Dieser Artikel von Dave Nellist erschien am 15. März 2025 in „The Socialist“, Wochenzeitung der
Socialist Party (CWI England & Wales):
Keir Starmer, der britische Premierminister, offenbart täglich, wie sehr er entschlossen ist, im
Interesse der kapitalistischen Bosse zu regieren. Seine Partei, die Labour Party, wurde vor 125 Jahren
von den Gewerkschaften gegründet, wird aber heute vollständig von der pro-kapitalistischen
Führung von ihm und anderen dominiert.
Alle demokratischen Kanäle, die die Arbeiter*innenklasse hatte, um über die Gewerkschaften und die Parteistrukturen Druck auf die Führung auszuüben, wurden beseitigt. Obwohl die Labour- Konferenz 2022 den Antrag der „Communication Workers Union“ zur Wiederverstaatlichung von Royal Mail unterstützte, stimmte Starmer’s Labour im Dezember 2024 dem Verkauf des Unternehmens an einen tschechischen Milliardär zu. „Unite the Union“ überzeugte die Labour- Konferenz 2024, die Beibehaltung der „Winter Fuel Allowance“ für Rentner*innen zu unterstützen – die Labour-Führung hat sich geweigert, dies zu tun und bereitet weitere Sozialkürzungen vor.
Gegründet von Gewerkschaften
Die Labour Party wurde von der Gewerkschafts- und Arbeiter*innenbewegung gegründet, um eine Kraft aufzubauen, die die Interessen der arbeitenden Menschen gegenüber der Kapitalistenklasse und ihren politischen Parteien vertritt. Vor 125 Jahren, am 27. Februar 1900, kamen 129 Delegierte, die 570.000 Mitglieder in 41 Gewerkschaften und sieben Berufsverbänden vertraten, in der Memorial Hall in London zusammen, um das „Labour Representation Committee“ zu gründen, aus dem später die Labour Party hervorging. An der Sitzung nahmen auch Vertreter von drei sozialistischen Organisationen teil: die „Independent Labour Party“ mit 13.000 Mitgliedern, die „Social Democratic Federation“ mit 9.000 Mitgliedern und die „Fabian Society“ mit 861 Mitgliedern. Die Gründung im Jahr 1900 war nur ein Meilenstein im Kampf der Arbeiter*innenklasse um eine politische Stimme, die unabhängig von den etablierten liberalen und Tory-Parteien ist.
Dreizehn Jahre zuvor war die Frage, wie die Vorherrschaft der Parteien, die die Arbeitgeber und den
Landadel vertraten, im Parlament angefochten werden konnte, auf dem Trades Union Congress
(TUC) von 1887 aufgeworfen worden, als James Keir Hardie, damals ein junger Delegierter der
schottischen Bergarbeiter, die Gründung einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei vorschlug. Er stieß auf den erbitterten Widerstand der den Liberalen nahestehenden Delegierten, die argumentierten, ein solcher Schritt würde die „fortschrittlichen Stimmen“ spalten und den Tories zu Gute kommen. Dieses Argument des „geringeren Übels“ hallt bis heute nach. Die vorangegangenen Jahre, 1873 bis 1896, waren von einem wirtschaftlichen Abschwung geprägt, der als Große Depression bekannt wurde (bevor die 1930er Jahre diesen Begriff neu definierten). Sie zeigte die Grenzen der damals bestehenden Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Arbeitgebern auf. Friedrich Engels schrieb 1885, dass die englische Arbeiter*innenklasse mit dem Niedergang des britischen Industriemonopols ihre privilegierte Stellung verlieren würde, und sagte voraus, dass dies zu einer Wiederbelebung der sozialistischen Politik führen würde. Großbritannien sah sich in Schlüsselindustrien wie der Textil- und Eisenindustrie einer zunehmenden Konkurrenz aus Deutschland und Amerika gegenüber, während billigere Agrarimporte aus
Nordamerika und Australien die Agrarpreise in den Keller drückten.
Streikwelle
In den Jahren 1888-92 kam es zu einer spektakulären Streikwelle von bis dahin unorganisierten,
ungelernten und angelernten Arbeiter*innen. Der „New Unionism“ entwickelte sich zu einer militanteren, integrativen Gewerkschaftsbewegung, die direkte Aktionen in den Vordergrund stellte. Gasarbeiter*innen unter der Führung von Will Thorne errangen 1889 einen Sieg und gründeten die
„National Union of Gas Workers and General Labourers“ (aus der die heutige GMB hervorging). Ben
Tillett führte später im selben Jahr den Londoner Hafenstreik an. Durch beide Auseinandersetzungen
wurden zuvor nicht organisierte Arbeiter*innen unter sozialistischer Führung in die Bewegung aufgenommen. Die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder verdoppelte sich von 900.000 im Jahr 1889 auf zwei Millionen im Jahr 1890, und landesweit wurden 60 neue Gewerkschaftsräte gegründet. Die „Eight-Hour League“ wurde 1884 gegründet, um für die Einführung eines Achtstundentags in allen Branchen zu kämpfen. Ihr erster Sekretär war Tom Mann, der später Vorsitzender der Gewerkschaften des Maschinenbaus und des Verkehrssektors wurde. Doch während die Gasarbeiter*innen in London den Achtstundentag durchsetzten, wurden andere Streiks für kürzere Arbeitszeiten niedergeschlagen, was die Notwendigkeit einer politischen Lösung unterstrich.
Hardies Antrag auf einen gesetzlichen Achtstundentag wurde auf dem TUC-Kongress 1889 knapp
abgelehnt, aber 1890 angenommen. Streiks und politische Kämpfe führten zur Gründung verschiedener unabhängiger Gewerkschaftsorganisationen, die bei lokalen und nationalen Wahlen Kandidat*innen aufstellten und die Dominanz der etablierten Parteien in Frage stellten. Die Erfahrungen der Arbeiterinnen förderten das Verständnis für die Notwendigkeit der politischen Unabhängigkeit der Arbeiterinnen, nicht zuletzt durch die Aktionen der Arbeitgeber, die Mitglieder der Liberalen Partei waren. In den Manningham Mills in Bradford setzten die liberalen Arbeitgeber kurz vor Weihnachten 1890 eine Lohnkürzung um 33 % durch. Die überwiegend nicht organisierten Arbeiter*innen streikten daraufhin fast sechs Monate lang. Die Arbeiter*innen wurden ausgehungert und der Streik wurde niedergeschlagen, aber die Arbeiter*innen gründeten daraufhin die „Bradford Labour Union“.
Bei den Parlamentswahlen 1892 kandidierte der Hafenarbeiter*innenführer Tillett für die „Bradford Labour Union“ und wurde mit 30,2 % Dritter, nur 600 Stimmen hinter dem siegreichen Kandidaten der Liberalen, einem örtlichen Mühlenbesitzer! Bei dieser Wahl traten neun unabhängige Arbeiter*innenkandidaten an, von denen drei gewählt wurden: Hardie in West Ham South, der Seemannsführer Havelock Wilson in Middlesbrough und John Burns in Battersea – aber alle diese Kandidaten wurden von verschiedenen Organisationen aufgestellt.
Im Januar 1893 wurde die „Independent Labour Party“ (ILP) gegründet, in der die „Bradford Labour
Union“, Hardies schottische „Labour Party“, Gewerkschaften und sozialistische Organisationen
vertreten waren. Hardie wurde zum Vorsitzenden gewählt.
Aus dem Kampf geboren
Die Plattform war zwar nicht ausdrücklich sozialistisch, beinhaltete aber kollektives Eigentum an
Produktion, Verteilung und Austausch. Engels zufolge war jedoch nicht entscheidend, ob sie den
Sozialismus im Namen trug, sondern dass sie aus dem Klassenkampf hervorgegangen und ein
politisches Produkt der Gewerkschaftsbewegung war.
Der TUC lehnte 1891 Hardies Vorschlag einer Penny-Abgabe für jedes Gewerkschaftsmitglied zur
Finanzierung von Arbeiter*innenkandidaten ab. Er wurde mit 200 zu 93 Stimmen abgelehnt. Ein Jahr später wurde er dann doch angenommen. Die Kongresse von 1893 und 1894 verabschiedeten Entschließungen, in denen die Gewerkschaften aufgefordert wurden, nur Kandidat*innen zu unterstützen, die sich zum „kollektiven Eigentum an Produktion, Verteilung und Austausch“ bekennen.
Zunehmende Offensiven der Arbeitgeber*innen und Gerichtsurteile, die die Rechte der Gewerkschaften Ende der 1890er Jahre einschränkten, führten 1899 zum Antrag des TUC auf eine Sonderkonferenz zur politischen Vertretung der Arbeitnehmer*innen. Befürworter des Antrags waren die „Amalgamated Society of Railway Servants“, die heutige RMT, und die „National Union of Dock Labourers“, die heutige „Unite“. Auf dieser Konferenz wurde im Februar 1900 das „Labour Representation Committee“ (LRC) gegründet, das eine Koalition aus Gewerkschaften, sozialistischen Gesellschaften und Genossenschaften vereinigte. Obwohl die Führung des LRC anfangs von reformistischen Personen dominiert wurde, die sich noch nicht vollständig von der kapitalistischen Liberalen Partei gelöst hatten, war seine Gründung dennoch ein bedeutender Schritt in Richtung einer klassenbewussten Arbeiter*innenpartei.
Die Rolle der Sozialist*innen Die Idee einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei war seit Jahrzehnten von sozialistischen Denker*innen und Aktivist*innen vertreten worden. Engels hatte 1881 argumentiert, die
Arbeiter*innen müssten aufhören, der „Anhang“ der liberalen Partei zu sein, und „Männer ihrer eigenen Ordnung“ wählen. Er erklärte, die Arbeiter*innenklasse müsse sich darauf vorbereiten, die
wirtschaftliche und politische Macht in einer demokratisch geführten Gesellschaft zu übernehmen.
Die Gründung einer unabhängigen Arbeiter*innenpartei wäre ein entscheidender Schritt in dieser Vorbereitung, der es den Arbeiter*innen ermöglichen würde, ihre kollektive Macht zu nutzen, um
ihre Interessen durchzusetzen.
Aus der LRC wurde 1906 die „Labour Party“, der man allerdings erst 1918 als Einzelmitglied beitreten
konnte – in den ersten 18 Jahren bis dahin war sie eine Koalition aus Gewerkschaften und
sozialistischen Gesellschaften. Diese Koalition war breit gefächert und umfasste Sozialistinnen, Marxistinnen und Reformist*innen, wie etwa die Mitglieder der „Fabian Society“. Sie wurde jedoch zu einer Arena, in der politische Argumente für den Sozialismus und die verschiedenen Politiken und Taktiken zu seiner Verwirklichung erörtert werden konnten.
Bei der ersten Wahl im Oktober 1900 unterstützte das LRC 15 Arbeiter*innenkandidaten, von denen vier Generalsekretäre von Gewerkschaften waren. Nur Keir Hardie in Merthyr Tydfil und Richard Bell (Generalsekretär der Eisenbahnarbeiter*innen) in Derby wurden gewählt.
Ein Wendepunkt im Kampf um eine unabhängige Vertretung der Arbeiter*innenklasse trat ein, als die Taff Vale Railway Company im folgenden Jahr die Eisenbahnergewerkschaft wegen angeblicher Verluste und Schäden während eines Streiks erfolgreich verklagte. Das House of Lords, damals das höchste Gericht, entschied, dass die Gewerkschaften für finanzielle Verluste und Schäden, die durch Streiks verursacht wurden, haftbar sind. Die Gewerkschaft wurde zur Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 23.000 Pfund plus Kosten verurteilt. Diese Entscheidung machte es für die Gewerkschaften nahezu unmöglich, zu streiken, ohne in den finanziellen Ruin zu geraten. Das Urteil gab den Gewerkschaften Auftrieb und führte zu einer verstärkten Unterstützung der LRC, die als einziges geeignetes Mittel angesehen wurde, um eine parlamentarische Vertretung zu erreichen und die Rechte der Arbeiter*innen zu verteidigen.
Auf der LRC-Konferenz von 1903 waren 65 Gewerkschaften angeschlossen; 1904 war diese Zahl auf
127 angestiegen. Die Zahl der ursprünglich sieben angeschlossenen Gewerkschaftsräte stieg auf 76.
Bei den Parlamentswahlen von 1906 wurde die Tory-Mehrheit von 74 Sitzen in eine liberal-
labouristische Mehrheit von 271 Sitzen umgewandelt, wobei 29 Labour-Abgeordnete neben 24
anderen Gewerkschaftskandidaten als Liberale gewählt wurden.
Dieser parlamentarische Block von 29 unabhängigen Arbeiter*innenabgeordneten erzwang bedeutende liberale Reformen, darunter den „Trade Disputes Act“, der das „Taff-Vale“-Urteil aufhob und den Gewerkschaften Immunität von Gerichtsverfahren bei Arbeitskonflikten gewährte. Weitere Reformen betrafen die Altersrenten, die Kranken- und Arbeitslosenversicherung sowie die kostenlose Schulspeisung. Der wachsende Einfluss der Labour Party zeigte das Potenzial einer unabhängigen politischen Vertretung der Arbeiter*innenklasse – und obwohl die Reformen nicht so weit gingen, wie
Gewerkschaften und Sozialist*innen es sich gewünscht hätten, waren sie dennoch von Bedeutung.
Der besorgte Führer der Liberalen, David Lloyd George, begründete seine Zustimmung zu den
Sozialreformen damit, dass er einen „wahren Schrei“ nach einer neuen Partei verhindern wollte.
Lehren für heute
Der Prozess der Gründung der Labour Party bietet entscheidende Lehren für die heutigen Kämpfe um
soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Gewerkschaftliche Siege sind zwar möglich, aber in einem
kapitalistischen System möglicherweise nur sektoral und zweifellos vorübergehend. Ein politischer
Wandel ist notwendig, um allgemeine Errungenschaften wie Arbeitszeiten, Gesundheit und
Sicherheit oder soziale Reformen wie Renten, Gesundheits- und Bildungsdienste zu konsolidieren.
Diese Konsolidierung erfordert eine unabhängige politische Stimme für die Arbeiter*innenklasse, die von den kapitalistischen Parteien unabhängig ist. Wirtschaftliche Abschwünge und politische Kämpfe können als Katalysatoren für Radikalisierung und die Entwicklung von Klassenbewusstsein wirken. Die Weltwirtschaftskrise und das Taff-Vale-Urteil waren beides Schlüsselmomente in der Entwicklung der Labour Party und haben gezeigt, dass Krisen den Widerstand der Arbeiter*innenklasse beflügeln können.
Die derzeitige Wirtschaftskrise und der Rechtsruck der Labour Party unter Keir Starmer schaffen die
Voraussetzungen für einen erneuten Vorstoß zu einer unabhängigen politischen Vertretung der
Arbeiter*innenklasse. Wie im späten 19. Jahrhundert wird der Prozess wahrscheinlich komplex und uneinheitlich sein. Das Fehlen einer Alternative für die Arbeiter*innenklasse hinterlässt ein
politisches Vakuum, das rechte Kräfte wie „Reform UK“ (entspricht in Ö in etwa der FPÖ –
Anmerkung des Übersetzers) zu füllen versuchen werden.
Auch hier steht die Arbeiter*innenklasse vor der historischen Aufgabe, ihre eigene Alternative aufzubauen, unabhängig von den etablierten Parteien. Und während sich aus den aktuellen Krisen Massenkämpfe ergeben werden, die die Bedingungen für das Entstehen einer solchen Partei schaffen, ist die Rolle der organisierten Sozialist*innen von entscheidender Bedeutung: Sie müssen
dabei helfen, den Prozess zu beschleunigen, und für ein Programm zur sozialistischen Umgestaltung
der Gesellschaft kämpfen.
Chartismus und der Kampf für das Männerwahlrecht
Das späte 19. Jahrhundert war in Großbritannien von erheblichen sozialen und politischen
Umwälzungen geprägt. Die industrielle Revolution, die Mitte des 18. Jahrhunderts begann, hatte eine
große Arbeiter*innenklasse hervorgebracht, die keinen politischen Einfluss im Parlament hatte. Die vorherrschenden parlamentarischen Parteien – Konservative und Liberale – vertraten unterschiedliche Segmente der herrschenden Klasse. Die Tories sprachen für die Interessen der Grundbesitzer*innen, die Liberalen für die aufstrebende Kapitalist*innenklasse. Die Spaltung manifestiert sich in ihrer Politik. Die Tories unterstützten den Protektionismus, insbesondere zugunsten der Grundbesitzer*innen und der Landwirtschaft; die Liberalen befürworteten den Freihandel zum Nutzen der Industriekapitalist*innen. Die Tories widersetzten sich einer Wahlrechtsreform, da der von ihnen vertretene Landadel und die Aristokratie von dem bestehenden System profitierten. Die Liberalen hingegen befürworteten die Ausweitung des Wahlrechts auf mehr Männer – allerdings in erster Linie als Strategie, um eine Revolution von unten zu verhindern. Im 19. Jahrhundert war die Chartistenbewegung führend im Kampf um das Wahlrecht, obwohl ihre Ziele über das Wahlrecht hinausgingen. Sie wollten politische Vertreter*innen, die für den 10-Stunden-Tag, für Gewerkschaftsrechte und gegen das verhasste „Armengesetz“ (das Bedürftige in Arbeitshäuser zwang, die die Chartisten als „Armengefängnisse“ bezeichneten) kämpfen.
Die „People’s Charter“ von 1838 enthielt sechs zentrale Forderungen: das Wahlrecht für alle Männer
über 21 Jahre, gleich große Wahlkreise, geheime Abstimmungen, jährliche Parlamentswahlen, die
Abschaffung der Eigentumsvoraussetzungen für Abgeordnete und die Bezahlung der Abgeordneten,
um die Vertretung der Arbeiter*innenklasse zu ermöglichen.
Diese Forderungen fanden in der Bevölkerung große Unterstützung. In den Jahren 1839 und 1842
wurden dem Parlament Petitionen mit Millionen von Unterschriften vorgelegt. Ihren Höhepunkt
erreichte die Bewegung jedoch mit der dritten Petition im Jahr 1848, als gerade revolutionäre Bewegungen über Europa hinwegfegten und Marx und Engels das Kommunistische Manifest
veröffentlichten. Marxist*innen sehen die Bedingungen, die solche sozialen Bewegungen hervorbringen, als in objektiven, insbesondere wirtschaftlichen Bedingungen verwurzelt. Ihr Erfolg oder Misserfolg hängt jedoch in hohem Maße von subjektiven Bedingungen ab – von der Qualität der Führung, der Stärke der Organisationen und der Klarheit der Ideen, die sie leiten. Das Kommunistische Manifest versuchte, diese Probleme anzugehen. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts schwand die weltweite Vorherrschaft des britischen Kapitalismus. In seiner Blütezeit ermöglichten die hohen Gewinne Zugeständnisse bei Löhnen und Arbeitszeiten, um den Arbeitsfrieden zu wahren. Eine Schicht von privilegierten Gewerkschaftsführer*innen, insbesondere unter den Facharbeiter*innen, profitierte mehr von der Verteidigung des Status quo als von dessen Infragestellung. Viele Gewerkschaftsfunktionär*innen waren Mitglieder der Liberalen Partei und förderten eine frühe Version der „Sozialpartnerschaftspolitik“ – der irreführenden Vorstellung, dass Kapital und Arbeit grundlegende gemeinsame Interessen hätten.
Trotz des Niedergangs der Chartisten ließen die Forderungen nach dem Wahlrecht nicht nach.
Zehntausende beteiligten sich in den 1860er Jahren an Demonstrationen für das Wahlrecht, was die
Tory-Regierung unter Disraeli im Reformgesetz von 1867 zu Zugeständnissen zwang, indem sie das
Wahlrecht auf männliche Arbeiter*innen ausdehnte, die in den Städten Eigentum besaßen oder mieteten – aus Angst vor einer wachsenden Stimmung, die an die Revolutionen 20 Jahre zuvor erinnern könnte. Damit verdoppelte sich zwar die Zahl der Wahlberechtigten, aber Frauen, Landarbeiter*innen und viele andere waren weiterhin vom Wahlrecht ausgeschlossen.
Dave Nellist war von 1983 bis 1992 Labour-Abgeordneter für Coventry South East und von 1998 bis
2012 Ratsmitglied der Sozialistischen Partei in Coventry. Heute ist er der Vorsitzende der „Trade
Unionist and Socialist Coalition“ (TUSC).
