Oberösterreichische Autozulieferbetriebe wollen Beschäftigte für Krise zahlen lassen: TCG Unitech plant Änderungskündigungen – STIWA schnürt Sparpaket – gewerkschaftliche Gegenmaßnahmen dringend notwendig

Von Gerhard Ziegler, SO Linz

Das Management der TCG Unitech in Kirchdorf, das leichte Bauteile aus Aluminium, Magnesium und Kunststoff für die Autoindustrie fertigt, hat angekündigt, die diesjährige kollektivvertraglich vereinbarte Lohnerhöhung von 4,8 % nicht bezahlen zu wollen. Die Erhöhung soll mittels Einzelvereinbarungen bzw. Änderungskündigungen verhindert werden. Dazu wurden inzwischen 882 der 960 Beschäftigten beim Frühwarnsystem des Arbeitsmarktservice angemeldet. Nach Einhaltung der Sperrfrist könnten damit ab 9. Dezember die ersten Mitarbeiter*innen gekündigt und auf niedrigerer Entgeltbasis wieder neu eingestellt werden.

Auch STIWA in Attnang-Puchheim, das unter anderem als Autozulieferer tätig ist, plant Einsparungen bei den Beschäftigten. Der Großteil der Belegschaft soll 2025 gestaffelt für zwei Monate gekündigt und dann wieder eingestellt werden. Außerdem soll die Arbeitszeit bei entsprechender Lohnkürzung für alle Beschäftigten auf 80 % gekürzt werden. Die dritte Sparmaßnahme ist ein „freiwilliger“ Lohnverzicht. Die Produktion soll unverändert weiterlaufen.

Hintergrund für die Angriffe ist die Krise in der europäischen Autoindustrie. Infolge der Entwicklung der Weltwirtschaft in Richtung Rezession stockt die Nachfrage verstärkt seit Corona. Staatliche Maßnahmen wie Zuschüsse zur technologischen Entwicklung von Elektroautos oder Verkaufsprämien konnten nicht verhindern, dass gerade in Europa massive Überkapazitäten aufgebaut wurden. Die europäische Autoindustrie kam in der Entwicklung gegenüber der chinesischen, aber auch der US-amerikanischen Konkurrenz zu spät, verliert technologisch an Boden und produziert teurer. Der Einsatz von Schutzzöllen greift zu kurz. Es sind die inneren Widersprüche des Kapitalismus, die immer wieder zu Krisen führen – und die Beschäftigten sollen einmal mehr die Kosten tragen. 

Vor allem in Deutschland ist die Krise stark spürbar. 2023 waren dort die Produktionsanlagen der drei größten Autobauer VW, BMW und Daimler nur zu etwa zwei Drittel ausgelastet. Statt der möglichen 6,2 Millionen Autos wurden nur 4,1 Millionen produziert. Trotzdem stehen tausende Autos – betroffen sind sowohl elektrobetriebene als auch benzinbetriebene – auf Halde. Das erste Halbjahr 2024 brachte nochmals einen Umsatzrückgang um 9 %. 

Die österreichische Autozulieferindustrie ist stark von der deutschen Autoindustrie abhängig. Darauf weist u.a. das Industriemagazin Ende August 2023 hin: “Die österreichische Automobilzulieferindustrie ist ein Eckpfeiler der globalen Automobilwirtschaft. Sie ist ein bedeutender Wirtschaftsfaktor mit einem jährlichen Produktionswert von über 20 Milliarden Euro und einem Exportanteil von rund 70 Prozent. Prominente Beispiele für international geschätzte österreichische Automobilzulieferer sind Unternehmen wie Miba, Magna Steyr oder AVL List. In Österreich gibt es 900 Unternehmen mit rund 81.000 Beschäftigten, die direkt von der deutschen Autoindustrie abhängig sind.” 

Kein Wunder, dass jetzt die Krise in der deutschen Autoindustrie auf die österreichische Autozulieferindustrie durchschlägt. Auch hier gehen die Umsätze massiv zurück. Vor diesem Hintergrund sind die jetzt beginnenden Sparmaßnahmen in den Betrieben zu Lasten der Beschäftigten keine Überraschung. Die Unternehmen suchen bestmögliche Voraussetzungen für den globalen Konkurrenzkampf. Die Angriffe des Kapitals sind also keine „Aussetzer“, die Schuld „böser Menschen“ in den Konzernzentralen oder Folge falscher Politik. Sie sind vielmehr erst der Anfang und wir werden weitere ähnlich geartete harte Angriffe auf uns Arbeitende erleben. (Mehr zur Krise in der deutschen Autoindustrie und unserer Antwort findet ihr hier: https://sozialistischeoffensive.net/2024/10/21/krise-in-der-deutschen-autoindustrie-arbeitsplatze-retten-und-klimawandel-stoppen/

Welche Antwort?

Unsere Gewerkschaftsführungen sind auf diese Situation nicht wirklich vorbereitet. Sie setzen wie in der Vergangenheit auf Verhandlungen mit dem Management, dem “Sozialpartner”. Dabei akzeptieren sie grundsätzlich deren Sparlogik. Vielsagend sind hier die Aussagen von Roswitha Grammer, der Betriebsratsvorsitzenden bei Unitech: „Das Vorhaben ist ein Schlag ins Gesicht für die 960 Kollegen und ein unfassbarer Tiefpunkt für die betriebliche Sozialpartnerschaft.“ Sie verweist darauf, dass bisher sämtliche Einsparungsvorgaben wie Schließtage oder Umstrukturierungen von der Belegschaft immer mitgetragen wurden. Genutzt hat ihnen das aber nichts! 

Gerade in der Metallindustrie sehen wir, dass uns die falsche Orientierung der Gewerkschaftsbürokratie auf “Sozialpartnerschaft” mit den Unternehmer*innen immer wieder auf den Kopf fällt. So wurde etwa vor Jahren akzeptiert, den Kollektivvertrag (KV) in der Metallindustrie, der für die gesamte Branche gegolten hatte, in fünf KV’s der fünf Fachbereiche in der Metallindustrie aufzusplitten. Dadurch wurde die Kampfkraft einer größeren Einheit geschwächt (noch verhandeln die fünf Fachbereiche seitdem parallel und aufeinander abgestimmt – doch wie lange noch?). Beim KV-Abschluss 2023 stimmten die gewerkschaftlichen Verhandler*innen trotz hoher Streikbereitschaft der Beschäftigten einer Öffnungsklausel zu, um den “sozialen Frieden” zu wahren. 2023 machte ca. ⅓ der Unternehmen von der in der Klausel gewährten Möglichkeit Gebrauch, die IST-Lohnerhöhung von 10 % auf bis zu 7 % zu reduzieren. 2024 waren es bereits 50 % der Unternehmen, die von dieser Klausel zur Lohnkürzung Gebrauch machten.  

Diese falsche Vorgangsweise der Gewerkschaftsführung, die die Sparlogik der Unternehmer*innen grundsätzlich anerkennt, führt jedoch in die Sackgasse, schwächt die Kampfkraft bei Arbeitskämpfen und nährt Begierden nach weiteren Lohnkürzungen wie jetzt bei TCG Unitech oder STIWA. 

Tatsächlich sind Lohnverzicht und das Abwälzen betrieblicher Probleme auf die Schultern der Beschäftigten keine Gewähr zum Schutz von Arbeitsplätzen. Stattdessen kommt es zu einer Abwärtsspirale von Löhnen und Arbeitsbedingungen. Das ist die Folge der Akzeptanz der Konkurrenz der Arbeiter*innen in den jeweiligen Standorten (ob auf nationaler oder internationaler Ebene) als Folge der Konkurrenz der einzelnen Unternehmen im Weltmarkt, also des Kapitalismus.

Die einzige Möglichkeit, aus dieser Negativspirale auszubrechen, ist die Fixierung auf einen fiktiven Sozial”partner“ aufzugeben und einen konsequenten Arbeitskampf zu führen. Wollen wir solche Angriffe wie bei Unitech oder STIWA verhindern, müssen wir so rasch wie möglich Protest und Gegenwehr organisieren. Betriebsrat und Gewerkschaft müssen um jeden Arbeitsplatz kämpfen und dürfen keinerlei Lohnraub – was die Sparmaßnahmen zweifellos darstellen – akzeptieren. Der erste Schritt wären Betriebsversammlungen, auf denen die Belegschaften auf Kampfmaßnahmen eingestimmt werden. Eine Eskalationsstrategie wäre beispielsweise ein eintägiger Warnstreik mit der Forderung, die geplanten bzw. begonnenen Maßnahmen sofort zurückzuziehen (bei Unitech wurden offenbar schon die ersten Einzelvereinbarungen mit Lohnkürzungen unterschrieben). Wenn das Management nicht bereit ist zurückzuziehen, wäre die nächste notwendige Eskalationsstufe ein unbefristeter Streik bis zum Einlenken des Gegners. 

Die zentralen Forderungen müssten die Anerkennung der kollektivvertraglich vereinbarten Lohnerhöhung und der Verzicht auf Kündigungen sein. Eine weitere wichtige Forderung an das Management ist die Offenlegung der Geschäftsbücher. Dadurch kann nachvollzogen werden, wohin die Gelder aus den Millionengewinnen der Vergangenheit gegangen sind. Und wenn tatsächlich Umsatzrückgänge zu weniger Produktion führen, muss die vorhandene Arbeit auf alle aufgeteilt werden – Reduktion der Arbeitszeit auf 80 % (also 31 Stundenwoche) ist ein guter Ansatz, darf aber nur ohne Lohnverzicht akzeptiert werden. Droht die Schließung, müssen die Unternehmen von der öffentlichen Hand übernommen werden, demokratisch geplant, kontrolliert und verwaltet von den Beschäftigten und der Vertretung der Arbeiter*innen. (Mehr dazu: https://sozialistischeoffensive.net/2024/11/07/pleitewelle-arbeitsplatze-und-lohne-verteidigen-statt-krise-verwalten/

Ein solcher Arbeitskampf sollte auf die gesamte Branche – und auch auf andere Branchen, wo es ähnliche Angriffe gibt – ausgeweitet werden. Damit könnten die Gewerkschaften von vornherein eine viel größere Dynamik entwickeln, denn solche und ähnliche Angriffe sind angesichts der weltweiten Krise der Volkswirtschaften auch in anderen Unternehmen zu erwarten. Außerdem entstünde durch eine Ausweitung des Kampfes eine höhere Wucht und Stärke, wodurch das Kräfteverhältnis leichter zu Gunsten der Beschäftigten verschoben werden könnte. 

Doch solange das krisenbehaftete Wirtschaftssystem existiert, der Kapitalismus, der auf planloser Konkurrenz der Unternehmen und dem Drang nach Profit basiert, werden die erfolgreichsten Kämpfe um unsere Löhne, Arbeitsplätze und Arbeitsbedingungen immer wieder von neuen Angriffen des Managements in Frage gestellt. Erst mit einem anderen Wirtschafts- und Gesellschaftssystem, in dem die Bedürfnisse der Arbeitenden im Mittelpunkt stehen – wir nennen das Sozialismus –  können diese Kämpfe dauerhaft gewonnen werden.