Bei den diesjährigen Lohn- und Gehaltsverhandlungen in der EEI erfolgte nach mehreren Verhandlungsrunden zwischen Kapitalvertreter*innen und den Gewerkschaften (PRO-GE für die Arbeiter*innen und GPA für die Angestellten), bei denen die Kapitalvertreter*innen lange Zeit eine Null-Lohnrunde forderten, nach einer Streikdrohung schließlich ein KV-Abschluss von 3 %, während die Ist-Entlohnung nur um 2,75 % angehoben wurde, wobei zusätzlich eine Deckelung bei max. EUR 115,– eingezogen wurde. Zu den Verhandlungen wurde eine Jahresdurchschnittsrate von 2,76 % Inflation herangezogen. Unterm Strich also über weite Strecken ein Reallohnverlust.

In der EEI arbeiten ca. 60.000 Kolleg*innen. Teilweise gibt es große Unterschiede bei Löhnen und Arbeitsbedingungen innerhalb der Branche: In der Forschungs- und Entwicklungsarbeit ist Überzahlung üblich, in Produktionsbetrieben haben Kolleg*innen jedoch schwer zu kämpfen und liegen in der Regel am oder nur knapp über KV.

(Anmerkung: Die KV-Entlohnung ist die kollektivvertraglich festgelegte Mindestentlohnung, die jede/r Beschäftigte in der Branche bekommen muss. Besonders nachgefragte Facharbeiter*innen und Angestellte werden oft über der KV-Mindestentlohnung bezahlt. Das nennt sich dann Überzahlung oder Ist-Entlohnung.)

Mit Christian S., der in Wien bei einem international tätigen Unternehmen arbeitet, das vor allem Energieinfrastruktur vertreibt, führten wir dazu das folgende Gespräch:

Wie hast du die heurigen KV-Verhandlungen in deinem Betrieb erlebt?

Ich arbeite in der Elektrobranche, in einem internationalen Konzern, der vor allem Energieinfrastruktur vertreibt. Mein Unternehmen und eine Handvoll weitere, stehen vor einer anderen Realität als die Mehrheit der Industrie in Österreich. Unsere Auftragsbücher sind prall gefüllt, eine Folge der verspäteten Energiewende, die Produktion ist auf 4 Jahre ausgelastet, und es wird händeringend nach Personal gesucht.

So war es für mich und meine Kolleg*Innen befremdlich, die KV Verhandlungen dieses Jahr mitzuverfolgen und die zurückhaltende Gangart der Gewerkschaft zu sehen. Im Kolleg*innenkreis war klar, dass die Erhöhung gering ausfallen wird. Aber fast jede/r ist überzahlt und nicht zwingend auf die KV-Erhöhung angewiesen. Für die Mehrheit meiner Kolleg*innen sind die jährlichen KV- Erhöhungen maximal ein Gutserl, aber nicht überlebenswichtig, das hängt auch mit der Altersstruktur der Belegschaft zusammen.

Trotzdem wurden bei der Betriebsversammlung Anfang Mai die Gewerkschaft und der Betriebsrat ermutigt, härter zu verhandeln und mit Streiks zu drohen – denn “man müsse solidarisch mit den Arbeitnehmer*innen im Rest der Branche sein”.
Davon war ich ehrlich gesagt überrascht, denn mein Betrieb ist so gar nicht kämpferisch, chronisch über KV bezahlt und hat einen wenig kämpferischen Betriebsrat. Insgesamt aber waren die Verhandlungen kein großes Thema bei uns. Abgesehen vom Betriebsrat und vereinzelten Kolleg*Innen habe ich keine Gespräche über die Verhandlungen mitbekommen.

Die Kapitalseite forderte ja lange Zeit eine Null-Lohnrunde. Sie berufen sich auf wirtschaftliche Probleme in Österreichs Industrie und in der Branche.

Schon im Oktober 2024 warnte der FEEI-Obmann* Wolfgang Hesoun (ehemals CEO** von Siemens Austria) in Factory, einem Magazin der Industrie: “Für die österreichische Elektro- und Elektronikindustrie war das Jahr 2023 besonders herausfordernd.” und “Die aktuellen Zahlen für Mai 2024 fallen mit einem Minus von 11 Prozent aus. Eine Trendwende ist nicht in Sicht.“

Das waren erste Anzeichen für die harten Randbedingungen der KV-Verhandlungen in der EEI 2025.

Gerade der Bezug zu 2023 ist schlichtweg falsch, so wurde im selben Medium noch ein Jahr zuvor getitelt: “Elektro- und Elektronikindustrie: eine stabile Branche in Österreich”.

Die Bosse drehen sich die Wahrheit so hin, wie sie ihnen gerade in den Kram passt, und legen immer härtere Bandagen in den Verhandlungen an.
Schon 2024 wurde erst nach Androhung von Streiks ein Abschluss erzielt, und 2025 gab es etliche Verhandlungsrunden ohne Angebot von Seiten der Arbeitgeber*innen.

Schließlich brauchte es ja auch heuer wieder eine Streikdrohung, bevor es zu einem Abschluss kam.

Ja, es wurde ein Abschluss erzielt – ein schlechter noch dazu.

Der erzielte Abschluss wird angesichts der wirtschaftlichen Lage Österreichs und der Elektroindustrie von der Gewerkschaft als Gewinn verbucht. “Löhne und Gehälter steigen um 3 Prozent” titelt die GPA – verschweigt dabei aber glatt, dass die Ist-Löhne um 0,01% gegenüber der Inflation von 2,76% sinken.

In Wahrheit also ein Minus, zumal die Erhöhung von 2,75% gedeckelt ist und es eine Rezessionsoption gibt. Das heißt, wenn ein Unternehmen seit den letzten zwei Jahren ein negatives EBIT*** oder im letzten Geschäftsjahr ein Minus von mehr als 2 Prozent hat, kann diese Option angewendet werden. Ein Teil der Ist-Erhöhung wird dann in bezahlte Freizeit oder in eine Einmalzahlung umgewandelt.

Das haben wir 2023 im Metaller-KV zum ersten Mal gesehen, wo hunderte Firmen davon Gebrauch machten.

Du bist also mit dem Abschluss nicht zufrieden?

Nein, obwohl es mich persönlich eigentlich nicht so stark trifft.

Aber ein großer Streitpunkt ist auch die Berechnung der Inflation. Die herangezogenen Warenkörbe spiegeln einfach niemals die Preissteigerungen wider, die für Arbeiter*Innen wirklich relevant sind wie Mieten, Lebensmittel, Sprit usw., sondern beinhalten verfälschende Gewichtungsfaktoren und “Güter des alltäglichen Bedarfs”, die kein Mensch braucht wie teure Elektrogeräte, Luxusartikel und ähnliches.

Was müsste sich ändern?

Was es braucht, sind kämpferische Betriebsräte, die die eigene Belegschaft mobilisieren, die Druck auf die GPA-Führung und auf die Unternehmen ausüben und die vor Streiks nicht zurückschrecken. Wir brauchen KV-Abschlüsse die solidarisch sind, die vor allem die unteren Einkommensstufen des KV mit fixen Erhöhungen anpassen und eine allgemeine Anhebung der KV-Stufen auf ein Niveau, welches Überzahlung unnötig macht.


Anmerkungen:
*) FEEI = Fachverband Elektro- und Elektronikindustrie
**) CEO = Chief Executive Officer = Generaldirektor
***) EBIT = Earnings before interest and tax = Ergebnis vor Zinsen und Steuern