von Sonja Grusch, Mittelschullehrerin und SO-Mitglied
Für 26. November hatten die Gewerkschaften der öffentlich Bediensteten – die GÖD für den Bund und die Younion für Land und Gemeinden – zur Großdemonstration aufgerufen. Doch knapp vor Beginn der Demonstration wurde diese abgeblasen, die Busse aus den Bundesländern drehten um. Die Gewerkschaftspitzen behaupten, ein fairer Abschluss hätte die Demonstration unnötig und illegal gemacht. Eine Behauptung, die unwahr auf so vielen Ebenen ist!
Ein wirklich schlechter Abschluss
Der Abschluss von 3,5% für 2025 und für 2026 die Inflation + 0,3% bedeutet für die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst in der Realität einen Reallohnverlust. Es gibt verschiedene Inflationsberechnungen – hier wird eine herangezogen, die für die meisten viel zu niedrig angesetzt ist. So werden z.B. die Ausgaben für Mieten mit weniger als 6% berücksichtigt – weit ab von jeder Realität für die über 700.000 Beschäftigten im Öffentlichen Dienst. Doch für die Beschäftigten in Kindergärten und Schulen, in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen, bei Feuerwehr und Müllabfuhr, in Ämtern und Behörden und den vielen anderen Bereichen des Öffentlichen Dienstes ging es nicht nur ums Geld, sondern auch um die Arbeitsbedingungen. Die dramatische Überlastung bzw. der Personalmangel waren für die Gewerkschaftsspitzen allerdings nicht wirklich Thema.
Dass die Demonstration abgesagt wurde und das die Information darüber zuerst an die Kronenzeitung und erst danach an die Gewerkschaftsmitglieder ging, zeigt einmal mehr, wo sich die Gewerkschaftsspitze selbst verortet – nämlich nicht auf Seiten der Beschäftigten. Dazu kommt, dass die Gewerkschaftsführung akzeptiert hat, dass die Rezession mit 0,6 Prozentpunkten “zu berücksichtigen” ist. Das bedeutet, dass sie eine entsprechend niedrigere Erhöhung akzeptieren und damit zulassen, dass die Beschäftigten einmal mehr für die kapitalistische Krise zahlen müssen. Lohnkürzungen als Reaktion auf die Rezession sind ein Drohszenario auch für andere Branchen. Eine solche Sichtweise kann nur eine “Gewerkschaft” haben, die sich als staatstragend versteht und nicht als Vertretung ihrer Mitglieder und für die eine Umverteilung von oben nach unten keine Option ist
Einmal mehr zeigt sich, dass “Sozialpartnerschaft” nicht im Interesse der Beschäftigten ist!
Die GÖD ist von der FCG dominiert, der ÖVP-Gewerkschaftsfraktion. Ihr allein die Verantwortung zuzuschieben greift allerdings zu kurz: Auch die FSG hat in einer ersten Reaktion den Abschluss als “fair” bezeichnet. Und auch die Younion, die von der SPÖ-Gewerkschaftsfraktion FSG dominiert ist, hat dem Abschluss zugestimmt. Die gesunkene Wahlbeteiligung bei Personalvertretungswahl ist wohl auch Ausdruck der Enttäuschung über die eigene “Vertretung”.
Die Gewerkschaftsspitzen tun so, als ob sie einen besonders cleveren Deal getätigt hätten, weil sie für zwei Jahre abgeschlossen haben. Ihre Argumentation: die Wirtschaft schrumpft und so habe man zumindest Schlimmeres verhindert und die Gehälter für zwei Jahre gesichert. Das ignoriert 1) dass der Abschluss auf Basis einer falschen Inflationsberechnung erfolgt und 2) dass in vielen Bereichen der Personalmangel dramatisch ist und immer schlimmer wird.
Der Abschluss nimmt auch die Kürzungspolitik der möglichen künftigen ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition voraus. Diese plant bereits massive Kürzungen, um die Kosten der Wirtschaftskrise auf die Beschäftigten und die sozial Schwachen abzuwälzen. Der Ruf aus Brüssel, das Defizit zu senken, kommt ihnen da als Argumentationsgrundlage (“wir müssen”) gerade recht. Und die Gewerkschaftsspitzen tragen diese “Argumente” voll mit. Das zeigt einmal mehr, dass den Spitzen der Gewerkschaften – unabhängig von ihrer Parteizugehörigkeit – die Interessen ihrer Parteien und “der Wirtschaft” näher sind, als jene der eigenen Mitgliedschaft. Von den nötigen Kampforganisationen sind sie Lichtjahre entfernt – und damit auch weitgehend unbrauchbar für die vor uns liegenden Kämpfe wenn eine kommende Regierung Sozial- und Stellenabbau betreibt und bei Arbeitslosen, Pensionist*innen, Sozialleistungen etc kürzt.
Gewerkschaften als Kampforganisationen zurück holen
Viele Kolleg*innen hatten von Beginn der GÖD-Inszenierung an das Gefühl, dass hier kein Kampf stattfindet. Die Dienststellenversammlungen bei den Lehrpersonen z.B. wurden so abgehalten, dass der laufende Betrieb nicht gestört wurde. Es gab keine Vorbereitungen für Arbeitsniederlegungen bei Kindergärten, Öffentlichem Verkehr etc. Es fanden keine Streikvorbereitungen statt und auch die GÖD-Führung selbst hat sich auf möglichst schwammige Formulierungen zurückgezogen. Offenbar plante man von Anfang an die Aktionen als Wahlkampf v.a. für die FCG durchzuführen (die Personalvertretungswahl fand am 27. und 28.11. statt) und plante nie ernsthaft, zu streiken. Auch der angesetzte Termin für die Demonstration mit 15.00 und nur für 45 Minuten deutete in diese Richtung.
Die gänzliche Absage selbst dieser mickrigen Aktion war dann für viele Kolleg*innen ein weiterer Schlag ins Gesicht. “Skandal”, “Wahnsinn”, “Verrat”, “Verarschung”, “Ich trete gleich wieder aus, aus der Gewerkschaft” waren nur einige der empörten Aussagen, die zu hören waren. V.a. Lehrer*innen in Wien waren nicht bereit, das hinzunehmen. An mehreren Orten sammelten sich daher wütende Lehrpersonen, vom 2en Bezirk gab es einen Demonstrationszug von mehreren Schulen an dem auch Schüler*innen und Eltern teilnahmen. “Dieser Abschluss ist ein Hohn – mehr Ressourcen, besser Lohn” wurde lautstark gefordert. Klar war auch “Höchste Zeit – für Bildungsstreik”. Denn es darf nicht vergessen werden, dass schon 2023 tausende Lehrpersonen für Streik unterschrieben haben – die Gewerkschaftsführung es aber vorgezogen hat, das zu ignorieren und insbesondere die FCG versucht, die Verantwortung für die Missstände insbesondere im Pflichtschulbereich migrantischen Schüler*innen in die Schuhe zu schieben als dem dramatischen Ressourcenmangel, den ihre Partei zentral mit zu verantworten hat!
Die verschiedenen Proteste vereinigten sich vor dem Bundeskanzleramt und zogen dann zur Zentrale der GÖD, wo u.a. lautstark gefordert wurde “Kein Abschluss – ohne Urabstimmung”. Damit wurde einmal mehr betont, dass es um unser Geld und unsere Arbeitsbedingungen geht und dass die Beschäftigten selbst, und nicht eine Handvoll hochbezahlter Gewerkschaftsfunktionär*innen entscheiden müssen, ob ein Abschluss annehmbar ist – oder eben nicht und stattdessen Kampfmaßnahmen zu ergreifen sind. Die Verantwortlichen in der GÖD wissen ganz genau, wie mies der Abschluss ist, auch wenn sie das nie zugeben würden – deswegen weigerten sie sich auch, den Demonstrant*innen Rede und Antwort zu stehen, die lautstark fordert “Kommt, Kommt, Kommt heraus”. Klar ist: von dieser Gewerkschaftsführung ist nichts zu erwarten. Das ist gerade auch angesichts der drohenden Sparpakete – unabhängig von der Regierungskombination – ein riesen Problem für alle Beschäftigten, nicht nur im Öffentlichen Dienst. Denn vor dem Hintergrund der Rezession droht die EU bereits mit Strafzahlungen, wenn das Defizit nicht abgebaut wird. Und alle Parlamentsparteien akzeptieren die Logik vom “sparen müssen”, was Kürzungen bei Sozialem, Bildung, Gesundheit, Pensionen etc. bedeutet. Die NEOS trommeln bereits, dass ihnen der Abschluss zu hoch ist.
Was können wir jetzt tun?
Die Gewerkschaft deswegen abzuschreiben wäre aber die falsche Konsequenz, denn dann kann man überhaupt nur mehr alleine frustriert sein. Stattdessen ist es nötig, die Gewerkschaften als Kampforganisationen zurückzugewinnen. Das geht nur gegen und ohne die aktuellen Führungsriegen und nur wenn die Gewerkschaften vom schädlichen Einfluss der etablierten Parteien gelöst werden. All das ist nicht einfach zu schaffen – aber es ist notwendig. Basisinitiativen von Beschäftigten können ein Schritt in diese Richtung sein. Basisinitiativen in denen diskutiert und Aktionen geplant werden und die den Druck auf die Gewerkschaftsführung aufbauen und letztlich in der Lage sein werden, diese vor sich herzutreiben und durch kämpferischere Führungen zu ersetzen. All das ist nicht leicht – aber nötig und möglich. Werde selbst aktiv und bau mit uns eine solche gewerkschaftliche und betriebliche Opposition auf. Organisiert euch in einer Aktionsgruppe in der Schule bzw. im Bezirk. Unterstützt die Initiativen für echte Dienststellenversammlungen. Fasst einen Protestbeschluss an eurer Schule gegen den Abschluss und übermittelt ihn der GÖD. Es sind unsere Gewerkschaften – holen wir sie uns zurück!
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