Die wahren Verlierer*innen der Wahl sind wir!

Die Nationalratswahl ist vorbei und Platz 1 für die FPÖ ist keine große Überraschung. Trotzdem haben viele gehofft, dass es doch anders kommen könnte.

Von Albert Kropf, SO Wien

Dieser Artikel erschien zuerst in der aktuellen Ausgabe von Offensiv (Nr. 17)

Dabei ist es falsch, das Ergebnis einfach als “Rechtsruck” zu bezeichnen, viel eher ist es eine Fortführung der Polarisierung und Ausdruck der zunehmenden Ablehnung des Establishments, von „denen da oben” etc. Im Gegensatz zu früher hat die FPÖ in den letzten Jahren eine Stammwähler*innenschaft aufgebaut bei der die Ablehnung des Establishments ein zentrales Wahlmotiv ist. Sie ist Protest nicht auf der Straße, im Betrieb oder im persönlichen Umfeld, sondern in der Wahlzelle. Letztlich zeigt das Wahlergebnis, wenn auch in verzerrter Form, die Suche nach Alternativen.

Was jetzt? FPÖ draußen halten oder in die Regierung?

Der Wunsch nach der Wahl, die FPÖ “draußen zu halten”, ist eine verständliche Reaktion. Die angebotene “Lösung” für dieses Ziel ist wie schon so oft eine „Koalition der Vernunft“ zwischen ÖVP, SPÖ und Neos/Grüne. Die beinhaltet aber die Wunschliste von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Forderungen der EU. Genau damit stärken sie aber nur wieder die FPÖ. Aus gutem Grund hatte Babler Rotschwarz vor der Wahl ausgeschlossen. Die andere „Lösung“, die FPÖ in die Regierung zu lassen und zu hoffen, dass es sie wieder zerreißt, ist auch gefährlich. Dafür gibt es keine Garantie und selbst wenn sie wieder an diversen Skandalen zerbricht, hätte sie bis dahin eine Reihe von Verschlechterungen durchgedrückt. Und die Erfahrung zeigt: Trotz vieler Versprechen von SPÖ und Grüne haben sie bis auf ein paar Alibi-Aktionen kaum Verschlechterungen aus den vergangenen FPÖ-Regierungen zurückgenommen, wenn sie am Ruder waren. Ganz im Gegenteil, der Sozialabbau, für den ALLE Parteien in verschiedenen Kombinationen verantwortlich sind, hat viele heutige Probleme angeheizt.

Warum haben Babler und KPÖ+ nicht gezogen?

Der Kapitalismus steckt tief in einer Krise und schafft auf allen Ebenen laufend Probleme. Offenbar wurde Babler und der KPÖ nicht geglaubt, dass sie diese tatsächlich lösen können. Babler war kein wirklicher Bruch in der SPÖ, er hat ihren Charakter als bürgerliche Partei nicht in Frage gestellt. Der Versuch, einen Kompromiss zwischen seinem Kurs und dem verkrusteten Parteiapparat zu schaffen, war von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Die KPÖ hat zwar ihre Stimmen im Vergleich zu 2019 fast vervierfacht, landete aber deutlich unter den Erwartungen. In ihren Hochburgen, wo bei Regionalwahlen Erfolge eingefahren wurden wie in Graz, Salzburg oder Innsbruck, lag sie bei den Nationalrats-Wahlen weit dahinter. Auch die KPÖ erhielt den meisten Zulauf von ehemaligen Grünwähler*innen. Beide haben v.a. in einem kleinbürgerlichen Milieu gepunktet und weniger unter Arbeiter*innen oder Arbeitslosen. Dazu kommt die Orientierung auf die Wahlebene und die Illusion, dass Veränderung über das Parlament erreicht wird.

Protestparteien oder letztlich doch Systemparteien?

Anstatt Teil von Bewegungen für höhere Löhne, für Arbeitszeitverkürzung, gegen Rassismus und Sexismus zu sein, haben sie auf Sozialarbeit und Stellvertretungspolitik gesetzt. Die Beschränkung der KPÖ auf das Thema Wohnen im Wahlkampf ist die Fortsetzung der Sozialarbeit-Methode und letztlich Ausdruck einer fehlenden Alternative zum Kapitalismus und seiner Logik. Auch die KPÖ war bemüht, sich “respektabel” zu präsentieren, nicht zu radikal. Babler und KPÖ haben sich damit letztlich an der Form von Politik orientiert, die bürgerliche “Expert*innen” propagieren und beide haben damit einen Schritt in Richtung etablierte Normalität gemacht und das Feld für eine Anti-Establishment-Politik der FPÖ überlassen.

Der Umkehrschluss “radikales Programm und Auftreten bringt den Einzug ins Parlament”, wäre genauso falsch. Es ist gut möglich, dass mit einem offensiveren Programm für die Arbeiter*innenklasse und einer deutlichen Orientierung auf Bewegung und Organisierung statt aufs Parlament das reine Stimmenergebnis niedriger gewesen wäre. Aber ein solcher Wahlkampf wäre die Grundlage für den Aufbau einer echten Aktivist*innenbasis gewesen. In weiten Teilen ist der Schritt vom Wählen zum Organisieren noch nicht gemacht worden – das hätte ein Anstoß sein können. So hätte dann eine kämpferische Kampagne für die aufgestellten Forderungen und gegen die Angriffe der künftigen Regierung geführt werden können. Und damit hätte ein entscheidender Fortschritt im Aufbau einer echten kämpferischen Partei für Arbeiter*innen und Jugendlichen gemacht werden können.