Weil Wien keine Insel ist, droht hier einiges an Kürzungen – Widerstand ist nötig!

Die Wien-Wahl ist geschlagen und das Ergebnis entspricht in etwa den Erwartungen. Die niedrige Wahlbeteiligung drückt wohl zweierlei aus: dass die Wahl aufgrund des absehbaren Resultats nicht polarisiert war und dass es keine Liste gab, die so begeistert hat, dass sie einen Zug zur Wahlurne ausgelöst hätte. Das Ergebnis der FPÖ drückt die Schwäche der Partei in den Städten aus, KPÖ-Links haben einen Achtungserfolg erreicht, aber den Einzug in den Gemeinderat verpasst. Angesichts der prekären wirtschaftlichen Lage und der maroden Infrastruktur in Wien wird die kommende Stadtregierung den Rotstift ansetzen – Widerstand dagegen wird notwendig sein!

Die SPÖ hat an Stimmen und Prozentpunkten verloren und übertraf nur um 0,2 Prozentpunkte ihr schlechtestes Ergebnis nach 1945, blieb aber deutlich stärkste Partei. Das liegt wohl weniger an einer Begeisterung über Wien und den Bürgermeister als im Wunsch nach Stabilität und der Erfahrung, dass die Politik der anderen etablierten Parteien die Lage nicht verbessern und sogar noch verschlechtern könnte. Die SPÖ wird ihren Koalitionspartner danach auswählen, von wem der geringste Widerstand gegen eine Fortführung der bisherigen Politik zu erwarten ist und wer am ehesten bereit ist, sich an einem künftig zu befürchtenden Kürzungsprogramm zu beteiligen.

Die ÖVP musste einen massiven Verlust hinnehmen, ist nur mehr auf dem fünften Platz und fiel auf Bezirksebene in einigen Bezirken sogar hinter KPÖ-Links zurück. Das Korruptionsverfahren gegen den Spitzenkandidaten hat sicher nicht geholfen, aber der Hauptgrund ist, dass die ÖVP ihren Platz als “Stadtpartei” an Grüne und Neos verloren hat und der FPÖ trotz rassistischer Versuche keine Anti-Migrations-Wähler*innen abnehmen konnte. 

Die Grünen konnten ihr Ergebnis im Wesentlichen halten und verfügungen nun über 4 Bezirksvorsteher*innen und 9 Stellvertreter*innen. Angesichts der Kürzungen, für die die Grünen im Bund mitverantwortlichen waren zeigt das entweder eine hohe Leidensfähigkeit der Grün-Wähler*innen oder – wahrscheinlicher – dass diese weniger “links” sind als ihnen oft angedichtet wird und sie wirtschaftsliberalen Gedanken gegenüber sehr offen sind.

Die Neos jubeln über 10% und Platz 4. Wie bei allen anderen Parteien hat sich gezeigt, das die Wähler*innen primär Inhalten und nicht Spitzenkandidat*innen ihre Stimme gegeben haben. Dass sie als Regierungspartei nicht abgestraft wurden, ist eher darauf zurückzuführen, dass ihre “Handschrift” kaum wahrnehmbar ist.

Die FPÖ hat zwar mit einer fast Verdreifachung die stärkste Steigerung eingefahren – allerdings ausgehend vom sehr niedrigen Nach-Ibiza-Wert und sie liegt weit hinter dem Rekordergebnis von 30,8% im Jahr 2015. Am meisten Stimmen holte sie sich von der ÖVP (was einmal mehr zeigt, dass Wähler*innen den Schmied wählen und nicht den Schmiedl und die Rechtsentwicklung der ÖVP ihr keine Stimmen bringt aber das gesamtgesellschaftliche Klima nach rechts verschiebt). Prozentuell holte sie sich am meisten von ehemaligen HC-Wähler*innen, für die wohl klar war, dass das Projekt tot ist. Im Gegensatz zu früheren Wahlen konnte die FPÖ relativ wenig aus dem Pool der Nicht-Wähler*innen gewinnen, was zeigt, wie groß das Potential für eine echte Alternative ist. Aber auch von der SPÖ konnte die FPÖ direkt Stimmen gewinnen – was darauf zurückzuführen sein könnte, dass die FPÖ weit stärker (in ihrer Propaganda, nicht in ihrer Praxis) auf die soziale Ebene gesetzt hat. Die FPÖ konnte in keinem Bezirk die Bezirksvorstehung erringen (aber in 7 Bezirken die Stellvertretung).

Das Wahlbündnis zwischen KPÖ und Links konnte sich mit 4,06% verdoppeln und ist nun in allen Wiener Bezirken im Bezirksrat vertreten. Das ist ein Erfolg und kann ein wichtiges Sprungbrett für wienweite und über Wien hinaus wirkende, kantige Kampagnenarbeit sein. 

Was kommt und was ist nötig

Auch wenn Wien regelmäßig als “lebenswerteste Stadt” gewählt wird, kann das nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Probleme immer größer werden. Wer mit Öffis unterwegs ist, leidet regelmäßig unter den Ausfällen bei den U-Bahnen. Die Wiener Stadtregierung hat – brav dem “Markt” folgend – Mieten und Gebühren erhöht und die Kosten für den Ausbau von z.B. dem Stromnetzausbau und -erhalt den Nutzer*innen umgehängt und gleichzeitig Profite gemacht. Wo Wien Bundeskürzungen abgefedert hat, so geschah das um den Preis einer steigenden Verschuldung. Dass Wien immer noch “anders” und in vielen Bereichen besser ist als andere Millionenstädte liegt nicht an der aktuellen Stadtregierung sondern daran, dass lange vorher ein vergleichsweise hoher Standard auch durch den Druck von unten aufgebaut wurde und es schlicht länger dauert, von einem höheren Level aus unten zu landen. Doch weil die Wiener Stadtregierung gar nicht so “anders” ist, werden die Folgen der internationalen Wirtschaftskrise durch Kürzungen und Leistungsstreichungen unten abgefangen, um gleichzeitig Mittel für “Wirtschaftsförderung” frei zu bekommen. Wien hat hohe Schulden und Finanzstadtrat Peter Hanke hat – logischerweise vor der Wahl ohne viel Aufsehen und ohne Details – bis 2030 ein ausgeglichenes Budget (also dass die Ausgaben nicht höher sind als die Einnahmen) angekündigt. In der kapitalistischen Logik geht das wohl nicht ohne Angriffe auf Sozialleistungen, Wohnbeihilfe etc zu fahren. Die künftige Stadtregierung wird den Personalmangel in z.B. Kindergärten und Spitälern nicht offensiv durch zahlreiche Mehreinstellungen bekämpfen, sondern den Druck auf die Beschäftigten erhöhen bzw. Leistungen senken. Sie wird bei Gebühren und Mieten schmerzhafte Erhöhungen vornehmen.

Darauf gilt es, sich vorzubereiten. Auch um zu verhindern, dass die FPÖ davon profitiert, ist der Aufbau einer echten politischen Alternative nötig, einer neuen Arbeiter*innenpartei mit sozialistischem Programm und kämpferischer Politik – MIT und nicht FÜR Arbeiter*innen und Jugendliche aller Geschlechter und Nationalitäten. Hier kommt insbesondere der KPÖ aber auch den Aktivist*innen von Links eine große Verantwortung zu. 

In diesem Wahlkampf haben KPÖ und Links, zwischen denen es durchaus Unterschiede in politischer Ausrichtung, Taktik und Strategie gibt, ein Zweckbündnis geschlossen. Die Unterschiede haben zu einer Mischung geführt, für die v.a. für Menschen aus der Linken “für jedeN etwas” dabei war. Längerfristig ist das aber zu wenig.  

Da nun in allen Bezirken Vertreter*innen der KPÖ bzw. von Links in der Bezirksvertretung sind, gibt das eine gute Ausgangslage, um sich als kämpferische wienweite Opposition aufzustellen. Die Gefahr ist, dass die einzelnen Mandatar*innen sich zu sehr in kleinteilige Grätzel- und Bezirkspolitik hineinziehen lassen und den Blick auf die “großen” Themen dabei verlieren. Die Strategie “vor Ort helfen” hat ein starkes sozialarbeiterisches Element, das aber wenig erfolgreich dabei ist, eine politische Kraft aufzubauen, die Themen wie Teuerung, Arbeitslosigkeit und Diskreminierung aufzugreifen. KPÖ und Links hat die Chance zu zeigen, dass man sich auch im Bezirk nicht auf “Bezirksthemen” beschränken muss sondern dass auch “große” Fragen wie die Besteuerung von Profiten und Superreichen, die Übernahme defizitärer Betriebe durch die Öffentliche Hand und gleiche Rechte für alle die hier Leben offensiv und kämpferisch aufgegriffen werden können. Sie können mehr als Propagandaforderungen sein und können angesichts von drohenden Betriebsschließungen und Stellenabbau sehr konkret werden und zu Forderungen in realen Kämpfen werden. KPÖ und Links dürfen sich nicht auf 23 Bezirksteams konzentrieren. Eine ernsthafte linke Kraft muss versuchen, die Dynamik zum Aufbau einer starken wienweiten Struktur zu nutzen, die sich in den diversen existierenden Kämpfen und Protesten verankert. Der KV-Abschluss für die Wiener Gemeindebediensteten für 2025 und ‘26 bleibt weit hinter den Notwendigkeiten zurück. Dasselbe gilt für die Personalpolitik im öffentlichen Dienst von den Öffis, über die Pflege bis hin zur Bildung. KPÖ und Links müssen weit über die Bezirksratsmandate hinaus sichtbar und fühlbar werden. 

Der Aufstieg der FPÖ konnte dieses Mal noch in Grenzen gehalten werden, doch mit Fortschreiten der Wirtschaftskrise und einer zunehmend rassistischen Politik der etablierten Parteien ist das nur eine Atempause. Die bei weitem größte Gruppe war auch bei dieser Wahl wieder jene der Nichtwähler*innen. Dazu kommen noch Hunderttausende, die nicht wählen dürfen. Eine enormes Potential für eine neue Partei, die die Interessen der “normalen” Menschen, von Arbeiter*innen und Jugendlichen, egal welchen Geschlechts, egal welcher Nationalität, aufgreift und Kämpfe gemeinsam mit den Betroffenen organisiert. Eine Partei, die Themen wie Klima oder Anti-Diskriminierung mit einem Programm aufgreift, das an der Lebensrealität und den Sorgen von breiteren Schichten (wie z.B. Jobs, Lebenserhaltungskosten etc) ansetzt, um nicht als Bobo-Organisation rüber zu kommen, die nur “woke” Themen behandelt. Eine Partei, die kompromisslos antikapitalistisch ist und sich keinen Sachzwängen beugt oder den engen Bezirksrahmen akzeptiert.

Weder KPÖ und noch weniger Links sind aktuell der Beginn einer neuen Arbeiter*innenpartei, aber mit dem richtigen Programm und den richtigen Methoden könnten sie ein Element bzw. ein Schritt auf diesem Weg sein. Eine solche neue Arbeiter*innenpartei ist unerlässlich im Kampf gegen die extreme Rechte. Als Instrument in der direkten Auseinandersetzung aber auch, um Menschen, die die FPÖ als vermeintliche “soziale Heimatpartei” sehen, eine echte Alternative zu bieten. Auch wenn Wähler*innenstrom- und Wahlmotivsanalysen immer mit Vorsicht zu genießen sind, so ist es KPÖ/Links nicht wirklich gelungen, jene anzusprechen, die die FPÖ aufgrund ihrer sozialen Rhetorik als Alternative wahrnehmen. Doch das muss eine neue Arbeiter*innenpartei schaffen und dafür muss “die Linke” aus ihrer “Blase” herauszukommen. Die nächsten fünf Jahre werden eine Herausforderung und bieten eine Chance für den Aufbau einer echten, sozialistischen Alternative. Die Sozialistische Offensive unterstützt jeden Schritt in diese Richtung.