Von Anna Hörmann, SO Wien

3,5 Prozent Gehaltserhöhung für den öffentlichen Dienst und 3,3 Prozent für den Handel. Das bezeichnen die Führungen von GÖD und GPA als “faire” Abschlüsse. Dabei liegen beide Lohnerhöhungen unter der rollierenden Inflation von 3,8 Prozent. Somit bedeuten  diese beiden Verhandlungen einen Reallohnverlust. Das gilt auch für jene Abschlüsse in anderen Branchen die “besser” abgeschlossen haben (bei ca. 4% wie z.B. der Sozialbereich). Denn die Erhöhungen der letzten Jahre lagen unter der tatsächlichen Inflation – und die Gewerkschaftsführung hatte versprochen, dass wir uns diese Verluste im Nachhinein zurückholen würden. Dass die Erhöhung im Metallsektor zumindest höher als in den anderen Branchen lag, lag daran, dass letztes Jahr gestreikt wurde und die Metallindustrie nach wie vor die kampfstärkste Branche ist. 

Hierbei muss berücksichtigt werden, dass die 3,8 Prozent eine niedrige Schätzung sind, da hierbei der Mini – oder  Mikrowarenkorb nicht berücksichtigt wird. Hierbei werden die durchschnittlichen wöchentlichen bzw. täglichen Ausgaben berechnet. Beide bilden eher die Ausgaben von Menschen mit einem niedrigen Einkommen ab. Die 3,8 Prozent hingegen beziehen sich eher auf die Ausgaben höherer Einkommensgruppen. 

Nicht nur die niedrigen Abschlüsse zeigen den geringen Willen zur Mobilisierung der Gewerkschaftsspitzen auf. Die GÖD – Führung hat die angekündigte Protestkundgebung für einen “fairen Gehaltsabschluss” drei Stunden vor Beginn abgesagt. Im Zuge dessen wurden sogar die von der Gewerkschaft organisierten Busse aus den Bundesländern wieder zurückgeschickt. Warum wurde der Protest für einen Abschluss unter der Inflation so kurzfristig abgesagt?  (Mehr dazu findet ihr in unserer Stellungnahme zum Abschluss im Öffentlichen Dienst: https://sozialistischeoffensive.net/2024/11/29/abschluss-offentlicher-dienst-und-absage-der-geplanten-demonstration-zeigen-wir-mussen-die-gewerkschaften-als-kampforganisationen-zuruckholen/)

Beim Handel hat die GPA-Führung den schlechten Abschluss damit begründet, dass die Kundgebungen in Linz und Wien Ende November zu schwach besucht waren und aus ihrer Sicht nicht genügend Kampfbereitschaft da gewesen wäre. Aber die Demonstrationen/Kundgebungen fanden während der Arbeitszeit statt, die Kolleg*innen hätten sich freinehmen müssen um teilzunehmen. Wenn diese Kundgebungen öffentliche Betriebsversammlungen gewesen wären und als Arbeitszeit gegolten hätten, wäre die Mobilisierung wesentlich besser gewesen. Und: viele Kolleg*innen sind dann bereit zu kämpfen, wenn das Risiko sich aus ihrer Sicht auszahlt – also die Lohnforderung hoch genug ist und es ein echtes demokratisches Mitspracherecht über Verhandlungsergebnisse gibt. Das Argument “Es ist keine Kampfbereitschaft da” ist also eine Self-Fullfulling-Prophecy. In Branchen die von der Krise betroffen sind, ist es nötig, die Angst der Kolleg*innen vor Arbeitsplatzverlust aufzugreifen – und klar zu machen, dass der Kampf für höhere Löhne mit dem Kampf um jeden Arbeitsplatz und einem Programm gegen die kapitalistische Krise verbunden sein muss. (Mehr dazu findet ihr hier: https://sozialistischeoffensive.net/2024/11/07/krise-regierungsbildung-lohnrunden-kampfe-vorbereiten-alternative-aufbauen/ und hier: https://sozialistischeoffensive.net/2024/11/07/pleitewelle-arbeitsplatze-und-lohne-verteidigen-statt-krise-verwalten/)   

Mittlerweile sind auch die 2-Jahresabschlüsse aus Deutschland zu uns herüber geschwappt. In den vergangenen Jahren hatten diese in Österreich zu einem großen Teil noch abgewendet werden können. Die Geschäftsführung argumentiert aber nun u.a., dass zweijährige Abschlüsse in Zeiten sich vertiefender Krise vorteilhaft seien. Die zwei Jahresabschlüsse bedeuten aber einerseits, dass die gesamtgesellschaftliche Kampfkraft geschwächt wird – der Handel hatte in den letzten beiden Jahren sowohl den Bahnstreik als auch den Metallerstreik im Rücken. Das ist mit ein Grund für den schwächeren Abschluss dieses Jahr. Gerade schwächere Branchen profitieren von der Unterstützung von stärkeren Branchen. Daher sollte es bei den Lohnrunden auch gemeinsame branchenübergreifende Kampfmaßnahmen geben. 2022 und 2023 hat sich diese geballte Kraft deutlich gezeigt – auch wenn die Gewerkschaftsführung diese Kämpfe getrennt gehalten hat. Der andere Aspekt ist, dass ein 2-Jahresabschluss die Dynamik aus Kämpfen nimmt. Wenn jedes Jahr neu verhandelt wird, müsste idealerweise jedes Jahr neu mobilisiert werden. Das ist aus Sicht der Gewerkschaftsführung vielleicht lästig, aber es stärkt die Kampfkraft auf lange Sicht. 

Das Agieren der Gewerkschaftsführungen zeigt, dass diese viel zu eng mit den etablierten bzw. zukünftigen Regierungsparteien verbunden sind, die Logik des Kapitalismus akzeptieren (“Es ist kein Geld da”)  und faule Kompromisse im Namen der Sozialpartnerschaft nicht funktionieren. Schließlich sitzt die Unternehmensseite am längeren Ast.  Daher braucht es einen höheren Druck von der Gewerkschaftsbasis für die Durchführung echter, branchenübergreifender Streiks. Außerdem müssen die einfachen Mitglieder mittels Urabstimmungen mitentscheiden dürfen, ob Lohnabschlüsse hoch genug sind oder nicht. 

Wie können wir diesen Druck aufbauen? Indem sich kampfbereite Kolleg*innen in Basis-Initiativen organisieren, um Druck auf die Führung aufzubauen und das wenige, was es an demokratischen Strukturen in den Gewerkschaften gibt, nutzen. Gewerkschaften müssen (Arbeits-)Kampforganisationen sein und nicht Stütze der Kapitalist*innen.