Dieser Artikel von Scott Hunter erschien ursprünglich in The Socialist, Zeitung der Socialist Party, CWI England & Wales
Die Lkw-Fahrer im Iran streiken seit dem 22. Mai. Der Streik begann in der südlichen Hafenstadt Bandar Abbas und hat sich seither auf mehr als 150 Städte ausgeweitet. Nach Angaben der Alliance of Iran Truckers and Truck Drivers‘ Unions (AITTD) sind von den rund 433.000 zugelassenen Lkw über 400.000 Fahrzeuge nicht auf der Straße.
Auslöser des Streiks sind die Pläne der Regierung, ein gestaffeltes Preissystem für Kraftstoffe einzuführen, das die Preise im Vergleich zu den derzeitigen staatlichen Subventionen drastisch erhöhen würde. Die Lkw-Fahrer fordern die Beibehaltung der derzeitigen Subventionen, eine Befreiung von Versicherungs- und Mautgebühren, eine Verbesserung der Straßensicherheit und der Infrastruktur sowie gerechtere Tarife für die staatlich regulierte Fracht.
Trotz Berichten über Verhaftungen von Streikenden und den Einsatz von Militärfahrzeugen für den Transport von Gütern scheinen die Trucker stark zu bleiben. Diese nationale Aktion ist gewachsen, obwohl 93 % der Lkw in Iran im Besitz von Selbstständigen sind. Die AITTD selbst ist eine halblegale Organisation, die seit mindestens 2018 aktiv ist und im Gegensatz zur staatlich unterstützten Union of Nationwide Transportation Truckers‘ Cooperatives (UNTTC), die den Streik kritisiert hat, eine zentrale Rolle bei der Organisation übernommen hat. Dies alles zeigt, dass die Beschäftigten, wenn sie genug haben und entschlossen sind zu kämpfen, alle Hindernisse überwinden können.
Eine Reihe von Streiks in den letzten Jahren
Der Streik der Lkw-Fahrer ist der jüngste in einer Reihe von Streiks und Protesten, die in den letzten Jahren im Iran stattgefunden haben, darunter Streiks von Lehrer*innen und Arbeiter*innen in der großen Zuckerraffinerie Haft Tappeh und die Bewegung „Frauen, Leben, Freiheit“ im Jahr 2022. Hinter all diesen Bewegungen steht eine zutiefst reaktionäre und unterdrückerische Theokratie, die versucht, den iranischen Kapitalismus in einer tiefen Krise zu verwalten. Die Inflation im Iran liegt weiterhin bei etwa 40 %. Es ist klar, dass die Bosse darauf bedacht sind, die einfachen iranischen Arbeiter*innen den Preis dafür zahlen zu lassen.
In einer gemeinsamen Erklärung haben über 180 Bürgerrechts- und Studierendenorganisationen im Iran ihre Unterstützung für die Lastwagenfahrer zum Ausdruck gebracht und andere Teile der Gesellschaft – darunter Lehrer*innen, Fabrik- und Dienstleistungsarbeiter*innen, Ladenbesitzer und Studierende – aufgefordert, Koordinierungsräte zu bilden und die Bewegung zu erweitern. Ähnliche Räte wurden bereits während der Bewegung „Frauen, Leben, Freiheit“ eingerichtet, die jedoch nicht in der Lage waren, tiefe Verbindungen zur organisierten Arbeiter*innenklasse herzustellen. Der gegenwärtige Streik bietet eine neue Gelegenheit, nicht nur die Koordinierungsausschüsse wiederzubeleben, sondern auch breite Schichten der Arbeitnehmer*innen einzubeziehen. Ein landesweites Netz von Koordinierungsausschüssen, bei dem die organisierte Arbeiter*innenklasse über die halblegalen Gewerkschaften die Führung übernimmt, wäre für Arbeiter*innen, Bürgerrechtler*innen, Studierende, Ladenbesitzer usw. unerlässlich, um sowohl Streiks und Proteste zu koordinieren als auch ein Programm und einen Forderungskatalog zu diskutieren und demokratisch zu vereinbaren.
Die Theokratie im Iran muss gestürzt werden. Die entscheidende Frage ist: Wie geht es weiter? Der Iran befindet sich seit der Revolution von 1979, bei der die Theokratie die Macht übernahm, in einem Konflikt mit dem westlichen Imperialismus. Aufgrund dieses Konflikts haben sich einige Kapitalist*innen im Westen für die Kämpfe der Arbeiter*innen im Iran ausgesprochen. Selbst der im Exil lebende „Prinz“ Reza Pahlavi hat die Trucker unterstützt und zur internationalen Solidarität anderer Gewerkschaften aufgerufen! Die Arbeitnehmer*innen im Iran und auf internationaler Ebene dürfen sich keine Illusionen über diese kapitalistischen Kräfte machen, die zweifelsohne einen „Farbwechsel“ im Iran anstreben, bei dem die Theokratie durch eine „liberalere“ kapitalistische Regierung ersetzt werden soll. Es gibt keine Aussicht darauf, dass ein kapitalistischer Iran in der Lage sein wird, den Lebensstandard der einfachen Iraner*innen zu verbessern, und eine solche Regierung würde sich schnell gezwungen sehen, iranische Arbeiter*innen anzugreifen.
Die iranische Arbeiter*innenklasse muss ihre politische Unabhängigkeit vor allen so genannten „liberalen“ oder „progressiven“ kapitalistischen Kräften wahren. Es wäre ein großer Schritt nach vorn, die Kämpfe für Industrie- und Bürger*innenrechte in einem nationalen Netzwerk von Koordinierungsausschüssen zusammenzuführen. Damit würde sich sofort die Aufgabe stellen, für den Aufbau einer Arbeiter*innenmassenpartei mit einem sozialistischen Programm zu kämpfen, um nicht nur die Theokratie zu stürzen, sondern auch den am Boden liegenden iranischen Kapitalismus auf den Müllhaufen zu werfen, mit dem Aufbau eines sozialistischen Irans zu beginnen und die Arbeiter*innenklassen des Nahen Ostens und der Welt zur Solidarität aufzurufen. Ein solcher Kampf würde eine explosive Wirkung haben.
Das Komitee für eine Arbeiterinternationale spricht den iranischen Arbeitern seine Solidarität aus und begrüßt Diskussionen mit allen Kräften, die einen sozialistischen Iran und eine sozialistische Welt aufbauen wollen.
