Von Gerhard Ziegler, Sozialistische Offensive Linz

Anmerkung der Redaktion: at the time of writing kam völlig ohne Kampf ein Abschluss in der Metallindustrie zustande – hier findet ihr unsere aktuelle Analyse.

  • für Lohnerhöhungen, die die Teuerung vollständig abdecken!
  • kein Aufschnüren von Kollektivverträgen!
  • Nein zur Verteuerung der Öffi-Tickets – wir brauchen stattdessen Gratis-Öffis, finanziert durch die Profite der Unternehmen!

Eine Hiobsbotschaft jagt die nächste. Nach der Parlamentswahl wird das Rekorddefizit im Bund bekannt, das ein – angeblich – alternativloses “Spar”paket (Originalton Marterbauer) nach sich zieht. Es folgen Kürzungen in verschiedenen Bundesländern, ein neuerliches Ansteigen der Teuerung auf 4,1 % (bei nur 2,1 % in der Euro-Zone) bei gleichzeitigem Anstieg der Arbeitslosenrate von 4,6 % auf 5,5 % und schließlich die Ankündigung eines Sparpakets in Wien. Bezeichnend dabei: alle Kürzungen bzw. “Lösungen” zielen in der einen oder anderen Form auf eine Belastung von uns Beschäftigten ab. Denn im Kapitalismus gibt es zwar ein Recht des Kapitals auf Profit, aber kein Recht auf ein menschenwürdiges Leben. 

Es wäre notwendig, dass die Gewerkschaften und die Linke – ähnlich wie in Frankreich – alle diese Belastungen und Kürzungen mit Protesten und Arbeitskampfmaßnahmen wie Streiks und Demonstrationen bekämpfen und zurückdrängen. Doch hier zeigt sich die fatale Rolle, die die “Linken” in der Regierung spielen. Babler, Marterbauer & Co haben alle ihre Versprechungen nach Verbesserungen – Besteuerung der Reichen, Bekämpfung der Inflation durch Preiseingriffe, Verkürzung der Arbeitszeit auf 32 Stunden etc. – gebrochen. ÖVP und NEOS geben den Takt vor. Noch schlimmer: die SPÖ spielt brav im Konzert der Koalition mit und verteidigt gemeinsam mit der ÖGB-Führung die unsozialen Kürzungsmaßnahmen als angeblich ausgewogen, sozial gerecht und verantwortungsvoll. Dabei beweisen alle Zahlen das Gegenteil: die Maßnahmen sind extrem unsozial. Die ÖGB-Führung hat dabei die Funktion, die Arbeiter*innenklasse ruhig zu halten und Proteste gegen die Regierung zu verhindern. Sie geben vor, damit die Gefahr von Rechts zu bannen. Tatsächlich ist auch hier das Gegenteil der Fall. Die FPÖ kann sich als Verteidigerin des “kleinen Mannes” aufspielen und steigt in den Umfragen von Woche zu Woche, während die Parteien der Regierungskoalition zu Recht verlieren, am stärksten dabei die SPÖ. Das vermeintlich kleinere Übel verhindert das Übel nicht. Um die FPÖ tatsächlich zu bekämpfen, müssen wir die Kürzungen jetzt verhindern – und auch keine Kürzungen später zulassen! 

Sparpaket des Bundes

Die Bankenabgabe ist die einzige nennenswerte Maßnahme, die die Kapitalseite trifft. Allerdings ist sie mit budgetierten € 300 Mio jeweils in 2025 und 2026 nur ein Klacks, wenn man bedenkt, dass allein die beiden größten österreichischen Banken Raiffeisen Bank International (2024 € 1 Milliarde, Prognose 2025 € 1,7 Milliarden) und Erste Bank (2024 € 3,1 Milliarden, im 1. Halbjahr 2025 € 743 Mio) jeweils Gewinne in Milliardenhöhe machen. Ansonsten handelt es sich durchwegs um Einsparungen bei der Arbeiter*innenklasse und den Schwächsten der Gesellschaft – wie  z.B.:

Budgetierte Einsparung  2025  bzw.  2026

  • Streichung des Klimabonus: 2.000 Mio bzw. 2.000 Mio
  • Streichung der Bildungskarrenz: 350 Mio bzw. 650 Mio
  • Erhöhung des Energiekostenbeitrags (ein  Posten, der die Energiekosten erhöht, doch in der öffentlichen Diskussion offenbar bewusst ausgespart wird): 200 Mio bzw.  200 Mio                     
  •  Nicht-Valorisierung (also keine Abgeltung der Teuerung) bei Sozial- und Familienleistungen wie Familienbeihilfe, Kindergeld, Reha- und Krankengeld etc.:  200 Mio bzw. 200 Mio

Dazu wurden die Bundesgebühren (Stempelmarken, Reisepass etc.) um bis zu 40 % erhöht. Und auch bei der Mindestsicherung, in der Arbeitslosenversicherung und im Bereich Migration sind Verschlechterungen geplant – die Regierung konnte sich nur noch nicht darauf einigen, wo genau der Rotstift angesetzt werden sollte.  

Viele Verschlechterungen gibt es rund um das Thema Pensionen. Zum einen wird das Antrittsalter in die Korridorpension von 62 auf 63 Jahre angehoben und die Altersteilzeit durch die neue Teilpension (zu viel schlechteren Bedingungen) unterlaufen (einzig die Einbeziehung der Pflegeberufe in die Schwerarbeitspension kann als Verbesserung angesehen werden). Außerdem erfolgt die Änderung ohne Übergangszeit, es wird sehr unmittelbar und kurzfristig in die Lebensplanung der älteren Beschäftigten eingegriffen. Die Maßnahme wird zusätzlich das Problem der Altersarbeitslosigkeit verschärfen, denn schon jetzt  finden Menschen ab 55 kaum mehr einen Job. In den Augen der Unternehmer*innen sind sie oft weniger belastbar als jüngere und öfter krank – also weniger rentabel. Das schafft zusätzlich Druck, die Leistungen in der Arbeitslosenversicherung zu verschlechtern (sonst handelt es sich aus Budgetsicht nur um eine Umschichtung).

Zum anderen werden die Pensionist*innen selbst durch eine Reihe von Maßnahmen zur Kasse gebeten: Anhebung der Krankenversicherungsbeiträge (bei gleichzeitiger Leistungsverschlechterung wie Selbstbehalte beim Krankentransport), Anhebung der E-Card-Gebühr. Die Teuerung wird nicht abgegolten: der gesetzlich vorgesehene Inflationsausgleich von 2,7 % erfolgt nur für Pensionen bis zu € 2.500 brutto. Darüber gibt es nur einen Fixbetrag von € 67,50. Das verkauft die SP als soziale Staffelung. Ab einer Nettopension von rund € 2.000 gehört man also schon zu den Gutverdienenden – das sagt was darüber aus, wie niedrig die Pensionen, v.a. von Frauen, tatsächlich sind! Die wirklich Reichen, die über Dividenden und unbesteuertes Vermögen Jahr für Jahr Millionen kassieren, bleiben unangetastet. Mit der Maßnahme erhofft sich die Regierung eine Ersparnis von € 350 Mio (zum Vergleich: für Werbung, va in Boulevardmedien, haben die Ministerien 2024 über 400 Millionen Euro ausgegeben!).

Das Sparpaket wird flankiert durch niedrigere Investitionen in die Infrastruktur. Vor allem die ÖBB ist dadurch gezwungen, eine Reihe von Ausbaumaßnahmen zeitlich nach hinten zu schieben und plant, Regionalbahnen stillzulegen. Fatal nicht nur für den Umweltschutz, sondern auch für die Pendler*innen, die wieder verstärkt aufs teure Auto umsteigen werden müssen. Auch längst notwendige Investitionen bei Bildung, in der Pflege und im Gesundheitsbereich werden angesichts leerer Kassen – trotz Krisenmodus in diesen Bereichen seit Jahren – weiter in die Zukunft geschoben.

Gerade angesichts der sonstigen Kürzungspropaganda sind die geplanten Rüstungsausgaben besonders beachtlich. Das Heeresbudget wird sogar um € 349 Mio auf € 4.4 Milliarden aufgestockt und bis 2032 sollen 17 Milliarden zusätzlich (!) für Aufrüstung verwendet werden – also mehr als das Vierfache zusätzlich in 8 Jahren! Damit soll das NATO-Ziel von 2 % des BIP für Heeresausgaben erreicht werden. Was könnte im Bildungs-, Gesundheits- und Sozialbereich mit einer solchen Ressourcensteigerung an sozialer Sicherheit geschaffen werden?! Und die 17 Milliarden sind mehr als die Einsparungsziele in 2025 und 2026 zusammen! 

Besonders skandalös ist die Forderung der Regierung nach Aufschnüren des bereits vereinbarten Kollektivvertrages (KV) im Öffentlichen Dienst für 2026. Die Gewerkschaften GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) und younion (Gewerkschaft der Gemeindebediensteten) werden dabei mit der Drohung von Nulllohnrunden für 2027 und 2028 erpresst. 

Wieder einmal ist der Staat Vorreiter bei Angriffen auf die Beschäftigten und ebnet dadurch den Weg für Angriffe auch in der Privatwirtschaft. Es ist der Staat, der (u.a. im Bildungsbereich) seit Jahrzehnten mit Kettenverträgen arbeitet. Es ist der Staat, der (wieder im Bildungsbereich) Beschäftigte Monate oder sogar Jahre auf ihr Gehalt warten lässt. Und jetzt ist es der Staat, der in KVs eingreift, indem er den ohnehin schon mickrigen KV (offizielle Inflationsrate + 0,3 % nach jahrelangen Reallohnverlusten) im Öffentlichen Dienst wieder aufschnüren will.

Es geht hier nicht – wie behauptet wird – um eine Handvoll überbezahlter Beamter, sondern um alle Beschäftigten in Bund und Land, in der Krankenpflege, bei der Post, im Öffentlichen Verkehr, in der Verwaltung, Schulen, etc. Die Botschaft an die Privatwirtschaft ist klar: kein KV ist sicher, kein Recht von Beschäftigten ist sicher. Wenn es den Unternehmen (in diesem Fall das Unternehmen Staat) nötig erscheint, gilt nichts mehr, was vereinbart wurde. Dass die ÖGB-Führung hier betreten zur Seite schaut, um der SPÖ nicht auf die Zehen zu steigen, wird dramatische Folgen haben – nämlich eine Welle von Angriffen aus dem Privatsektor auf KVs und andere Rechte von Beschäftigten. Gerade deshalb ist es umso wichtiger, das sich kämpferische Gewerkschafter*innen zusammentun und Widerstand organisieren, um die Gewerkschaften wieder als Kampforganisationen zurück zu holen. 

Denn die absolute soziale Schieflage bei den Sparmaßnahmen der Regierung müsste längst die Gewerkschaften auf den Plan rufen, um Widerstand zu organisieren. Doch die ÖGB-Führung redet das Sparpaket bis zur Selbstaufgabe schön. Tatsächlich ist die ÖGB-Führung durch die SPÖ in die Regierung mit eingebunden. Dort hat sie allerdings  nicht die Funktion, Forderungen der Arbeiter*innen durchzusetzen, sondern die Gewerkschaften werden zu Mittätern gemacht und sollen die Mitgliedschaft ruhig halten. Finanzminister Marterbauer und Sozialministerin Schuhmann spielen dabei eine besonders üble Rolle. Unter dem Slogan „Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut“ entwaffnet sich die ÖGB-Führung und findet keine Alternative zum „kleineren Übel“. Dabei führt genau dieser Weg der Kürzungen zu Lasten der Arbeiter*innen und sozial Schwächeren zur Stärkung des „größeren Übels“. Worauf wir bereits in unserer Stellungnahme zur Regierungsbildung hingewiesen haben, wird jetzt Wirklichkeit: die FPÖ läuft von einem Umfragehoch zum nächsten, während die Regierungsparteien – allen voran die SPÖ – stetig verlieren.

Mit dem geplanten Kopftuchverbot baut die Regierung vorsorglich gleich noch eine Sicherheitsleine ein. Erstens soll es von den eigentlichen Problemen – dem Kürzungsprogramm – ablenken, Zweitens dient es als Spaltungsmechanismus ), sollte es doch da oder dort zu Protesten und Kämpfen gegen das Kürzungsprogramm kommen und drittens ist es der verzweifelte Versuch, damit das Umfragehoch der FPÖ zu stoppen – der nicht funktionieren wird.

Sparmaßnahmen in den Bundesländern …

Auch in den Bundesländern wird die finanzielle Luft immer dünner, da ein großer Teil der Bildungs-, Gesundheits- und Sozialausgaben von den Ländern zu tragen ist. In ganz Österreich steigt die Zahl der Gemeinden, die überschuldet sind, von Jahr zu Jahr, aktuell sind es schon mehr als 50 %.

In NÖ steht eine Reihe von Spitälern vor der Schließung und auch im Kulturbereich wird der Rotstift angesetzt.

In der Steiermark hat die FPÖ/ÖVP-Koalition sofort nachdem sie an die Macht gekommen war, im Sozialbereich massive Einschnitte beschlossen. Betroffen sind neben der Kürzung der Sozialhilfe eine Reihe von Sozialvereinen (in Pflege- und Altenbetreuung, Behindertenbetreuung, Jugendarbeit, Frauenvereine, psychosoziale Dienste, Integration uvm.). Dadurch wird eine Vielzahl von Betroffenen an den Rand bzw. überhaupt aus der Gesellschaft gedrängt. Eine Protestdemonstration mit ca. 2.000 Teilnehmer*innen ,,#soziallandretten!“ am 1. Juli 2025 war zwar ein wichtiger erster Schritt von Gegenwehr, doch fehlt bislang eine Kampfstrategie, wie die Rücknahme der beschlossenen Sparmaßnahmen erzwungen werden kann.

Hauptgrund dafür ist die beschränkte Herangehensweise der Gewerkschaftsführungen, die nicht über die Profitlogik des Kapitalismus hinaus denken und handeln wollen. Aber auch der KPÖ, die mit zwei Mandaten im Landtag vertreten ist und in einer Reihe von Gemeinden Gemeinderäte und in Graz sogar die Bürgermeisterin stellt, kommt eine besondere Verantwortung zu, Widerstand gegen die Kürzungsmaßnahmen zu organisieren. Sie müsste einen Forderungskatalog und ein Aktionsprogramm erstellen. Diese müssen die notwendigen Ressourcen und finanziellen Mittel für eine funktionierende Bildung, in der Pflege, für die Gesundheit (inkl. der Spitäler), für den Wohnbau, für soziale Einrichtungen, ausreichende Arbeitsplätze zu guten Arbeitsbedingungen in den Gemeinden etc. einfordern und eine Mobilisierung und konkrete Kampfmaßnahmen der arbeitenden Menschen in der Steiermark um dieses Forderungsprogramm organisieren. Der Kampf darf sich nicht an dem orientieren, was möglich ist, sondern es muss darum gekämpft werden, was nötig ist. Als Beispiel und Vorbild könnten die Erfahrungen, die in den Kämpfen der Liverpooler Stadtregierung gegen die Sparvorgaben der konservativen Thatcher-Regierung Anfang der 1980er Jahre gemacht wurden, dienen (mehr dazu weiter unten).  

Gerade in der Steiermark sehen wir auch die arbeiterinnenfeindliche Rolle der rechtsextremen FPÖ. In ihrer Propaganda und medial spielt sie sich gerne als Verteidigerin der Rechte der “kleinen Leutge” und als “soziale Heimatpartei” auf. Beispielsweise ist sie derzeit die einzige Partei, die offensiv gegen die KV-Öffnung im Öffentlichen Dienst auftritt. Doch dort, wo sie selbst die Hebel der Macht in der Hand hat, agiert sie genauso im Sinne der Herrschenden und setzt deren Sparlogik mit besonderer Härte um. Das wurde auch bei den von ihr im Rahmen der KoaIitionsverhandlungen vorgeschlagenen Maßnahmen deutlich, die noch agressivere Kürzungen bei Beschäftigten und sozial Schwächeren vorsahen.  

… und in Wien

Auch in der Bundeshauptstadt kam kurz nach den Wien-Wahlen ans Tageslicht: Im Wiener Budget klafft ein Loch von € 3,8 Milliarden! Bis Jahresende sollen nun € 500 Mio eingespart werden. Und auch hier – mit einer SPÖ-NEOS-Regierung – trifft es wieder zentral die Arbeiter*innen und sozial Schwächeren. 

Für uns stellt das keine Überraschung dar. Schon auf unserer Konferenz im Juni dieses Jahres hielten wir in unserem Perspektivenpapier fest: “Wichtig ist aber zu beachten, dass neben den Kürzungen auf Bundesebene auch noch jene durch Länder und Gemeinden dazu kommen. Da ein großer Teil der Sozialausgaben über die Länder und Gemeinden läuft, heuer keine Kommunalwahlen stattfinden bzw. Wien (und Linz) gerade gewählt haben, kann das empfindliche Einschnitte bedeuten – und Widerstand hervorrufen.” 

Zum einen soll die Mindestsicherung – in Abstimmung mit dem Bund – „neu gestaltet“, also verschlechtert werden. Im Zentrum stehen kinderreiche Familien, denn künftig soll ein Teil der Wohnbeihilfe bei der Mindestsicherung angerechnet und diese dadurch geringer werden. Hintergrund dieser Maßnahme ist auch ein rassistischer Vorstoss in der falschen Hoffnung, so der FPÖ Wähler*innen wegnehmen zu können.

Auch im Gesundheitsbereich wird der Rotstift angesetzt. Bei der Sanierung und Modernisierung von Spitälern drohen Verzögerungen und laut Gesundheitsstadtrat Hacker wird man sich „von liebgewordenen Leistungen verabschieden müssen“. Dabei krankt das Wiener Gesundheitssystem schon jetzt. Der Personalmangel in den Spitälern und bei den Ärzt*innen führt oft zu langen Wartezeiten und einer Zweiklassenmedizin. Wiens Pflege- und Patient*innen-Anwalt Jelinek stellt im Jahresbericht 2024 fest: „Wer bereit ist, privat zuzuzahlen oder eine Zusatzversicherung hat, bekommt raschere Termine für OP’s und Untersuchungen.”

Der öffentliche Verkehr wird ebenfalls massiv verteuert: das beliebte Jahresticket von € 365 auf € 467 (knapp +30 %), ein Einzelfahrschein von € 2,40 auf € 3,20 (also um ein Drittel!) und auch das Tagesticket von € 8,– auf € 10,20 (auch hier um mehr als ein Viertel). Von der Stadtregierung wird eine neu ins Programm genommene ermäßigte Jahreskarte für unter 26-jährige und Pensionist*innen sowie Menschen mit Behinderung um € 300 als soziale Maßnahme präsentiert. Doch dabei handelt es sich schlichtweg um eine Propagandalüge. 

Tatsächlich wird bei den Senior*innen der ermäßigte Einzelfahrschein zur Gänze gestrichen (somit zahlen sie in Hinkunft € 3,20 statt bisher € 1,50 – also mehr als eine Verdoppelung!) und der Tarif für die ermäßigte Senior*innen-Jahreskarte beträgt derzeit € 235. Das bedeutet zum neuen Tarif von € 300 eine Erhöhung von knapp 30 %. Für SP-Gemeinderätin Däger-Gregori ist das trotzdem “kein Abbau, sondern ein klarer Gewinn für Seniorinnen und Senioren”!

Blinde und Sehbehinderte verlieren überhaupt die Möglichkeit, wie bisher die Öffis in Wien gratis benützen zu können. Auch sie müssen künftig € 300 (Jahreskarte) oder € 3,20 (Einzelfahrt) berappen. Eine enorme Mehrbelastung für Menschen, die tagtäglich mit Barrieren zu kämpfen haben! “Sozial ausgewogen, treffsicher und fair”, so kommentierte Vizekanzler Babler das Wiener Sparpaket.

Bei den Studierenden liegt die Sache ähnlich. Sie konnten bisher ein Semesterticket um € 75 lösen und müssen stattdessen in Hinkunft die Jahreskarte um € 300 kaufen. Also auch hier in Wirklichkeit eine Verdoppelung! Dabei gehören Studierende, va. aus der Arbeiter*innenklasse, schon heute zu den finanziell am stärksten belasteten Gruppen. Viele brauchen neben ihrem Studium einen (oder mehrere) Nebenjobs, um Miete und Lebensunterhalt finanzieren zu können. 

Es regt sich auch schon erster Widerstand. Die ÖH (Österreichische Hochschülerschaft) und die Hochschulvertretungen zahlreicher Wiener Unis fordern in einem Offenen Brief die Rücknahme der Verschlechterungen und die Beibehaltung des Semestertarifs in seiner aktuellen Form. Und am 5. September kam es zu einer ersten öffentlichen Protestaktion. Wichtig wäre, dass der Protest nicht auf solche einzelnen Aktionen beschränkt bleibt (und sich dadurch auf symbolischen Widerstand reduziert), sondern dass eine Bewegung gegen die Kürzungen aufgebaut wird, die versucht, breitere Teile der Jugendlichen und Arbeiter*innen inklusive der Gewerkschaften zu mobilisieren. Ob jedoch der VSSTÖ (die Mehrheitsfraktion in der ÖH) bereit ist, als Studierendenorganisation der SP einen Konflikt mit der Mutterpartei einzugehen, ist mehr als fraglich. 

Die Stadtregierung begründet die massiven Erhöhungen neben dem “Sparzwang” auch damit, dass die Tarife über Jahre nicht erhöht wurden. Doch der Öffentliche Personen-Nahverkehr ist in unseren Augen ein Bereich, der in Wirklichkeit zur Gänze von der kapitalistischen Kosten- und Sparlogik entkoppelt gehört – aus ökologischen Gründen, um den Autoverkehr zurückzudrängen, und aus sozialen Gründen, um auch sozial schwächeren Schichten die notwendige Mobilität zu ermöglichen. Aus diesem Grund treten wir überhaupt für einen Nulltarif bei den Öffis ein.    

Das Wahlbündnis KPÖ-Links hat bei den letzten Wahlen in Wien in den einzelnen Bezirken gut abgeschnitten. Sie konnte die Anzahl der Bezirksräte von 23 auf 48 mehr als verdoppeln und ist jetzt in jedem Wiener Bezirk vertreten. KPÖ-Links trägt daher eine besondere Verantwortung, die Kritik und Ablehnung dieser Kürzungsmaßnahmen nicht der rechten FPÖ zu überlassen. Sie sollte in die Offensive gehen und beginnen, Widerstand zu organisieren, anstatt wie in Graz die kapitalistische Krise zu akzeptieren und angesichts geringerer Ressourcen ebenso wie in anderen Städten – wenn auch abgeschwächt – Sparmaßnahmen vorzunehmen.

Vorbild für einen solchen Kampf könnte der Kampf des sozialistischen Stadtrates in Liverpool in den 80-er Jahren des vorigen Jahrhunderts sein. Der von 1983 – 1987 von der Labour Party geführte Stadtrat – in dem die Militant-Strömung (heute Socialist Party, CWI in England & Wales) zentralen politischen Einfluss hatte – setzte sich gegen massiven Kürzungen bei den Kommunalbudgets durch die konservative Regierung Thatcher zu Wehr. Er weigerte sich, Sozialabbau, Privatisierungen und Arbeitsplatzabbau umzusetzen. Stattdessen wurden 10.000 neue Arbeitsplätze geschaffen, die Arbeitszeit der städtischen Beschäftigten auf 35 Stunden verkürzt, 5.400 Wohnungen gebaut und öffentliche Dienstleistungen ausgebaut. Die  Bevölkerung war aktiver Teil der Bewegung rund um den sozialistischen Stadtrat und unterstützte die Mobilisierungen, in die auch die Gewerkschaften eingebunden waren, um entsprechenden Druck gegen die Regierung in der Forderung um zusätzliche Mittel aufzubauen. Erst als sich die rechte Labour-Führung um Neil Kinnock gegen die eigenen Genoss*innen stellte, mussten diese das Handtuch werfen.

Ein weiteres – aktuelles – Beispiel ist der Kampf eines breiten Aktionsbündnisses in Dresden, in dem Sol (CWI in Deutschland) eine zentrale Rolle spielt. Durch eine Reihe von Aktionen und Mobilisierungen konnte das Bündnis in diesem Jahr eine Vielzahl von Sparmaßnahmen aus der „Liste der Grausamkeiten“ der Dresdner Stadtregierung verhindern (siehe auch Offensiv Nr. 23).

Stagflation: Anstieg der Teuerung und gleichzeitig wirtschaftliche Stagnation

Das was Wirtschaftswissenschafter*innen am meisten fürchten, passiert aktuell in Österreich und bindet auch der Regierung die Hände da sie in dem engen kapitalistischen Korsett denkt und agiert. Wir haben eine Stagflation, also eine stagnierende Wirtschaft (seit 2023 sogar Rezession) bei gleichzeitig steigender Inflation.

Hintergrund ist die weltweite kapitalistische Krise seit 2007/08 mit massiven Überkapazitäten in vielen Branchen (in Bezug auf die Kaufkraft der Bevölkerung, denn auch wenn jemand kein Geld hat, um sich ein Produkt zu kaufen, kann trotzdem ein Bedürfnis danach bestehen – es kann halt im Kapitalismus im Gegensatz zur sozialistischen Planwirtschaft nicht befriedigt werden). Die Krise trifft die einzelnen Regionen der Welt unterschiedlich stark und zum Teil zeitlich verschoben. Technologisch und wirtschaftlich stehen die USA (schwächer werdend – was durch die aggressive Zollpolitik wieder gedreht werden soll) und China (stärker werdend) an der Spitze. Europa bleibt technologisch zurück und verliert Marktanteile, während in Süd- und Ostasien die Industrie stärker wird. Die Krise wird zwar immer wieder durch kurze Erholungen unterbrochen, die aber nur eine Unterbrechung und keine Trendumkehr des globalen Niedergangs bedeuten. Österreich ist dabei eines der schwächeren Glieder in der EU. Eine detaillierte Analyse dazu wurde auf dem Weltkongress unserer Internationale, dem CWI, im August dieses Jahres beschlossen und ist auf unserer Homepage zu finden.

Grund für die wieder zunehmenden Inflationsraten sind vor allem starke Teuerungen bei den Wohn- und Energiekosten sowie bei den Lebensmittelpreisen. Hohe Teuerungsraten machen es eigentlich nötig, dass die Gewerkschaften, mit prozentuell höheren Lohnabschlüssen einen Ausgleich schaffen. Tatsächlich aber brachten die letzten Jahre Reallohnverluste, da die Gewerkschaftsführungen immer wieder mit faulen Kompromissen der Kapitalseite nachgeben und so hinter dem Notwendigen zurückblieben. Ein Argument gegen höhere Lohnabschlüsse, das die Unternehmen vorbringen und die Gewerkschaftsführung zumindest zum Teil mitträgt ist, dass die höheren prozentuellen Lohnabschlüsse die Arbeitskosten in Österreich stärker als in der EU anheben würden und dadurch die im Kapitalismus so wichtige Konkurrenzfähigkeit vermindern würden. 

Abgesehen davon dass das Argument nur beschränkt richtig ist, da sich die Produktionskosten aus weit mehr als den Arbeitskosten zusammensetzen, liegt hierin einer der Grundwidersprüche im Kapitalismus. Die einzelnen Unternehmen stehen zueinander in Konkurrenz. Jedes Unternehmen ist gezwungen, die Profite (den Ertrag) zu erhöhen, will es nicht untergehen. Das kann neben effektiverem Ressourceneinsatz durch Steigerung der Ausbeutung (durch Drücken der Löhne, Verdichtung der Arbeit, Ausweitung der Arbeitszeit) oder durch Modernisierung (Technologie, die den Arbeiter*innen ermöglicht, in kürzerer Zeit ein Mehr an Output zu produzieren), was zu einer Ausweitung der Produktion führt (meist findet eine Kombination beider Maßnahmen statt). Das wiederum führt zu regelmäßigen Krisen im System, da einerseits die Kaufkraft sinkt und gleichzeitig das Angebot an Waren steigt.

Im Kapitalismus gibt es dafür keine wirklich zufriedenstellende Lösung. Stagnation der Wirtschaft bedeutet weniger Steuereinnahmen und steigende Arbeitslosigkeit, die das Sozialsystem (Arbeitslosenversicherung aber auch die Krankenkassen durch weniger Beiträge) belastet. Gleichzeitig sollte der Staat mit investitionsfördernden Maßnahmen – also Subventionen – die Wirtschaft ankurbeln. Ein schwieriges Unterfangen bei der massiven Überschuldung. Außerdem sinkt die Investitionsbereitschaft der Unternehmen, wenn sie keine Perspektive haben, dass sich das eingesetzte Kapital über Profite wieder rasch amortisiert/rechnet (und legen das Geld daher auf die hohe Kante, oder schütten es gleich als Dividende an die Aktionär*innen aus). Oder sie stecken das Geld vorwiegend in Rationalisierungsinvestitionen, wenn sie – wie aktuell – von einem schrumpfenden Markt ausgehen, um auf diese Weise die Arbeitskosten zu senken. Umgekehrt kann  Wirtschaftsankurbelung bei hoher Inflation auch zu einem weiteren Anheizen der Teuerung führen, wodurch sich der Kreis wieder schließt. Denn der Kapitalismus befindet sich in der Sackgasse. Jedes gedrehte Rädchen bringt neue Probleme – und die Zeche bezahlen in allen Szenarien die Arbeiter*innen!

Die Gewerkschaftsführung ist durchaus offen für eine “zurückhaltende Lohnpolitik”. Mangels einer Perspektive, die über den Kapitalismus und seine Profitlogik hinausweist, glaubt sie, mit niedrigen Lohnabschlüssen Wirtschaftswachstum sichern und Arbeitslosigkeit verhindern zu können. Sie folgen damit den kapitalistischen “Wirtschaftsexpert*innen”, die mit niedrigeren Lohnkosten Konkurrenzfähigkeit und Profite sichern wollen. Aber die Rechnung geht nicht (bzw. nur kurzfristig) auf. Wie wir gesehen haben, sind die Probleme und Widersprüche komplizierter und miteinander verknüpft. Die Geschichte vieler Unternehmen, die letztlich geschlossen wurden, zeigt immer wieder: Lohnverzicht rettet keine Arbeitsplätze. Er dient nur zur Steigerung der Profite. Diese sind tatsächlich – trotz Rezession – in den letzten Jahren mitunter durch die tatkräftige Mithilfe der Gewerkschaftsführungen auf Rekordhöhe gestiegen.  

Exkurs: Der Niedergang von KTMwarum Lohnverzicht keine Arbeitsplätze rettet

Der (un-)aufhaltsame Niedergang von KTM ist ein Beispiel dafür, wie vor dem Hintergrund kapitalistischer Krisen unter den Schlagworten „Standortsicherung“ bzw. „Arbeitsplatzsicherung“ Profite zu Lasten der Allgemeinheit (also der Arbeiter*innenklasse) gesichert werden, aber keine Arbeitsplätze. KTM ist ein traditionsreiches Unternehmen in Mattighofen im oberösterreichischen Grenzbezirk Braunau in der Zweiradproduktion. Ab 1992 gehörte es mehrheitlich der Pierer Mobility (Pierer war ein enger Günstling von Ex-Kanzler Kurz), die indische Bajaj-Gruppe hielt eine Minderheit. Seit der tiefen globalen Wirtschaftskrise 2007/08 pumpten die Regierungen „zur Standortsicherung“ Milliarden in die Wirtschaft, auch in KTM. Die Subventionen wurden jedoch kaum investiert, sondern flossen großteils als Dividenden an die Eigentümer. Fazit Nr. 1: fette Profite auf der einen Seite und ein überbordendes Budgetdefizit auf der anderen Seite. Plötzlich, Ende 2024, war KTM zahlungsunfähig. Innerhalb weniger Wochen schoss der Finanzbedarf von ein paar Hundert Millionen auf über 1,5 Milliarden €. Die Produktion wurde gestoppt und die Belegschaft gekündigt (etwa 800) bzw. der Rest (etwa 1.500) in Kurzarbeit geschickt. Die Gewerkschaft, anstatt die Belegschaft zu mobilisieren und einen Kampf zur Rettung aller Arbeitsplätze zu organisieren, akzeptierte die Kündigungen und hielt die Beschäftigten ruhig. Sie half lediglich bei der Abwicklung der arbeitsrechtlichen Ansprüche der Gekündigten. Nach der vollen Übernahme des Unternehmens durch den bisherigen Minderheitsaktionär Bajaj wurde die Zweiradproduktion mit der verbleibenden Belegschaft, die aber Lohnkürzungen – mit Zustimmung der Gewerkschaft – hinnehmen musste, wieder aufgenommen. Allerdings werden immer mehr Komponenten in Indien gefertigt. Nun zeichnet sich das endgültige Ende von KTM in Österreich – und damit der Verlust der restlichen 1.500 Arbeitsplätze  – ab, nachdem der indische Eigentümer kürzlich darauf hin, dass in Indien viel kostengünstiger produziert werden könnte. Fazit Nr. 2: Gewerkschaftliche Zurückhaltung und Lohnverzicht retten keine Arbeitsplätze.  Eine ähnliche Geschichte weisen eine ganze Reihe österreichischer Industrieunternehmen auf. Die bekanntesten davon sind die Reifenproduktion von Semperit in Traiskirchen und das Opel-Werk in Wien-Aspern.

Vor einer Null-Lohnrunde, die von manchen Kapitalist*innen immer wieder gefordert wird, schreckt die Gewerkschaftsführung jedoch in der Regel zurück. Sonst würde sie ihre Existenzberechtigung aufgeben. Aber auf „kreative Lösungen“ (Originalton Reinhold Binder, Vorsitzender der PRO-GE, Produktionsgewerkschaft), also faule Kompromisse für die Kapitalist*innen zu Lasten von uns Beschäftigten, wollen sie sich schon einlassen. Die Palette ist groß, das sind Öffnungsklauseln, mit denen Unternehmen die KV-Löhne und –Gehälter unterlaufen, Einmalzahlungen, die bei der Berechnungsbasis für künftige prozentuelle Lohnerhöhungen nicht berücksichtigt werden, Freizeitoption (das ist nichts anderes als Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnausgleich statt Lohnerhöhung), mehrjährige Abschlüsse, Lohndeckel (nur bis zu einer bestimmten Höhe gibt es einen prozentuellen Inflationsausgleich, darüber nur mehr einen Fixbetrag) um nur einige der faulen Eier zu nennen. Mit solchen Zugeständnissen werden Reallohnverluste akzeptiert, obwohl die Gewinne der Unternehmen zulegen.

Nein zu weiteren Reallohnverlusten und Sparmaßnahmen zu unseren Lasten

Wir Beschäftigten können uns keine weiteren Belastungen und Reallohnverluste mehr leisten. Die Umfragen sprechen eine deutliche Sprache. Das Thema Teuerung ist mit 63 % zum wichtigsten Thema geworden. Und die Mehrheit der Beschäftigten will und braucht Lohnerhöhungen, die die Teuerung ausgleichen – jede*r Dritte tritt für einen Abschluss über der Inflationsrate ein. 

GÖD (Gewerkschaft Öffentlicher Dienst) und die Gewerkschaft younion müssen die Drohung der Regierung zurückweisen, 2027 und 2028 Nulllohnrunden durchdrücken zu wollen. Sie dürfen sich nicht auf Erpressung einlassen und das bereits beschlossenen Paket für 2026 wieder aufschnüren, das mit Inflation + 0,3 % an sich schon mager war. Jeder faule Deal führt zum nächsten faulen Deal, das zeigt sich aktuell! Zu echtem Widerstand werden die Gewerkschaftsführungen nur bereit sein, wenn von unten entsprechender Druck aufgebaut wird. Der Abwehrkampf gegen das Aufschnüren des Pakets muss gleichzeitig als Vorbereitung für einen harten Arbeitskampf gegen die drohenden Nulllohnrunden geführt werden.

Auch in der Metallindustrie, im SWÖ (Sozialwirtschaft – das ist der private Sozial- und Pflegebereich), bei den Eisenbahner*innen und allen anderen KV-Verhandlungen in diesem Herbst/Winter werden wir uns auf harte Auseinandersetzungen vorbereiten müssen. Von der Führung der Gewerkschaften, über die Betriebsräte bis zur Basis der „einfachen Gewerkschaftsmitglieder“ muss klar sein und klar gemacht werden, dass wir nicht dafür kämpfen müssen, was möglich (also die Kapitalseite bereit ist zu geben) ist, sondern dass wir dafür kämpfen müssen, was nötig ist. Dass die Gewerkschaftsführung zwar Nulllohnrunden ablehnt aber keine eigene Forderung vorlegt lässt nichts Gutes erwarten – wie niedrig über Null sind sie bereit abzuschließen? Es braucht echte Reallohnerhöhungen. Gut vorbereitete und konsequente Kampfmaßnahmen bis hin zu Streiks können das Kräfteverhältnis entsprechend verändern, sodass plötzlich mehr möglich wird, als ursprünglich angenommen. Gemeinsame, koordinierte Kämpfe der einzelnen Branchen erhöhen die Kampfkraft zusätzlich.

Gleichzeitig müssen auch die Kürzungsmaßnahmen der Regierung bekämpft werden. Sie sind nicht alternativlos. Babler selbst hat bei seinem Antreten um den SP-Vorsitz vor mehr als zwei Jahren eine Reihe von Alternativen vorgestellt (und mittlerweile seinem Arrangieren mit dem Parteiapparat und seinem Eintritt in die Regierung geopfert): Erbschaftssteuer, Vermögenssteuer, Arbeitszeitverkürzung, Preiskontrolle etc. Auch wenn klar ist, dass solche Forderungen in ihrer Wirkung im Kapitalismus beschränkt bleiben, wäre es doch möglich gewesen, um sie herum die kämpferischen Teile der Gewerkschaften, der Linken und vieler nicht organisierter und bisher nicht aktiver Beschäftigter zu mobilisieren. Eine solche Mobilisierung verändert die Gewerkschaften zu breiten und kämpferischen Organisationen und kann kann das Kräfteverhältnis zwischen den Klassen in Österreich ändern. Selbst eine neue Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche, die wir so notwendig brauchen würden, kann aus einer solchen Dynamik entstehen. Bisher sehen wir v.a. Unmut, aber keine konkreten Schritte in diese Richtung – was es umso wichtiger macht, darüber zu diskutieren, und sich in diese Richtung zu organisieren. Die Sozialistische Offensive sieht das als eine wichtige Aufgabe in der nächsten Periode.

Exkurs: Bablers Wohnprogramm

Babler und die SP versuchen nun, mit einem Wohnprogramm verlorenen Boden gutzumachen. Mitte März wurde eine sanfte Mietpreisbremse im Nationalrat beschlossen. Der zufolge werden die Kategoriebeträge und Richtwerte bei bestimmten Altbauten und Genossenschaftsmieten für 2025 nicht erhöht. 2026 dürfen sie nur um maximal 1 % und 2027 um maximal 2 % steigen. Von einem echten Mietstopp blieb man damit aber weit entfernt. Zum einen betreffen die Maßnahmen nur Genossenschaftsmieten, private Altbaumieten jedoch nur dann, wenn für sie Kategoriemietzinse bzw. eine Indexierung gemäß Richtwerte gilt. Bei Indexierungen nach VPI gilt das Gesetz nicht. Das soll nun nachgeholt werden. Solche Mieten, die nach VPI indexiert sind, sollen in Zukunft nur mehr bis zu einer Inflation bis 3 % zur Gänze, und darüber nur mehr zur Hälfte der Inflationsrate erhöht werden. Bei einer aktuellen Inflationsrate von 4,1 % würde also eine Erhöhung um 3,55 % erlaubt sein (3 % ganz, der Rest, also 1,1 % zur Hälfte = 0,55 %). Nicht wirklich berauschend dieser Mietpreisdeckel. Dazu kommt, dass der Haupttreiber der Mieterhöhungen – die Betriebskosten -, die wegen hoher Energiekosten und steigenden Kosten bei Dienstleistern wie Reinigung, Instandhaltung etc., stark zulegen, unangetastet bleibt. Auch hier zeigt sich: wer sich scheut, die Basis im Kapitalismus, die Profite, anzutasten, wird keine zufriedenstellende Lösung – in diesem Fall für die Mieter*innen – erwirken können. Denn dafür wären Mobilisierungen und Klassenkampf notwendig. 

Die Kapitalist*innen greifen den Lebensstandard der Beschäftigten an: Wenn „wir uns das nicht mehr leisten können“ – dann können wir uns den Kapitalismus nicht mehr leisten!

Die Unternehmerseite betreibt – gezwungen durch den Druck der Wettbewerbsfähigkeit im kleiner werdenden Kuchen des kriselnden Kapitalismus – längst Klassenkampf von oben. Ihr geht es um die Sicherung ihrer Profite. Die Gewerkschaftsführungen müssen mit dieser kapitalistischen Logik brechen und die Sicherung der Löhne und Arbeitsplätze von uns Beschäftigten in den Mittelpunkt ihres Handelns stellen. Da sich die SPÖ von einer Arbeiter*innenpartei – wenngleich unter pro-kapitalistischer Führung – seit den 1980er Jahren zu einer neoliberalen Kürzungspartei entwickelt hat, werden sie dabei auch ihre Anbindung an diese Partei beenden müssen. Was wir dringend brauchen, ist eine neue Partei für Arbeiter*innen und Jugendliche. In Britannien wird gerade die Neugründung einer solchen Partei unter den Gewerkschaften intensiv geführt. Hintergrund dafür ist, dass auch in Britannien – ähnlich wie in Österreich – die frühere Arbeiter*innenpartei Labour Party als Regierungspartei seit Jahrzehnten einen harten Sparkurs gegen die Arbeiter*innenklasse und die Gewerkschaften führt.

Dazu müssen wir den Druck von unten aus den Betrieben heraus aufbauen. Es ist notwendig, dass sich zum Kampf bereite Betriebsrät*innen und Gewerkschafter*innen untereinander vernetzen und daran gehen, eine gewerkschaftliche Opposition aufzubauen. Um angesichts der massiven Angriffe durch die Klasse der Kapitalist*innen – Unternehmen und Regierungen – nicht unter die Räder zu kommen, brauchen wir kämpferische und demokratisch organisierte Gewerkschaften als Mittel, um den Kampf dagegen zu führen.   

Würden die Gewerkschaften auf einen kämpferischen Kurs zur Verteidigung des Lebensstandards von uns Beschäftigten einschwenken, würden die Kapitalvertreter*innen aufschreien: „Das können wir uns nicht leisten.“ und damit drohen, Produktionen ins Ausland zu transferieren und Betriebe schließen zu müssen. Dann wird es notwendig werden, mit Streiks und Betriebsbesetzungen und der Forderung nach Offenlegung der Geschäftsbücher um jeden Arbeitsplatz zu kämpfen. So kann nachvollzogen werden, wie die Profite verwendet wurden und wohin sie geflossen sind. Schließlich wird ein Kampf um Verstaatlichungen unter Kontrolle durch die Beschäftigten und Organisationen der Arbeiter*innen notwendig werden. Dabei ist klar, dass jede Verbesserung im Rahmen des Kapitalismus bei veränderten Kräfteverhältnissen wieder rückgängig gemacht werden kann. Erst der Sturz der kapitalistischen Herrschaft und der Aufbau einer alternativen, sozialistischen Gesellschaft, wo geplant nach den Bedürfnissen der Mehrheit produziert wird, schafft die Voraussetzung für deren endgültige Absicherung.

Es ist also dringend notwendig:

  • dass sich Beschäftigte, die mit dem Kurs ihrer Gewerkschaftsführung nicht einverstanden sind, an der Basis (in den Betrieben, Schulen, Arbeitsplätzen etc.) organisieren, vernetzen und für einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaften eintreten. Wir brauchen kämpferische und demokratische Gewerkschaften!
  • dass die einzelnen Teile der Linken nicht jede für sich agieren und sich nicht auf lokale Themen konzentrieren, sondern sich zu größeren Protesten zusammenschließen und Widerstand organisieren – am besten wäre dazu eine Anti-Kürzungs-Konferenz, auf der gemeinsam die nächsten Kämpfe vorbereitet werden könnten
  • dass wir uns in unserem Kampf von der Profitlogik – und damit der Sparlogik – des Kapitalismus lösen. Im Zentrum unseres Denkens und Handelns muss stehen, was für uns Beschäftigte und sozial Schwachen notwendig ist, nicht, was in dieser kapitalistischen Gesellschaft möglich ist. Gleichzeitig muss uns klar sein, dass jede Verbesserung, die es uns zu erkämpfen gelingt, schnell wieder weggenommen werden kann. Darum brauchen wir ein Programm, das über den Tellerrand des Kapitalismus hinausblickt – ein sozialistisches Programm, dessen Ziel der Sturz des Kapitalismus und der Aufbau einer anderen, einer sozialistischen Gesellschaft ist, in der nach den Bedürfnissen der Mehrheit demokratisch geplant produziert wird.