beschäftigten. Denn die Metallindustrie hat viele Gewerkschaftsmitglieder und damit potentiell eine hohe Kampfkraft.
Einen Teil der Probleme greifen die Gewerkschaften in ihren Medien auf: hohe und steigende Preise, zu niedrige Löhne und Gehälter insgesamt und besonders bei Frauen, erzwungene Teilzeit wegen Betreuungspflichten usw. bei Frauen, überteuerte Mieten und noch viel mehr. Über all das informiert die Gewerkschaft und stellt Forderungen auf. Doch dabei bleibt es dann auch schon: Appelle an die politisch Verantwortlichen, ohne selbst wirklich aktiv zu werden. Noch schlimmer ist es bezüglich der Maßnahmen der Regierung: Verschlechterungen bei den Pensionen (Teilpension) werden schöngeredet, obwohl klar ist, dass uns Geld und Lebenszeit gestohlen wird. In der Teilzeitdebatte erwähnen ÖGB-Führung und SPÖ-Regierungsmitglieder mit keinem Wort die ursprüngliche Babler-Forderung nach der 32-Stundenwoche, also Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personal. Die Gewerkschaftsführung macht der Regierung und insbesondere der SPÖ die Mauer, gibt sich staatstragend und hofft auf ein paar Zuckerln, wenn man nur brav still hält, weil es für “die Wirtschaft” wichtig ist.
Die Taktik hat nie funktioniert und geht nach hinten los: Wenn Verschlechterungen schön geredet werden, kann sich die FPÖ als “sozial” präsentieren (obwohl sie an der Macht brutale Maßnahmen gegen die Beschäftigten setzt). Wenn die Gewerkschaftsführung keine Verbesserungen erkämpft, treten viele aus oder gar nicht erst ein. Und wenn die Gewerkschaften nicht kämpfen, dann lernen die Arbeiter*innen und auch die Betriebsräte das Kämpfen nicht – doch auch das muss geübt werden.
So geht “Heißer Herbst”
Österreich ist im dritten Jahr der Rezession und die zunehmenden Firmenpleiten wie auch die niedrigen Investitionen sowie die internationale Lage deuten keine Verbesserungen an. Die Menschen haben Angst um ihre Jobs, aber gleichzeitig haben sie bereits jetzt zu wenig Geld. Darum muss der Kampf um Arbeitsplätze mit dem Kampf um höhere Löhne verbunden werden! Der Druck der Unternehmen auf die Gewerkschaftsführung wird weiter steigen, “vernünftig” zu sein und nicht zu viel zu fordern. Doch genau das können wir uns nicht leisten! Die hohen Ausgaben für Aufrüstung, die Vermögen und Einkommen der Superreichen und die massiven Gewinne in Teilen der Wirtschaft (Energie, Banken etc.) zeigen, dass es nicht am Geld an sich mangelt. Lohnverzicht rettet keine Jobs und stärkt nicht die Wirtschaft sondern nur die Profite.
Offensive Gewerkschaftspolitik braucht:
• Lohnerhöhungen, die mindestens die Verluste der letzten Jahre wettmachen, und mit Verkürzung der Arbeitszeit gegen Jobverlust und steigenden Arbeitsdruck vorgehen
• die aktive Einbindung der Beschäftigten durch Versammlungen, Diskussionen und Abstimmungen
• Kampfmaßnahmen bis zu Streiks
• eine Ablehnung der Spar-Logik des Kapitalismus
• die Zusammenarbeit verschiedener Branchen und mit anderen Gruppen (Studierende, Frauengruppen etc.), die auch betroffen sind.
Dass Katzian (ÖGB), Teiber (GPA), Quinn (GÖD) oder Binder (Pro-GE) nicht für so einen Kurs stehen ist klar. Viel zu nah sind sie politisch und auch in ihrem privilegierten Lebensstil bei den etablierten Parteien und sehen sich als “Partner” der Wirtschaft. Auch deshalb ist es nötig, die Gewerkschaften zurückzuholen und wieder zu Kampforganisationen zu machen, die sich nicht an dem orientieren, was Regierung und Unternehmen geben wollen, sondern daran,
Kasten: Für echte, demokratische Urabstimmungen
Gewerkschaften sind umso erfolgreicher, je aktiver die Mitglieder in Entscheidungen eingebunden sind. Natürlich kann in der Situation eines Streiks nicht jedes Detail basisdemokratisch entschieden werden, das würde lähmen. Aber was die zentralen Forderungen sind und insbesondere, welche Angebote angenommen werden – oder nicht: darüber muss es demokratische Entscheidungen geben muss. Die Verhandlungsteams bestehen oft aus Angestellten der Gewerkschaft bzw. Kolleg*innen mit relativ hohen Gehältern. Sie sind von der Arbeitsrealität jener, für die sie verhandeln und abschließen, weit entfernt.
Weil die Löhne und Arbeitsbedingungen überlebenswichtig sind, müssen die Betroffenen selbst entscheiden. Weil die Forderung nach “Urabstimmung” immer lauter wurde, haben auch die Gewerkschaftsführungen reagiert – und sie zu ihrem Zweck missbraucht. Denn durch Fragestellung, Abstimmungsart und Zeitpunkt kann eine solche Abstimmung so gelenkt werden, dass das von der Bürokratie gewünschte Ergebnis herauskommt. Echte, demokratische Urabstimmungen sind bindend für die Verhandler*innen, die Fragen werden unter Einbeziehung der Beschäftigten ausgearbeitet und bei der Abstimmung wird sichergestellt, dass alle Beschäftigten (auch Lehrlinge, Teilzeitkräfte und Leiharbeiter*innen) mitstimmen können. Demokratie bringt Kampfkraft, und die braucht die Gewerkschaftsbewegung.
