Am 14. Juni hat die Sozialistische Offensive, die Gruppe des CWI in Österreich, ihre Konferenz abgehalten. Ein wichtiges Thema war die aktuelle Situation in Österreich sowie die Perspektiven für die kommende Periode. Denn diese Perspektiven sind die Grundlage für die politische Arbeit, die Initiativen und Schwerpunktsetzungen der nächsten Monate.
Österreich ist keine Insel, sondern Teil der welt(weiten Entwicklung)
Egal welche internationale Krise – Österreich bleibt nicht davon verschont. Da im Juli der Weltkongress des CWI ein umfangreiches Perspektivendokument diskutieren und beschließen wird, beschränken wir uns darauf, einige der für Österreich wichtigen Punkte aufzugreifen. Gerade aufgrund der Kleinheit des Landes und auch aufgrund seiner Lage ist der Einfluss von internationalen Entwicklung besonders groß.
Die Krise der Weltwirtschaft ist substantiell. Seit inzwischen Jahrzehnten folgt eine Krise der nächsten und auch in den Perioden dazwischen sehen wir kein dynamisches Wachstum, das den Lebensstandard auch breiterer Schichten signifikant erhöhen würde. Die europäische Wirtschaft gerät im sich intensivierenden Konflikt zwischen China und den USA zunehmend ins Abseits. Technologisch ist Europa in vielen Bereichen abgehängt und Europa ist bei Energie und Rohstoffen auf Importe aus Regionen angewiesen, in denen der Einfluss von USA und China weit größer ist. Europa, und das gilt auch für Österreich als Teil von Europa, aber auch in Abgrenzung von anderen europäischen Mächten, versucht, zwischen den Kontrahenten zu lavieren, aber auch, Nischen zu finden. Die österreichische Wirtschaft ist hochgradig exportabhängig, weswegen insbesondere die Zollpolitik von Trump dramatische Auswirkungen haben kann.
Der Zuspitzung der wirtschaftlichen Rivalitäten folgt die Politik und damit steigen die Spannungen zwischen unterschiedlichen imperialistischen Staaten, aber auch Blöcken. Die Kriegsgefahr wächst, auch wenn die Konflikte sich nach wie vor eher in Stellvertreterkriegen ausdrücken werden. Der Ukrainekrieg und die Lage im Nahen Osten sind nur zwei der zahlreichen (möglichen) Brennpunkte. Als Land an der Grenze zu diversen Ost- und Südosteuropäischen Staaten mit veritablen wirtschaftlichen Interessen in der Region ist Österreich mittendrin im Konflikt zwischen China, den USA, Russland und anderen europäischen Mächten. Auch wenn Österreich formal “neutral” ist, war es doch seit 1945 Teil der westlichen Wirtschafts- und Militärpläne und ist in hohem Maße betroffen von der zunehmenden Kriegsgefahr und v.a. dem Aufrüstungswettlauf.
Durch die Wirtschaftskrise und die Kriegsgefahr ist die Klimakrise in der Wahrnehmung in den Hintergrund gerückt. Regierungen, konservative wie auch “fortschrittliche”, rücken weltweit von Klimazielen ab. Auch verschiedene Klimaaktivist*innen scheinen kapituliert zu haben. Doch an der Brisanz des Themas hat sich nichts geändert. Im Gegenteil ergänzen die Folgen der Klimakrise (Wassermangel, Verwüstung etc.) die Kriegsgründe weltweit, wie auch die Anzahl der Klimaflüchtlinge zunimmt. Die Klimakrise hat wegen der großen Bedeutung von Landwirtschaft und Tourismus in Österreich auch unmittelbar ökonomische Auswirkungen.
Die politische Krise ist die Folge einer Politik, die nicht in der Lage ist, die zahlreichen Krisen auch nur im Ansatz zu lösen. Die Halbwertszeit von Regierungen sinkt laufend, die Parteien müssen sich in immer kürzeren Abständen neu erfinden oder bzw entstehen eine Reihe von neuen Formationen. Das Vertrauen in die etablierte Politik sinkt und lässt Raum für verschiedenste Populist*innen. Die Krise der bürgerlichen Demokratien findet ihren Ausdruck in der Stärke der FPÖ, aber auch in der steigenden Wahlunterstützung für die KPÖ (vor allem bei Menschen unter 30). Das zeigt, dass es sich keineswegs um einen simplen “Rechtsruck” handelt, sondern dass eine allgemeine Ablehnung des politischen Establishments nur auf ein Angebot von rechts, nicht aber von links trifft.
Gleichzeitig sehen wir aber in den letzten Jahren eine Serie von Protesten und Protestbewegungen, die auch in Österreich oft mit Sympathie und Interesse verfolgt wurden. Das umfasst Aufstände gegen Diktaturen (wie in Belarus oder dem Sudan), gegen Kriege (wie Israel-Palästina) oder gegen illiberale Regime wie in Serbien oder der Türkei. Oft stehen demokratische Forderungen am Beginn solcher Bewegungen (wie im Iran Frauenrechte, wie in vielen Ländern Osteuropas oder des Balkan Antikorruption), doch rasch wird klar, dass soziale Fragen untrennbar verbunden sind. Solche Protestbewegungen führen nicht nur zur Politisierung in der Diaspora (wobei die Serbische hier besonders groß ist in Österreich), sondern auch unter v.a. jungen Österreicher*innen.
Vor diesem Hintergrund sind trotz der beachtlichen Wahlerfolge der KPÖ die aktuelle Schwäche der revolutionären Linken und die ideologische Krise der Linken an sich eine besondere Herausforderung. Schon seit Jahren klaffen Zustand und Notwendigkeit immer weiter auseinander. Zahlreiche revolutionäre bzw. linke Organisationen sind nicht/kaum mehr existent und die verbliebenen (die Kräfte in/um die KP, Junge Linke sowie Links) haben sich häufig auf eine stark regionalisierte, NGO-artige Politik zurückgezogen. Die Sozialistische Offensive unterstützt regionale oder sogar lokale Initiativen, setzt diese aber in Zusammenhang mit internationalen Entwicklungen und einer grundlegend materialistischen Herangehensweise. Das steht im Widerspruch zur vorherrschenden idealistischen Sichtweise, in der es für Teile der hauptsächlich kleinbürgerlich geprägten Linken immer weniger um die Veränderung der äußeren Lebensumstände geht, sondern mehr um eine Organisation zum Wohlfühlen. Das hat auch mit dem immer noch relativ niedrigen Level von Klassenkämpfen. Zukünftige Klassenkämpfe werden die Notwendigkeit kollektiver Veränderung wieder stärker auf die Tagesordnung setzen.
Die Aktivist*innen der SO sind sich der schwierigen objektiven Lage und der Schwäche der linken und klassenkämpferischen Kräfte bewusst – aber eben auch der Polarisierung, der Politisierung sowie der Chancen und Verantwortung, die all das für revolutionäre Kräfte bedeutet.
Österreich: Was das Kapital braucht, um die Wirtschaft fit zu machen
Österreich steckt im dritten Jahr der Rezession und die Prognosen gehen davon aus, dass auch 2025 ein Jahr wird, in dem das BIP weiter schrumpft. Angesichts der globalen Unsicherheiten (Stichwort: Trump-Zölle) sind aber ohnehin alle Prognosen mit Vorsicht zu genießen. Im internationalen Vergleich ist Österreich Schlusslicht beim Wachstum. Über 50% des BIPS kommen aus Exporten (bei Importe ist der Wert fast genauso hoch). Der größte Teil des Handels ist mit europäischen Staaten (knapp 80%) und hier v.a. Deutschland, bei den Exporten ist die USA wichtiger als China, bei den Importen liegt China vor den USA. All das wird den Druck auf Wirtschaft und Politik weiter erhöhen, insbesondere bei der Exportgüterproduktion die Kosten zu reduzieren. “Senkung der Lohnkosten, der Lohnnebenkosten”, “Erhöhung der Effizienz” sowie “Steuererleichtungen und Exportförderung” werden daher zentrale Forderungen sein. Die unterschiedlichen Bedürfnisse verschiedener Branchen mit verschiedener regionaler Ausprägung sind Grund für die verschiedenen politischen Akzente der Parteien. Wer für den heimischen Markt produziert, will diesen geschützt wissen, wer für den Export produziert, setzt mehr auf Freihandel. Die unterschiedliche Positionierung z.B. der FPÖ zu Russland und dem Ukraine-Krieg liegt nicht nur an persönlichen und politischen Verbindungen, sondern spiegelt auch sehr real die Interessen eines Sektors des Kapitals wieder, der weiterhin auf den Import von russischem Gas und Öl angewiesen ist bzw. in Russland selbst gute Geschäfte macht.
Die aktuelle (und künftige) Lage ist geprägt von Betriebsschließungen und Stellenabbau. 2024 wurde der historisch hohe Wert von durchschnittlich 18 Firmenpleiten pro Tag verzeichnet. Anfang 2025 sind weniger als die Hälfte aller Unternehmen mit der Geschäftslage zufrieden. Für 2025 rechnen Expert*innen sogar damit, dass der Rekord an Insolvenzen von 2009 (7.200) heuer sogar noch übertroffen werden könnte. 2024 haben allein durch Insolvenzen rund 14.000 Menschen ihren Job verloren, viele weitere durch Rationalisierungsmaßnahmen. Die Arbeitslosigkeit steigt und liegt bereits bei knapp 400.000 – denen aber nur knapp 150.000 offene Stellen gegenüber stehen (Stand Mai). Vor diesem Hintergrund sind die geplanten Verschärfungen bei Arbeitslosen besonders bedrohlich. Auch die Verschärfungen zum Pensionsantritt dienen v.a. dazu, Kosten zu sparen. Die Situation Arbeitslosigkeit bei gleichzeitigem Arbeitskräftemangel ist nur auf den ersten Blick ein Widerspruch. Einerseits kann natürlich nicht jedeR Arbeitslose jeden Job machen. Aber v.a. geht es hier darum, die Lohnstückkosten zu senken. Indem der Druck auf Beschäftigte und Arbeitslose erhöht wird, werden Menschen immer mehr den Bedürfnissen der Wirtschaft unterworfen (bezüglich Dauer des Arbeitsweges, Zwang zum Umzug für den Job, etwas lernen, was einen gar nicht interessiert etc.). Und indem der Druck auf Arbeitslose erhöht und der Pensionsantritt erschwert wird, müssen jene, die einen Job haben, billiger arbeiten. Auch die ideologische Propaganda (“es sind keine guten Lehrlinge zu bekommen”) etc. dient v.a. darum, Selbstbewusstsein von Beschäftigten erst gar nicht aufkommen zu lassen und so leichter die Ausbeutung ohne Gegenwehr erhöhen zu können.
Die Krise ist anders als noch 2009 viel unmittelbarer spürbar. Menschen werden nicht (vorübergehend) in Kurzarbeit gehalten, sondern Personal wird direkt abgebaut und Standorte geschlossen. Die Arbeitslosigkeit wird durch die Pensionierungswelle der “Boomer” nur temporär in Schach gehalten werden. Aufgrund der gesunkenen Reallöhne durch die Inflationsjahre haben die Menschen wesentlich weniger Reserven. Es ist auch kein temporärer Schock wie 2020, der mit Regierungshilfen überbrückbar ist. Nun bezahlen die Beschäftigten, Jugendlichen, Pensionist*innen und Arbeitslosen. Menschen verlieren ihre Jobs und ihre Wohnungen. Die Perspektive auf ein baldiges Ende der Krise und insbesondere auf einen baldigen kräftigen Aufschwung fehlt und das beeinflusst die wirtschaftliche und politische Situation aber auch das Bewusstsein.
Angesichts der Wirtschaftszahlen ist die Wunschliste des Kapitals groß, im Regierungsprogramm sind v.a. viele Allgemeinplätze zu finden. In folgenden Bereichen steigt der Druck auf die Regierung, zu liefern:
-Lohnstückkosten senken, Effizienz steigern: Um im internationalen Wettbewerb die Chancen zu erhöhen, sind österreichische Firmen im Rahmen der kapitalistischen Logik gezwungen, die Lohnstückkosten zu senken. Dafür mögliche – und geforderte – Maßnahmen sind: die Arbeitszeit zu erhöhen (pro Tag, pro Woche, in Jahren), die Arbeitsleistung zu erhöhen (Erhöhung des Leistungsdrucks und Ersatz von Mensch durch Maschine), die Arbeitsleistung zu verbilligen (durch niedrige Abschlüsse, Senkung der Lohn”nebenkosten”, Erhöhung der Konkurrenz unter den Beschäftigten durch z.B. Druck auf Arbeitslose). Die Regierung kann – und wird – hier aus zwei Richtungen unterstützen: bei den Beschäftigten/Arbeitslosen sowie durch die staatliche Förderung von Forschung und Entwicklung (deren Profite dann privaten Firmen zugutekommen) und durch steuerliche Entlastung für Unternehmen.
-Finanzmärkte stärken: Die Investitionsquote sinkt in den letzten Jahren wieder. Generell ist die Bereitschaft von “normalen” Privatpersonen, in diverse Finanzprodukte zu investieren – und hier v.a. bei spekulativen – eher gering. Wenn aber im produktiven Bereich weniger zu holen ist, such das Kapital nach immer absurden Finanzkonstrukten und will dafür auch den Zugriff auf das Geld der Arbeiter*innenklasse erhöhen. “Finanzbildung” für Schulen und ein Propagandafeuer warum wir alle unbedingt unser Geld in Aktien, Fonds und anderes stecken sollen dient genau dazu. Gerade in wirtschaftlich unsicheren Zeiten kann das aber zu einer massiven Umverteilung führen wenn dann die Finanzprodukte, in die Menschen mit wenig bzw. durchschnittlichen Einkommen, investieren schlecht performen oder sogar crashen während die wirklich Reichen ihr Vermögen in Immobilien und Land sicher angelegt hat.
-Deregulierung: Österreich hat im internationalen Vergleich relativ hohe Sicherheitsstandards für Beschäftigte, Umwelt etc. Das kostet. Wenn die Wirtschaft von “Bürokratieabbau” redet, dann meint sie nicht, dass wir ohne hohen Gebühren einen neuen Pass bekommen, sondern dass nicht mehr so genau geschaut wird, ob die Arbeitszeit eingehalten wird oder die Abwässer sauber sind.
Die neue Koalition startet mit einem Doppelbudget und einem Sparpaket und es ist davon auszugehen, dass es nicht das Letzte sein wird. Im Regierungsübereinkommen sind viele der geplanten Maßnahmen unter “Budgetvorbehalt”. Wir haben uns in der Analyse des Regierungsprogramms /LINK) bereits mit einigen Aspekten beschäftigt und können nicht im Detail alle Maßnahmen der kommenden Jahre vorhersehen und hier behandeln. Wichtig ist aber zu beachten, dass neben den Kürzungen auf Bundesebene auch noch jene durch Länder und Gemeinden dazukommen. Da ein großer Teil der Sozialausgaben über die Länder und Gemeinden läuft, 2025 keine weiteren Kommunalwahlen stattfinden bzw. Wien (und Linz) gerade gewählt haben, kann das empfindliche Einschnitte bedeuten – und Widerstand hervorrufen.
Die Rolle die Kürzungen zu “verkaufen” fällt der SPÖ zu: insbesondere Finanzminister Marterbauer und Vizekanzler Babler erklären medial, wie wichtig das Sparen ist. Das Argument, dass sie die Suppe auslöffeln müssten, die die Vorgängerregierungen ihnen eingebrockt hätten, hört niemand mehr. Die SPÖ hat ein tiefes Selbstverständnis als staatstragende Partei und als jene, die am besten im Sinne “der Wirtschaft” als Ganzem agieren kann (weil sie weniger als z.B. ÖVP oder FPÖ unter dem Druck einzelner Kapitalfraktionen stehen). Also, so ihre Selbstwahrnehmung und Außendarstellung, ist sie “vernünftig” und steht für den Sparkurs, “weil es nötig ist”. Umfragen zeigen bereits, dass insbesondere SPÖ-Wähler*innen mit “ihrer” Partei in der Regierung unzufrieden sind – das kann die angespannte interne Situation (Stichwort Doskozil) neu entfachen. Die große Profiteurin dieser staatstragenden Haltung wird die FPÖ sein. Das Konzept, durch eine staatstragende Dreier-Koalition die FPÖ ausbremsen, wird sich bei kommenden Wahlen wohl als ziemlicher Bumerang herausstellen.
Gerade angesichts der sonstigen Kürzungspropaganda sind die geplanten Rüstungsausgaben besonders beachtlich. Auch in allen anderen Bereichen der Gesellschaft soll die “Wehrhaftigkeit” erhöht werden. Hierbei geht es nicht um die Verteidigung der Außengrenzen gegen eine angeblich drohende Invasion. Vielmehr geht es um eine generelle Militarisierung der Gesellschaft und die Legitimierung einer Aufrüstung, die zum Schutz der Interessen des österreichischen Kapitals (z.B. auf dem Balkan, aber auch gegen z.B. Streiks, Betriebsbesetzungen oder Blockaden von LKWs) eingesetzt werden kann. Hier ist mit einer weiter zunehmenden Propaganda, inklusive sexistischer Nebeneffekte (“echte Männer stehen ihren Mann”), zu rechnen. Das kann aber auch bei einer Schicht von Jugendlichen eine Gegenwehr auslösen und zu Protesten führen. Die andere Seite der Medaille ist, dass die Kürzungsmaßnahmen trotz vermeintlich fortschrittlicher Orientierung von SPÖ und Neos v.a. ärmere Haushalte und damit besonders Frauen treffen werden. Hier ist mit viel Symbolpolitik zu rechnen, die die tatsächlichen Probleme verschleiern soll.
Komplizierte und herausfordernde Zeiten
Die aktuelle Regierung wird, wie schon jene davor, instabil sein. Dass sie trotzdem länger halten kann, ist dazu kein Widerspruch, sondern Ausdruck der Alternativlosigkeit, der Staatsräson bis zur Selbstaufgabe (SPÖ) und dem Wunsch, an den Futtertrögen zu bleiben (ÖVP, Neos). Aktuell dominiert bei vielen noch das „Hauptsache wir haben einen Kanzler-Kickl verhindert” Gefühl, doch wird das nicht von Dauer sein. Je deutlicher die Auswirkungen der Sparpolitik und der Krise spürbar werden, umso mehr wird das in den Hintergrund rücken.
Die FPÖ hat sich zweifellos eine stabile Wähler*innenbasis aufbauen können. Hier ist die die Anti-Migrations-Rhetorik sicher ein Grund oder zumindest kein Hindernis. Trotzdem hat das Protestelement, gegen “die da oben”, “das System” etc. auch unter den Stammwähler*innen eine hohe Bedeutung. Die Angst vor der Zukunft und die Ablehnung der aktuellen Politik sind nachvollziehbare und oft korrekte Punkte, die aber im Wesentlichen nur von der FPÖ aufgegriffen werden. Einfach von “Rechtsruck” zu sprechen wird der Widersprüchlichkeit der Entwicklung nicht gerecht, da die „Anti-System“-Stimmung auch einen Ansatzpunkt für echte Anti-System-Forderungen, also für antikapitalistische und sozialistische Ideen, sein kann, insbesondere im Rahmen von sich entwickelnden Klassenkämpfen. Tatsächlich wird es möglich sein, Teile der FPÖ-Wähler*innen durch künftige Klassenkämpfe und eine neue Arbeiter*innenpartei anzusprechen, von der FPÖ und ihrem Rassismus loszubrechen und zu Mitstreiter*innen für sozialistische Ideen zu gewinnen.
Gleichzeitig geht von der FPÖ und einem Teil ihrer Partner (wie den Identitären etc.) eine echte Gefahr aus. Sozial steht die FPÖ in ihrer Praxis oft für den schärfsten Sozialabbau. Dazu kommt z.B. in der ober- und niederösterreichischen Praxis eine aggressive Anti-Migrant*innenlinie, die Vorurteile schürt und auch konkrete Verschlechterungen für Migrant*innen bringen kann – wie auch für Frauen, Queers etc.. Noch weiter rechts stehende Strukturen und Aktivist*innen werden im Windschatten der rechten Wahlerfolge immer selbstbewusster und damit auch im physischen Sinn angriffiger. Die zahlreichen Waffenfunde bei Rechten sowie die starke Zunahme rechter Straftaten ist ein Ausdruck für diese gefährliche Entwicklung. Die SO ist noch zu klein, um ins Fadenkreuz der Rechten zu gelangen, aber im Zuge von Solidaritätsprotesten, nach solchen Angriffen müssen wir einerseits die Verantwortung der Gewerkschaften in der Gegenwehr und Andererseits die Verantwortung der SPÖ und der Grünen für diese Gefahren herausstreichen.
Ein Blick in die USA bzw. Ungarn zeigt auch, dass es sehr bewusste Versuche solcher rechtspopulistischer Organisationen gibt, bürgerlich-demokratische Rechte einzuschränken. Diese Ebene steht aktuell stark im Vordergrund bei der öffentlich starken Kritik an rechten Kräften. Die Kritik ist richtig, greift aber viel zu kurz und fußt in einem abstrakten Verständnis von Demokratie, die völlig losgelöst von sozialen Fragen ist. Wir haben bei den bisherigen Protesten gegen Trump aber auch gegen die drohende FPÖ-Kanzlerschaft eine fast exklusive Orientierung auf die Fragen von Demokratie, Rechtsstaat etc. gesehen. Es ist davon auszugehen, dass auch bei künftigen Protesten solche Fragen ein Startpunkt sein können. Viele “Fortschrittliche” konzentrieren sich abstrakt auf die “Verteidigung der Demokratie” und nehmen für Elemente von gesellschaftlichem Liberalismus auch Wirtschaftsliberalismus in Kauf. Unsere Aufgabe wird es sein, sensibel bei diesen Fragen anzusetzen und unter Anwendung der Übergangsmethode die Verbindung zu sozialen Fragen herzustellen, die Rolle des Staates (als nicht neutral) und die Bedeutung aber auch Beschränkung bürgerlicher Demokratie aufzuzeigen. Die Kombination von “demokratische Rechte verteidigen” mit “echte Demokratie auch in der Wirtschaft, im Betrieb” erkämpfen kann ein guter Ansatzpunkt sein, um die besten Kräfte in solchen Bewegungen anzusprechen.
Das Fehlen einer starken linken Alternative, die in der Arbeiter*innenschaft verankert ist, einer echten Arbeiter*innenpartei, ist der Hauptgrund dafür, dass die FPÖ Wahlen gewinnt. Die Wahlerfolge der FPÖ, aber auch der KPÖ sowie diverser kurzlebiger populistischer Projekte (von Düringer über Lugner bis zur Bierpartei) zeigen, wie verwirrt das Bewusstsein ist und wie groß der Wunsch nach einer Alternative ist. Gerade die KPÖ-Erfolge zeigen, dass sich Protest auch stark „links“ ausdrücken kann, wenn es ein Angebot gibt.
Gerade weil die SPÖ so eifrig und brav die Kürzungspolitik umsetzt (und die ÖGB-Führung ihre Mitgliedschaft nicht dagegen mobilisiert), ist eine Stärkung der FPÖ bei den kommenden Wahlen zu erwarten. Die Debatten darüber, wie die FPÖ zu stoppen ist, gibt es seit Jahren. Die aktuelle Bundesregierung ist eine – schlechte – Antwort darauf. Die Gefahr einer FPÖVP-Regierung unter Kickl hat zu Politisierung und Mobilisierung geführt. Gleichzeitig gibt es nach den Erfahrungen mit dieser Kombination auf Bundes- und Landesebene auch einen gewissen Gewöhnungseffekt.
2026 findet neben der Wahl in St. Pölten, lediglich eine wirklich spannende Wahl statt: die Gemeinderatswahl in Graz, in der aktuell die KPÖ die Bürgermeisterin stellt. Hier wird von allen Kräften versucht werden, jeden kleinsten Fehler der KPÖ aufzublasen und zu “beweisen”, dass die KPÖ eben nicht Bürgermeisterin kann. Wir kritisieren die KPÖ seit langem dafür, dass sie Politik viel zu stark als Stellvertretung auslegt und keine Bewegung außerhalb der Körperschaften aufbaut, um diese Mandate und ihr Programm durch ausreichend Druck von außen zu stützen. Es ist zu befürchten, dass unsere Analyse eintritt und die KPÖ den Bürgermeister*innensitz wieder verliert da sie keine solide Basis aufgebaut hat und sie in der Praxis nicht so fundamental anders agiert hat. Bei all unserer Kritik wäre das aber auch ein Rückschlag für die Linke und die Arbeiter*innenbewegung und werden wir die Verteidigung der KPÖ-Bürgermeisterin in Graz kritisch, aber entschieden zu unterstützen.
Insgesamt ist das Fehlen einer Neuen Arbeiter*innenpartei DAS zentrale Problem der Arbeiter*innenbewegung. Die KPÖ ist, anders als im Selbstverständnis mancher ihrer Mitglieder und Funktionär*innen, nicht diese neue Arbeiter*innenpartei, aus verschiedenen Gründen, aber in ihr können sich Elemente des Neuformierungsprozesses ausdrücken. Der Aufbau steht in einer dialektischen Wechselwirkung zur Entwicklung von Klassenkämpfen und Klassenbewusstsein. Das eine geht nicht ohne das andere. Durch den Regierungseintritt der SPÖ sind gewerkschaftliche Proteste gegen Maßnahmen der Regierung wesentlich schwieriger durchzusetzen und erfordern, dass sich im ÖGB (und auch der FSG) eine Opposition gegen das Einvernehmen, die Füße gegenüber der Regierung still zu halten, formiert sowie massiven Druck von unten. Andererseits nimmt der Klassenkampf von oben auf der betrieblichen Ebene massiv zu. Die Kapitalseite agiert zunehmend aggressiv – und die Wirtschaftskrise, va wenn sie sich weiter zuspitzt, erschwert es für die Arbeiter*innenklasse, hier zurück zu schlagen.
Größere, generalisierte Bewegungen aus der Arbeiter*innenklasse sind in der nahen Zukunft aufgrund der Regierungsbeteiligung der SPÖ erschwert.. Das Bewusstsein liegt immer noch hinter der objektiven Entwicklung, es fehlt an Organisationen, die bei Kämpfen und Bewusstseinsentwicklung unterstützen würden und Krisen sind generell immer eine schlechtere Ausgangssituation für Klassenkämpfe. V.a. in Branchen die noch nicht direkt von der Krise betroffen sind, werden wir aber eine Reihe von härteren Auseinandersetzungen (mit einer Gewerkschaftsführung, die zu weitreichenden Zugeständnissen bereit ist) auf der Kollektivvertragsebene sehen. Denn seit Jahren ist von Unternehmensseite bei KV-Verhandlungen eine Kombination aus Verweigerung, Verzögerung und Aufweichung zu sehen. Je härter die Krise zuschlägt und v.a. je höher die Arbeitslosigkeit wird umso zögerlicher wird die Gewerkschaftsführung agieren. Hier erwarten wir eher explosionsartige, konkret unvorhersehbare Kämpfe und Ausbrüche auf betrieblicher bzw. lokaler Ebene. Eruptionen von Verzweiflung, die ohne oder sogar gegen den Wunsch der Gewerkschaftsführung ausbrechen. Sie werden oft nicht erfolgreich sein aber trotzdem ein Signal an andere senden “seht her, man kann sich wehren”. Auch deshalb wird es nötig sein so oft wie möglich aufzuzeigen, wie diese Kämpfe trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage gewonnen werden könnten und ein Programm anzubieten, dass über den Tellerrand der Betriebswirtschaft und der Lokalpolitik hinausgeht. Eine gewerkschaftliche Linke hat in Österreich keine Tradition – ist aber dennoch notwendig. Die Aufgabe von Marxist*innen ist es daher Kolleg*innen, die in Betrieben, in Betriebsräten etc eine kämpferische Rolle spielen bzw. nach einer kämpferischeren Gewerkschaftspolitik suchen, zusammen zu bringen und mit Programm und Strategie auszurüsten
Für Klassenkämpfe die beste Ausgangslage wäre eine baldige wirtschaftliche Erholung und wenn die SPÖ aus der Regierung ausscheiden würde. Beides sind nicht sehr wahrscheinliche Perspektiven. Dennoch wird die Lage alles andere als stabil sein da die anhaltende Krise (bzw. die wiederkehrenden Krisen in den letzten Jahrzehnten) zunehmend das Vertrauen in den Kapitalismus untergraben. Vor diesem Hintergrund sind Entwicklungen innerhalb der Gewerkschaften – Konflikte zwischen Fachgewerkschaften, zwischen Fachgewerkschaft und ÖGB, zwischen führenderen und basis-Mitgliedern – bzw. um und außerhalb der Gewerkschaften von besonderer Bedeutung.
Es gibt niemals die eine besonders kämpferische Schicht in der Arbeiter*innenklasse. Aber es gibt durchaus Teile, die in der einen oder anderen Situation aufgrund besonderer Faktoren eine kämpferischere Rolle einnehmen. Das war für eine Zeit der Sozialbereich (auch wegen einer spezifisch hohen Anzahl von Betriebsrät*innen und Beschäftigten mit einem linken, kämpferischen Backround), dann während und nach Corona die Sektoren der kritischen Infrastruktur, also der Gesundheitsbereich und danach der Handel und zunehmend der Transportsektor. Unsere Kräfte sind noch klein, aber wir versuchen, Kämpfe und die Vernetzung kämpferischer Kolleg*innen zu unterstützen – quer über die Branchen und Fraktionen. Für die kommende Periode erwarten wir neben kommunaler Proteste eine Reihe von Mobilisierungen rund um Kollektivvertragsverhandlungen. In vielen Branchen stoßen Überarbeitung auf Arbeitskräftemangel (Gesundheitswesen, Bildungswesen), was die Ausgangssituation für Kämpfe auch in Krisenzeiten erleichtert.
In der letzten Periode haben wir auch einiges an Rumoren im Bildungsbereich gesehen, in dem die SO mit einigen Mitgliedern versucht Impulse zu setzen. Viele gesellschaftlichen Probleme sind im Bildungsbereich präsent, werden aber von den politisch Verantwortlichen durch immer mehr zusätzliche Aufgaben den Beschäftigten umgehängt. Der Frust ist hier sehr hoch und andererseits die Enttäuschung über die “eigene” Gewerkschaft. In den letzten Jahren sind hier eine Reihe von Initiativen von Eltern bzw. Lehrpersonen entstanden, die Ausdruck dieser aufgestauten Wut sind. Unsere Aufgabe ist es, bei aller Enttäuschung über die GÖD, immer auf die Notwendigkeit gewerkschaftlicher Organisierung hinzuweisen und dass es nicht darum geht, sich ohne die Gewerkschaft zu organisieren, sondern auch, die Gewerkschaft wieder zurück zu gewinnen. Bei Mobilisierungen und in Basisistrukturen ist es gerade im Bildungsbereich auch wichtig, programmatisch die “großen Linien” und Probleme in den Mittelpunkt zu rücken und sich nicht in kleinteiligen Fragen zu verlieren. Unsere Kräfte sind auch hier beschränkt, haben sich aber ein kleines Standing erarbeitet und sind Teil einer wichtigen, kämpferischen Initiative.
In den letzten Jahren ist es der KPÖ gelungen, aus einer Randerscheinung zu einem relevanten Faktor der österreichischen Politik zu werden – lokal und regional stärker als national. Das ist ein beachtlicher Aufstieg für eine Partei, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus fast verschwunden war. Die Wahlerfolge der KPÖ in Graz, Linz, Salzburg, Innsbruck und Wien zeigen das Potential für eine linke Alternative, die aber von der KPÖ/KPÖ+/KPÖ-Links nur teilweise ausgeschöpft wird. Nicht gelungen ist es trotz der teilweise beeindruckenden Erfolge auf der Wahlebene eine Verankerung in der Arbeiter*innenklasse und signifikante Parteistrukturen aufzubauen. Doch beides braucht es für eine neue Arbeiter*innenpartei. Im Prozess des Aufbaus einer solchen neuen Arbeiter*innenpartei kommt der KPÖ (gerade angesichts der Wahlerfolge) eine wichtige Rolle zu. In diesem Formierungsprozess wirken die Wahlerfolge motivierend und stimulierend und sind ein Indiz dafür, was möglich ist. Geichzeitig stellt die KPÖ mit ihrer Ausrichtung aufs “Helfen” statt auf Initiieren von Bewegungen und Kämpfen und in einem oft eher innerlinken Auftreten, Sprache und Prioritäten auch einen verkomplizierenden Faktor dar. Viele, die künftig in Bewegung geraten, sich aktivieren und in Kämpfe eintreten, werden sich auch deswegen nicht an der KPÖ orientieren. Das Verhältnis von stimulierend und verkomplizierend wird stark davon abhängen, ob kommende Bewegungen und v.a. Klassenkämpfe, sich in der KPÖ ausdrücken oder an ihr vorbei gehen.
Der Widerspruch zwischen der objektiv herausfordernden Situation mit multiplen Krisen, aber auch einer jungen Generation, die noch wenig Kämpfe geführt und noch weniger verloren hat und dem Fehlen einer starken sozialistischen Partei ist schmerzhaft. Die zunehmende Kritik “am System” findet daher verschiedenste, v.a. verwirrte Wege. Diese Verwirrung machen sich v.a. rechte und rechtsextreme Kräfte zu nutzen. Aber der Umstand, das auch Rechte mit vermeintlich antikapitalistischer Rhetorik agieren müssen zeigt, wie groß die Skepsis gegenüber dem Kapitalismus ist – und das ist ein wichtiger Ansatzpunkt für linke und sozialistische Kräfte. Das Interesse an Sozialismus, Marxismus, auch Trotzkismus, ist nach wie vor klein, auch wenn es eine Schicht unter v.a. Jugendlichen gibt, die sich aktiv darauf zu bewegen. Der Unterschied zu früher ist aber, das auch bei jenen, die noch nicht nach diesen Ideen suchen die Ablehnung weitgehend fehlt. Trotzdem bürgerliche und rechte Kräfte versuchen, sozialistische und kommunistische Ideen zu diskreditieren, ist die “Kommunismuskeule” beachtlich unwirksam geworden. Auch vor diesem Hintergrund wird es leichter als in der Vergangenheit, marxistische Analysen und Ideen einzubringen und als echte und akzeptable Grundlage für Kämpfe anzubieten. Positiv ist auch, dass der bleierne Deckel der Sozialpartnerschaft Klassenkämpfe längst nicht mehr verhindern kann und auch die Gewerkschaften zunehmend gezwungen sind, aktiv zu werden, was sich u.a. in der Zunahme von Streiks in den letzten Jahren gezeigt hat. Unsere Aufgabe ist es nicht, bei der Analyse der komplizierten Situation stehen zu bleiben, sondern v.a. die Chancen und Möglichkeiten zu sehen und uns darauf zu konzentrieren.
Die Herausforderungen werden in der kommenden Periode groß sein und wir werden (noch) nicht auf alle reagieren können. Aber wir haben den Anspruch, Teil von v.a. jenen Bewegungen und Klassenkämpfen zu sein, die für die Entwicklung von Bewusstsein und den Aufbau einer neuen Arbeiter*innenpartei zentral sein werden. Hier wollen wir unsere Vorschläge für Programm und Kampfstrategien einbringen und unsere Organisation als konsequenteste Kraft einbringen – als Aktivistin, Bündnispartnerin und um Mitglied zu werden.
