Demokratische Rechte verteidigen braucht Klassenkampf
50.000 demonstrierten Anfang des Jahres in Wien gegen einen drohenden Kanzler Kickl. Auch in Deutschland gab es 2024 in zahlreichen Städten Massendemonstrationen gegen die rechtsextreme AfD mit mehr als 100.000 Teilnehmer*innen. Zu Recht, denn die Rechtspopulist*innen und Rechtsextremen
stehen für Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Sexismus und generell für den Abbau demokratischer Rechte. Trotzdem befinden sich solche Kräfte bei Wahlen im Aufstieg.
Von Gerhard Ziegler, SO Linz
Dieser Artikel erschien in Offensiv Nr. 21
Das kommt nicht von ungefähr. Der kapitalistische Parlamentarismus ist nur formal demokratisch. Wir können bei Wahlen unser Kreuz setzen. Dann handeln die Gewählten bis zur nächsten Wahl nach Partei- und Lobbyinteressen ohne Rechenschaft gegenüber ihren Wähler*innen. Seit 2007/8 führen massive Überkapazitäten zu immer längeren Perioden des Abschwungs, nur durch kurze Aufschwünge unterbrochen. Protektionismus und Strafzölle zum Schutz der eigenen Wirtschaft verschärfen die Krise. Zur Absicherung ihrer Profite drücken Unternehmen Löhne und senken Produktionskosten (u.a. durch Stellenabbau). Sie können sich keine Proteste und Streiks, keine zu teuren Sozialleistungen und schon gar keine Zugeständnisse leisten. Demokratische Rechte werden immer hinderlicher. Während Pierer, Wolf & Co fette Dividenden einstreifen, werden Arbeiter*innen bei KTM, Steyr Automotive usw. entlassen und Betriebe in die Insolvenz geschickt. Als Ergebnis geht die Schere zwischen arm und reich immer weiter auseinander. Das wird als “normal” verkauft und als “Recht” von jenen, denen Aktien und Unternehmen gehören. Nicht nur die Rechten – alle bürgerlichen Parteien (konservativ, liberal, grün bis sozialdemokratisch) machen in der einen oder anderen Form Politik für “die Wirtschaft”, also die kapitalistische Klasse. Das bedeutet Sparprogramme für die Beschäftigten, Kürzungen bei Bildung und Sozialem sowie Aufrüstung. Sie umgehen demokratische Rechte oder beschränken sie, wenn es ihnen nötig erscheint (siehe unten).
Demokratische und soziale Rechte sind also eng miteinander verknüpft. Der Demokratiemonitor für Österreich zeigt klar: Während sich 56 % des oberen Einkommensdrittels im politischen System gut vertreten fühlen, sind es im unteren Drittel bloß 19 % – und 61 % wollen einen Ausbau der Beteiligungsmöglichkeiten. Fast 80% der Jugendlichen vertrauen “der Politik” nicht oder wenig – u.a. auch wegen der Erfahrung, dass ihnen z.B. im undemokratischen System Schule von oben “erklärt” wird und sie wiedergeben müssen, was Demokratie angeblich ist. Ihre Ablehnung von “Demokratie” bedeutet keine Unterstützung eines “starken Mannes” sondern Ablehnung eines Systems, in dem Demokratie kaum wirklich existiert. Doch individueller Protest wie Schimpfen, ungültig, nicht oder Protest wählen (= meist rechts), oder angewiedert ein “kleineres Übel” wählen, bringen keine Änderung zum Positiven. Wir brauchen eine Alternative auf politischer und gewerkschaftlicher Ebene (siehe Seite 4). Auch im Betrieb müssen Gewerkschaften Angriffe wie aufs Streikrecht (in Österreich beim deutschen Autozulieferer ZF) durch konsequente Mobilisierung bekämpfen. Echte Demokratie bedeutet z.B. dass die Beschäftigten, die alles am Laufen halten, entscheiden, wer gehen muss (der/die Chef*in?) und wie/ was produziert wird. Dazu brauchen wir andere Gewerkschaften – kämpferisch und demokratisch organisiert. In die Erstellung von Forderungen müssen die Mitglieder eingebunden werden. Und nur die Streikenden können durch Urabstimmungen einen Streik beenden. Darum rein in die Gewerkschaften, zusammenschließen und gemeinsam für den notwendigen Kurswechsel kämpfen.
Der tägliche Demokratieabbau durch „demokratische“ Regierungen
Macron, liberaler Präsident Frankreichs, regiert seit Jahren mit Dekreten am Parlament vorbei, wo er keine Mehrheit mehr hat. In Deutschland beschloss “die bürgerliche Mitte” Milliardeninvestitionen für Aufrüstung mit einem parlamentarischen Trick: Ohne Verfassungsmehrheit im neu gewählten Bundestag wurde der Beschluss nach der Zusammensetzung im alten Bundestag gefällt. Joe Biden (USA) verbot per Dekret einen Streik der Eisenbahner*innen um bessere Arbeitsbedingungen, indem er sich auf ein von Trump 1 beschlossenes Anti-Streik-Gesetz stützte. In Australien setzte die Labour-Regierung 2024 die Gewerkschaft der Bauarbeiter*innen unter staatliche Aufsicht, um eine kämpferische Streikbewegung abzuwürgen. In vielen Ländern müssen Streikwillige Schlichtungsstellen oder hohe Mindestzustimmungsraten bei Streikabstimmungen passieren, um legal einen Streik ausrufen zu dürfen. Streikende werden oft durch Einsatz von Streikbrecher*innen, Polizeirepression, gerichtlichen Verboten und Verhaftungen oder Entlassungen bekämpft. Auch das Demonstrationsrecht wird zunehmend in Frage gestellt. Begonnen wird u.a. bei Pro-Palästina-Demos, andere werden folgen. U.a. wollte der Linzer Ex-SP-Bürgermeister Luger Demonstrationen in der Innenstadt verbieten, um Geschäftsleute dort vor “Geschäftsstörung” zu schützen. Auch in anderen Städten gab es immer wieder ähnliche “Ideen”.
