2015 trat der deutsche Bundespräsident Köhler zurück. Er hatte den Kriegseinsatz in Afghanistan in Zusammenhang mit deutschen Wirtschaftsinteressen gestellt – das war zu ehrlich.

Ende März erklärte Trump “Wir brauchen Grönland – Wir haben keine andere Wahl.“ Es geht um die militärische Kontrolle der Arktis und ihrer Rohstoffe, die Rohstoffe von Grönland und seine strategische Position.

Von Sonja Grusch, SO Wien

Schon 1916 hat Lenin in “Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus” die enge Verbindung von Wirtschaft und Politik analysiert und dass Kriege eine nötige Folge des Wettbewerbsprinzips des Kapitalismus sind.

Propaganda Kriegsgefahr

Aktuell wird gezielt das Gefühl wachsender Bedrohung erzeugt. ”Expert*innen” erläutern, dass Rüstungsausgaben hochgefahren werden “müssen”. Der deutsche grüne Spitzenpolitiker Habeck forderte sogar 3,5% des BIP. Um sich die Dimension vorstellen zu können: Das deutsche Budget belief sich 2024 auf 477 Milliarden Euro – Habecks 3,5% des BIPs entsprechen 155 Milliarden. Der Rüstungsmarkt ist groß und einflussreich. Es geht um Abermilliarden, die von Bildung, Gesundheit und Sozialem zur Aufrüstung verschoben werden. 2024 stiegen die weltweiten Militärausgaben real um 7,4% gegenüber 2023. Auch die EU formuliert eine neue Aufrüstungsstrategie und dafür soll die Schuldenregel aufgeweicht werden.

Während bei Sozialausgaben so getan wird, als ob es ein Naturgesetz gäbe, das Kürzungen erzwingt, werden für Aufrüstung alle Geldhähne aufgedreht. Die dadurch entstehenden Schulden “müssen” dann aber wieder woanders (Soziales?!) reingebracht werden. Es ist eine enorme Umverteilung, die hier stattfindet. Kein Wunder, wenn die Aktien der Rüstungsfirmen zu den aktuell Lukrativsten gehören… Dazu kommt eine Militarisierung der ganzen Gesellschaft.

Selbst die Modeindustrie setzt vermehrt auf Camouflage-Muster. (Wieder)-Einführung oder Verlängerung des Wehrdienstes steht in vielen Staaten auf der Tagesordnung. Dass russische Deserteure im Westen de facto kein Asyl bekommen zeigt, dass die Erhaltung des Durchgriffsrechts der Staaten über ihre Bevölkerung weit wichtiger ist, als das Ende des Ukrainekrieges.

Die neue neue Weltordnung

Krieg ist nichts anderes, als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln. Die Frage ist nicht, ob Trump, Putin & Co verrückt oder Testosteron getriebene Machos sind. Es geht vielmehr darum, was die ökonomischen Grundlagen der aktuellen Situation sind. Der Hintergrund der Aufrüstung, die lange vor dem Ukrainekrieg begonnen hat, ist die anhaltend schlechte wirtschaftliche Lage. Trump ist der radikalste Vertreter des Endes einer Periode von Freihandel. Seit längerem setzen zumindest Teile des Kapitals auf zunehmenden Protektionismus. Eben weil der wirtschaftliche Kuchen stagniert oder kleiner wird – die Weltwirtschaft also spätestens seit 2007 von Krise zu Krise schlingert – ist jede Regierung angehalten, die Interessen “ihres” Kapitals noch entschiedener zu vertreten. Dazu gehört der Schutz der eigenen Märkte und Handelswege z.B. mit Zöllen, die Suche nach Nischen und Vorteilen

gegenüber anderen Firmen und das Erobern neuer, günstigerer Rohstoffquellen und neuer Absatzmärkte. Wo diese Eroberung nicht friedlich oder mit Druck bis hin zur Erpressung geht, liebäugeln Regierungen zunehmend mit der „Notwendigkeit“ von Militäreinsätzen. Es ist kein Zufall, dass der wirtschaftlich für Österreich so wichtige Balkan auch militärisches Zielgebiet Nr. 1 ist.

Aufschwung durch Aufrüstung?

Manche versuchen die Aufrüstung auch als großes Investitionspaket zu verkaufen, das helfen könnte, die wirtschaftliche Flaute zu überwinden. Aber Kriegsgeräte sind keine normalen Konsumgüter, sie werden nur im Kriegsfall in großem Umfang verbraucht. Ihr Einsatz schafft keine Werte, sondern zerstört nur. Die geschaffenen Jobs sind überschaubar. Aktuell arbeiten in Österreich etwa 2.000 Menschen in diesem Bereich. Wenn diese Branchen z.B. auf erneuerbare Energieproduktion umgerüstet würden, könnten die Jobs erhalten, aber gleichzeitig Sinnvolleres produziert werden. Der Hauptdenkfehler liegt allerdings darin, dass damit die generelle Perspektive auf die Wirtschaft verändert werden könnte. Seit Jahrzehnten sind die wirtschaftlichen Perspektiven schwach und das führt zu einer niedrigen Investitionsquote. Firmen investieren wenig, weil sie nicht sehen, wer die Produkte kaufen könnte. Daran haben auch die super-niedrigen Zinsen nach der Krise von 2007 nichts geändert, die Investitionen blieben am Boden. Aufrüstung ändert daran nichts, sondern verschiebt nur die Investition von einem Bereich in einen anderen, gewinnversprechenderen. Vielmehr geht es darum, dass v.a. die Kriegsindustrie in den europäischen Ländern hofft, mit massiven staatlichen Geldspritzen neue (Kriegs-) Technologien zu entwickeln und so die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Feld wieder zu erhöhen.

Kapitalismus bedeutet Krieg

Die aktuelle Propaganda folgt dem “Gleichgewicht des Schreckens” – also bei der Aufrüstung nachzuziehen. Das verhindert aber keine Kriege. Die Waffen werden gegen schwächere Staaten eingesetzt und – wenn aus Sicht der Herrschenden nötig – gegen die eigene Bevölkerung. Hoffnungen auf die EU als Friedensinstrument sind ebenso vergeblich wie Appelle an eine “starke UNO”. EU und UNO sind der verlängerte Arm imperialistischer Interessen – zahlreiche Staaten der neokolonialen Welt können davon ein blutiges Lied singen. Liebknecht hatte es 1915 auf den Punkt gebracht: “Der Hauptfeind steht im eigenen Land”.  

Proteste gegen die Aufrüstung fehlen aktuell weitgehend. In den 1980er Jahren, aber z.B. auch nach dem Angriff der USA auf den Irak etc. gab es große Proteste. Heutige Kriegstreiber*innen u.a. von den Grünen und Aufrüster*innen aus der SPÖ waren damals zentral aktiv in den Protesten. Ihre Entwicklung spiegelt die damaligen Schwächen wider. Die Friedensbewegung war ein Zusammenkommen verschiedener politischer Zugänge rund um den kleinsten gemeinsamen Nenner. Der beschränkte sich auf das Ziel: Kein Krieg, keine Aufrüstung. Was aber fehlte, war eine tiefere Erklärung der Ursachen von Kriegen und der Verantwortung bürgerlicher Staaten, aber auch internationaler Institutionen wie der UNO für diese Kriege.

Und es fehlte eine sozialistische Alternative. Schon damals pochten viele Linke in Österreich auf die „Neutralität“, anstatt aufzuzeigen, dass der Kapitalismus v.a. in Krisenzeiten den Wettkampf auch militärisch vorantreiben muss. Man hoffte, durch die Größe der Bewegung die politisch Verantwortlichen von ihrem Kurs abzubringen und verzichtete auf ein Programm, das die Bedeutung der Arbeiter*innenbewegung in einer solchen Bewegung nach vorne stellte. So war die Bewegung zwar groß, blieb aber letztlich an der Oberfläche und konnte bestenfalls vorübergehende Erfolge erzielen.

Unsere Sicherheit ist bedroht

Die heutige Schwäche der Linken und das bisherige Fehlen von linken Protesten gegen die Aufrüstung ist Ausdruck der inhaltlichen Schwäche und ermöglicht es rechten verschwörungs-mystischen Gruppen, die Stimmung gegen den Krieg für sich zu nutzen. Ein 3. Weltkrieg oder auch eine Invasion Russlands in Europa sind aktuell keine realistischen Perspektiven. Dennoch ist die Gefahr bewaffneter Konflikte, regional bzw. auch z.B. als Stellvertreterkriege für die großen imperialistischen Mächte in Asien oder Afrika, gestiegen.

Die wirkliche Bedrohung unserer Sicherheit aber sind die Mängel im Gesundheitssystem, die uns monatelang auf wichtige Untersuchungen oder Behandlungen warten lassen. Und die hohen Mieten und niedrigen Löhne, die dazu führen, dass Frauen bei gewalttätigen Partnern bleiben. Aufrüstung, Kriegsgefahr und Krisenhaftigkeit des Kapitalismus sind die unheilige Dreifaltigkeit. Das eine kann nicht ohne das andere bekämpft werden. Die aktuelle Aufrüstungsunterstützung erinnert an die Kriegshysterie 1914 – und diese ist rasch verflogen. Wir werden Proteste gegen die Kürzungen sehen, gegen den Abbau demokratischer Rechte, auch gegen die Aufrüstung. Es wird nötig sein, das zu verbinden und ein Kampfprogramm zu entwickeln. Die erfolgreichste Anti-Kriegsbewegung war die Oktoberrevolution 1917, die für die russische Arbeiter*innenklasse den 1. Weltkrieg beendet hat. Die Bedeutung der Arbeiter*innenbewegung und der Gewerkschaft im Kampf gegen Aufrüstung und Krieg und gegen das System, das beides braucht, kann gar nicht überschätzt werden!

Infokasten: Milliarden für die Rüstung

Die Regierung plant “Informationskampagnen” u.a. an Schulen und in Medien. Die Stimmung für Aufrüstung muss wegen der extrem hohen geplanten Ausgaben gesichert werden. Die Argumentation: Angesichts der Weltlage und der “feindlichen Einflüsse” müsse die “Wehrhaftigkeit” verbessert werden. Die massiven Aufrüstungspläne von schwarz-grün werden von der neuen Regierung weitergeführt: bis 2032 sollen 17 Milliarden zusätzlich (!) für Aufrüstung verwendet werden.

Zum Vergleich: Das Budget sah 2024 für das Bundesheer vier Milliarden vor, Tendenz steigend. Die 17 Milliarden bedeuten eine Erhöhung dieses Budgets von de facto rund 50% pro Jahr – was könnte im Bildungs- und Sozialbereich mit + 50% an echter (sozialer) Sicherheit geschaffen werden! Die 17 Milliarden sind mehr als das Einsparungsziel von 2025 und 2026 zusammen! Bis 2032 soll auch das Nato-Ziel von 2% des BIPs für Wehrausgaben erreicht werden (mehr als eine Verdoppelung in sieben Jahren!).

Dieser Artikel erschein im Vorwärts Nr. 21. Weiterlesen zu „Mythos Neutralität“