Dieser Artikel von Gerhard Ziegler, SO Linz, erschien Ende August im Offensiv Nr. 23.
Die unabhängigen Parlamentsabgeordneten Jeremy Corbyn und Zarah Sultana kündigten die Gründung einer neuen linken Partei an. Wie groß die Begeisterung dafür ist, zeigt, dass sich bereits mehr als 700.000 Menschen (Stand 11.8.2025) auf der Website yourparty.uk zur Unterstützung der Initiative anmeldeten, obwohl die Partei noch gar nicht existiert.
Die Begeisterung ist verständlich. Die Labour Party hatte sich Mitte der 1990er Jahre unter Tony Blair von einer bürgerlichen Arbeiter*innenpartei (= Partei mit prokapitalistischer Führung, aber mit Arbeiter*innenbasis) zu einer rein bürgerlichen Partei gewandelt. Sie steht wie die konservativen Tories für Kürzungen bei Arbeiter*innen, für Verteidigung der Profite der Banken und Bosse und für Aufrüstung. Die Arbeiter*innenklasse hat keine eigene Partei mehr.
Darum analysiert die Socialist Party (SP, CWI in England & Wales) seit damals, dass neben dem Aufbau einer revolutionären Partei zum Sturz des Kapitalismus auch der Aufbau einer neuen Arbeiter*innenpartei notwendig ist. Dort könnten Gewerkschafter*innen, Aktivist*innen sozialer Bewegungen, Arbeiter*innen, Frauen und Jugendliche ihre Erfahrungen austauschen, sich koordinieren und die nächsten Schritte im Klassenkampf kollektiv planen. Die SP analysiert aber nicht nur, sie startete Initiativen wie TUSC (Trade Unionist and Socialist Coalition), eine Wahlinitiative mit Beteiligung der Transportarbeiter* innengewerkschaft RMT, und unterstützte Corbyns linkes Labour-Projekt mit konkreten Vorschlägen.
Denn 2015 wurde der Linke Corbyn eher durch Zufall Vorsitzender der Labour Party. Es gelang ihm aber nicht, innerhalb der bürgerlichen Partei mit seinen Anhänger*innen eine Politik für Arbeiter*innen durchzusetzen, da er entgegen den Vorschlägen der SP einem Kampf mit dem rechten Flügel auswich. Corbyn wurde ausgeschlossen, die Rechten um Starmer übernahmen wieder das Kommando. Die Parlamentswahlen 2024 machten Starmer zum Premierminister, doch Labour führt die Kürzungspolitik der Tories gegen die Arbeiter*innenklasse zur Sicherung der Profite der Reichen ungebrochen fort.
Dadurch kam es zu Austritten einzelner Abgeordneter wie Zarah Sultana und zum Aufstieg der rechten Reform-Partei. Ohne Opposition von links konnte sie sich ähnlich wie die FPÖ als „soziale Alternative“ präsentieren, siegte bei lokalen Wahlen und überholte Labour in Umfragen. Das beflügelte den Prozess zur Gründung einer neuen Partei. Z.B. nahmen am 21. Juli über 1.000 Gewerkschafter*innen an einem Online-Meeting teil, das von Dave Nellist, Mitglied von SP und TUSC, moderiert wurde und in dem über eine neue Arbeiter*innenpartei diskutiert wurde. Auch Jeremy Corbyn und Zarah Sultana nahmen teil.
Wie weiter?
Die kapitalistischen Medien und das Establishment werden die Führung der neuen Partei unter Druck setzen, damit sie „moderater” und „respektabler” wird. Aber so würde diese nur eine weitere kapitalistische Partei werden. Eine Struktur, durch die die Arbeiter*innenklasse starken Gegendruck ausüben und die Führung zur Rechenschaft ziehen kann, wird aber unerlässlich sein.
Insofern wird die Einbindung der Gewerkschaften für die neue Partei entscheidend. Anders als wir Parteimitgliedschaften in Österreich kennen, können bei der Labour Party neben Einzelpersonen auch Gewerkschaften kollektiv Mitglied werden. Das verstärkte das Gewicht der Arbeiter*innenklasse in der Partei. Seit ihrer Verbürgerlichung nimmt das aber ab. In den Gewerkschaften, die noch Mitglied sind, wird diese Mitgliedschaft überdacht. Vor allem unter der Gewerkschaft Unite, die in Birmingham in einem Streikkampf gegen die Labour-Stadtregierung steht, herrscht großer Unmut.
Während Zultana das Prinzip „one member, one vote“ vorschlägt, bevorzugt Corbyn ein föderales System, das auch von der Socialist Party unterstützt wird. So könnten auch Gewerkschaften, politische Parteien, soziale Bewegungen etc. kollektiv Mitglied werden.
Es gibt noch kein Programm, aber etwas Ähnliches wie Corbyns Manifest von 2017 mit Forderungen wie Verstaatlichung der privatisierten Versorgungsunternehmen, massiver Bau von Sozialwohnungen, Mietpreisbindungen, Abschaffung von Studiengebühren, einen Green New Deal und Abschaffung gewerkschaftsfeindlicher Gesetze wäre ein erster Schritt.
Die SP unterstützt diese Forderungen als Schritt vorwärts für die Arbeiter*innenklasse, macht aber auch klar, dass die Kapitalist*innen die Umsetzung verhindern wollen. Darum macht die SP deutlich, sei es notwendig, “ihnen die Hebel der Macht aus den Händen zu nehmen, bspw. durch die Verstaatlichung der großen Unternehmen und Banken unter demokratischer Arbeiter* innenkontrolle und die Mobilisierung der Arbeiter*innenklasse zur Unterstützung eines solchen Programms.”
Mehr unter: www.socialistparty.org.uk
