Diese Regierung ist angetreten als Versuch der Quadratur des Kreises: Sie will die FPÖ ausbremsen und macht doch genau die Politik, die die FPÖ stark macht. Das zeigt einmal mehr, dass der Versuch, die gegensätzlichen Interessen zwischen Beschäftigten und Unternehmen “sozialpartnerschaftlich” zu lösen, besonders in Zeiten der Krise nach hinten losgeht.

Von Laura Rafetseder, SO Wien

Dieser Artikel erschien in Offensiv Nr. 21

Der Teufel liegt im Detail

Die Krone titelt am 26. März: “Pensionisten sollen 3 Milliarden Euro sparen! So will die Regierung das Budgetloch stopfen”. Bei der Korridorpension sollen 2,9 Milliarden Euro bis 2031 eingespart werden. Als erster Schritt bei Verschlechterungen beim Arbeitslosengeld fällt der geringfügige Zuverdienst.
Die Anhebung des Pensionsalters ist spätestens 2030 wieder am Tisch. Lohnnebenkostensenkung ist erklärtes Ziel der Regierung. Die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge für Pensionist*innen soll jährlich 320 Millionen Euro bringen. Die Ministerien sollen 15% einsparen. Das “Investitionsprogramm” ist mickrig, die Mittel fürs AMS nur kurzfristig. Vorgesehen sind außerdem eine Teilarbeitsfähigkeit (= krank arbeiten), Aufweichungen beim Berufsschutz (erzwungener Wechsel in schlechter bezahlte Jobs) und Verschlechterungen bei Arbeitsrecht und Schutz für Beschäftigte. Babler brüstet sich mit positiven Maßnahmen im Bereich der Mieten, aber gleichzeitig wird die Möglichkeit, überhöhte Mieten zurück zu fordern, von 30 Jahren auf 5 Jahre verkürzt. Diese und viele andere Maßnahmen wurden von den ÖGB-Spitzen abgesegnet und werden von Babler, dem Ökonomen Marterbauer (AK) und Sozialministerin Schumann (ÖGB) umgesetzt werden. Dieses Paket wurde von den Gewerkschaftsspitzen mit der Begründung akzeptiert, dass das nötig war, um die FPÖ und Schlimmeres zu verhindern. SPÖ Minister*innen weinen Krokodilstränen, dass viele Kürzungen leider schon nach Brüssel gemeldet wurden und darum nicht zu ändern seien.

Das Problem FPÖ ist höchstens aufgeschoben, denn genau diese Politik spielt der FPÖ in die Hände. Es ist ein Skandal, wenn die ÖGB-Führung wieder einmal darauf verzichtet, die Interessen der Mitglieder zu vertreten und die Kürzungen abnickt. Die FPÖ kann sich umso leichter als einzige Opposition aufspielen, wenn die Gewerkschaft die Beschäftigten nicht vertritt und angebliche “Linke” z.B. bei Pensionen kürzen. Notwendig wäre stattdessen ein konsequenter Kampf gegen jede Verschlechterung, gegen Personalabbau und Betriebsschließung. Mit Betriebsversammlungen, Streiks und Mobilisierungen durch die Gewerkschaften können sowohl das kleinere Übel (z.B. die Verschlechterungen bei der Korridorpension), als auch das “Schlimmere” (z.B. die Anhebung des gesetzlichen Pensionsalters) verhindert werden. Das stoppt die FPÖ und hilft beim Aufbau einer echten Alternative.

Eine ÖGB-SPÖ-Scheidung ist dringend nötig

Als die SPÖ noch eine Arbeiter*innenpartei mit bürgerlicher Führung war, bestimmte die Stimmung von Arbeiter*innen über die Gewerkschaft den Kurs der SPÖ mit. Heute nutzt die SPÖ ihren Einfluss auf die ÖGBFührung, um die Gewerkschaften ruhig zu halten. Viele Betriebsrätinnen und Aktivistinnen haben mit der SPÖ nichts mehr am Hut. Wer ehrliche Gewerkschaftspolitik machen will, muss das immer öfter gegen die Politik der SPÖ tun. Durch das OK der ÖGB-Spitze zu den Regierungspläne werden auch die
Lohnverhandlungen schwerer. Die Beschäftigten haben weniger Vertrauen in die Gewerkschaft, die Unternehmen aber treten aggressiver auf. Auch in den Lohnrunden ist die ÖGB-Führung mit kapitalistischen Sachzwängen konfrontiert. Gefordert werden u.a. Lohnabschlüsse unter der Inflation und Nulllohnrunden. Die Verhandlungen werden härter, aber auch der Druck von unten steigt. Es wird
Mobilisierungen geben, teilweise an der Gewerkschaft vorbei, teilweise als Reaktion auf den steigenden Druck. Eben weil die SPÖ keine Arbeiter*innenpartei ist, muss die Gewerkschaft unabhängig von der SPÖ werden. Mandate auf SPÖ-Listen nutzen den Beschäftigten nichts! Für die kommenden Kämpfe braucht es nicht nur kämpferische Gewerkschaften, sondern auch eine politische Vertretung. Daher müssen Gewerkschafter*innen sich aktiv am Aufbau einer neuen Arbeiter*innenpartei beteiligen. Einer Partei, die den Kapitalismus nicht verwaltet und seine Spielregeln akzeptiert, sondern damit
bricht.