Sozialistische Antworten nötig

Dieser Artikel von Niall Mulholland, Komitee für eine Arbeiter*inneninternationale (CWI), zum europaweiten Ergebnis bei den EU-Wahlen wurde zuerst auf http://www.socialistworld.net veröffentlicht. Ein Artikel zum Ergebnis in Österreich wird in den nächsten Tagen folgen. Weiter unten veröffentlichen wir ebenso das Statement unserer Schwesterorganisation Sol (CWI in Deutschland) zum Wahlergebnis in Deutschland und unserer Schwesterorganisation Gauche Revolutionnaire (CWI in Frankreich) zum Wahlergebnis und den Folgen in Frankreich.

Bei den Wahlen zum Europäischen Parlament vom 6. bis 9. Juni haben die Rechtspopulist*innen und die extreme Rechte erwartungsgemäß zugelegt bei einer Wahlbeteiligung von 51 Prozent. Die weit rechts stehenden Parteien werden bei der nächsten Sitzung des Europäischen Parlaments fast ein Viertel der Sitze innehaben, 2019 war es noch ein Fünftel. Die Wahlen zum nahezu machtlosen Europäischen Parlament bieten eine Momentaufnahme der politischen Stimmung auf dem Kontinent, auch wenn sie angesichts der Tatsache, dass fast die Hälfte der Wählerinnen und Wähler nicht zur Wahl gegangen sind, kein vollständiges Bild vermitteln können.

In Frankreich hat die rechtsextreme Partei Rassemblement National (RN) einen überwältigenden Sieg errungen. Sie erhielt doppelt so viele Stimmen wie die Partei Renaissance von Präsident Emmanuel Macron und neun Prozent mehr als im Jahr 2019. Die RN gewann dreißig der 81 Sitze des Landes. Dies veranlasste Macron, eine höchst riskante Neuwahl auszurufen. Macron setzt darauf, die Bedrohung durch das Rassemblement National vor den nächsten Präsidentschaftswahlen abzuwenden, und er will auch versuchen, genügend Legitimität zu erlangen, um neue Maßnahmen durchzusetzen, darunter Angriffe auf öffentliche Dienstleistungen und Arbeiter*innenrechte. Umfragen deuten derzeit darauf hin, dass die RN bei den Wahlen Ende Juni mehr Sitze als Macrons Partei erringen könnte. Das Wahlbündnis “Volkseinheit”, auf das sich “La France insoumise” (FI -“Unbeugsames Frankreich”), die Sozialistische Partei (PS), Grüne und die Kommunistische Partei geeinigt haben, liegt in den Umfragen für die nationalen Wahlen Ende dieses Monats bei 28 Prozent, Le Pens RN bei 31 Prozent.

Bundeskanzler Olaf Scholz lehnte Forderungen nach Neuwahlen in Deutschland ab, nachdem alle drei Parteien der Bundesregierung große Verluste erlitten haben und die Sozialdemokrat*innen ihr schlechtestes Ergebnis bei einer bundesweiten Wahl einfuhren. Die weit rechts stehende AfD kam mit 16 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz, hinter der konservativen CDU/CSU. Die rechtsextremen “Fratelli d’Italia” (“Brüder Italiens”) der italienischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni erreichten über 28 Prozent der Stimmen, gegenüber 26 Prozent bei den Parlamentswahlen 2022. Rechtsextreme und reaktionäre nationalistische Parteien führten die Umfragen in Österreich und Ungarn an. In Spanien erzielten die Rechtsextremen beträchtliche Zugewinne, und in Zypern gewann die rechtsextreme ELAM-Partei ihren ersten EU-Sitz überhaupt. Auch in Griechenland und den Niederlanden konnte die extreme Rechte zulegen. In Südirland errungen die migrationsfeindlichen rechtsextremen Parteien zwar keine EU-Sitze, gewannen aber einige Sitze bei den gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen.

Die rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien nutzten auf zynische Weise die weit verbreitete Unzufriedenheit über die jahrelangen Sparmaßnahmen, die hohen Lebenshaltungskosten und die Wohnraumkrise in den meisten Ländern sowie weitere drängende soziale und wirtschaftliche Probleme aus, mit denen die Menschen konfrontiert sind, und machten dabei häufig Migrant*innen zum Sündenbock.

Der Aufstieg der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien ist eine Warnung an die Arbeiter*innenklasse in der EU, wenn auch nicht überall gleichermaßen. Obwohl diese Kräfte ein breites Spektrum der Rechten repräsentieren, einschließlich neofaschistischer Elemente und anderer wie Melonis “Brüder Italiens”, die einige ihrer Politiken in die traditionellere “rechte Mitte” verlagert haben, wenn sie im Amt sind, stellen sie im Allgemeinen eine Gefahr für die Interessen der Arbeiter*innenklasse dar. Ihre rassistische, migrationsfeindliche Rhetorik und Politik sowie andere reaktionäre Ideen zielen darauf ab, die Arbeiter*innenklasse zu spalten, und das in einer Zeit, in der die Einheit der Klasse gegen die Angriffe der Bosse dringend nötig ist.

Wähler*innen wenden sich von den etablierten Parteien der bürgerlichen Herrschaft ab

Die Zugewinne der rechtspopulistischen und rechtsextremen Parteien sind auf verzerrte Weise ein Indiz für die Abkehr von Millionen von Wähler*innen von den traditionellen Parteien des Bürgertums – den konservativen und liberalen Parteien der Bosse und den pro-kapitalistischen sozialdemokratischen Parteien. Die Wahlergebnisse zeigen, dass viele Wähler*innen den endlosen Sparkurs der Regierungsparteien, die hohen Lebenshaltungskosten, die Wohnungskrise und die Unterstützung des blutigen Krieges in der Ukraine und des Massakers im Gazastreifen durch die EU nicht mehr hinnehmen wollen. 

Zu den größten Verlierern der Wahlen gehören die Grünen, mit einigen Ausnahmen in Schweden, Dänemark und den Niederlanden, wo das Bündnis sozialdemokratischen Partei der Arbeit und Grünen knapp vor der rechtsextremen Partei von Geert Wilders lag. Fünf Jahre nachdem sie die Gesamtzahl ihrer Sitze von 52 auf 74 erhöht hatten, fielen die Grünen auf 53 zurück. Darin spiegeln sich die Erfahrungen der Wähler*innen mit den Grünen in Koalitionsregierungen wider, wie z. B. in Deutschland, wo diese sich selbst als “radikal” darstellenden Parteien sklavisch der Pro-Markt- und Pro-Ukraine-Kriegslinie folgten und unpopuläre Gesetze vorschlugen, die nach Ansicht vieler Wähler*innen die Arbeiter*innenklasse am meisten für die Umweltpolitik zahlen ließen. Klimaskeptische konservative und rechtsextreme Parteien haben ebenfalls eine starke Propaganda gegen die angeblichen Kosten der EU-Umweltpolitik für die Taschen der hart arbeitenden Menschen betrieben. Der ” grüne Backlash ” wird wahrscheinlich dazu führen, dass die EU ihre ohnehin nur mittelmäßigen Maßnahmen und Ziele zum Klimawandel aufgibt oder weiter verwässert.

Während der Aufstieg der extremen Rechten die Schlagzeilen beherrschte, haben die sogenannten konservativen Parteien der “Mitte” (d. h. die traditionellen Parteien der kapitalistischen Ordnung) bei den EU-Wahlen insgesamt weiterhin die meisten Sitze im EU-Parlament. Der Block der konservativen Parteien, die Europäische Volkspartei (EVP), gewann den größten Stimmenanteil im EU-Parlament und erhöhte seine Sitze um 10 Stück auf 186.

Die sozialdemokratischen Parteien wurden zweitstärkste Kraft in der EU, konnten aber mit ihrer pro-kapitalistischen Politik die WählerInnen der Arbeiter*innenklasse nicht begeistern. Die Sozialdemokrat*innen in Schweden z. B. erhielten mit 24,8 Prozent die meisten Stimmen, aber dies war auch ihr schlechtestes Wahlergebnis bei den EU-Wahlen seit 33 Jahren.

Die liberale Fraktion Renew Europe hat in Deutschland und Spanien stark verloren und ist von 102 auf 80 Sitze zurückgefallen, konnte aber den dritten Platz im Brüsseler Parlament halten.

Manche linke Parteien legten zu, wie die griechische Kommunistische Partei (KKE), die ihren Stimmenanteil von 5,35 Prozent bei den Europawahlen 2019 auf 9,25 Prozent steigern konnte. Auch die Kommunistische Partei in Österreich konnte zulegen. Die Linkspartei in Schweden (die ehemalige kommunistische Partei) erzielte mit elf Prozent (4,2 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl und einen neuen Sitz) die größten Zugewinne aller Parteien bei den EU-Wahlen des Landes.

In Frankreich erhielt Jean-Luc Mélenchons “La France insoumise” 9,9 Prozent und gewann damit im Vergleich zu 2019 eine Million Stimmen hinzu, lag aber immer noch weit hinter Le Pens Partei. Das Potenzial für eine radikale sozialistische Anziehungskraft zeigt sich darin, dass die FI dreißig Prozent der Stimmen bei den Jugendlichen erhielt und in Lille, Lyon, Toulouse, Bordeaux und Grenoble an der Spitze stand. 

Insgesamt ist es den Parteien, die formal links von den SozialdemokratInnen stehen, jedoch nicht gelungen, signifikante Fortschritte zu erzielen. Dies spiegelt zum Teil das Versagen einiger dieser Parteien wider, die während ihrer Amtszeit auf lokaler und nationaler Ebene keinerlei radikale sozialistische Veränderungen bewirkt haben. Nach der Abspaltung der “linkskonservativen” BSW (“Bündnis Sahra Wagenknecht – Vernunft und Gerechtigkeit”) musste die deutsche Linkspartei ihr bisher schlechtestes EU-Wahlergebnis hinnehmen und erhielt 2,7 Prozent, während das BSW 6,1 Prozent gewann.

Das allgemeine Scheitern der “radikalen Linken”, bei den EU-Wahlen einen Durchbruch zu erzielen, hat seine Ursachen in den letzten Jahrzehnten des Verrats und der Enttäuschung sowie in einem schwachen politischen Programm, das nicht den dringenden Bedürfnissen der Arbeiter*innenklasse in dieser Zeit der kapitalistischen Krise entspricht. Der Verrat von Syriza, die 2015 in Griechenland an die Macht gekommen ist und versprochen hat, die drakonische EU-Austeritätspolitik zu stoppen, und daran gescheitert ist, und die “antikapitalistische” Podemos in Spanien, die sich die Macht mit den rechten Sozialdemokraten geteilt hat, haben beispielsweise Teile der Linken und der Arbeiter*innenklasse demoralisiert und der nationalistischen Rechten und der populistischen Rechten einen Raum geboten, den sie ausnutzen konnten.

Klassenbasiertes sozialistisches Programm und antiimperialistischer Ansatz nötig

In einer Zeit tiefgreifender wirtschaftlicher und sozialer Krisen, weit verbreiteter Arbeitskämpfe, eines Krieges in der Ukraine, Millionen von Demonstrant*innen in ganz Europa gegen das Massaker in Gaza und von radikalisierten Studierenden, die Besetzungen organisieren, ist es von entscheidender Bedeutung, dass die Linke ein klares klassenbasiertes sozialistisches Programm hat und sich unmissverständlich gegen Imperialismus stellt. Ein solches Programm, verbunden mit dem Aufbau einer kämpferischen Arbeiter*innenmassenpartei, kann den Bossen und ihren politischen Parteien erfolgreich entgegentreten und den trügerischen Lockrufen der populistischen Rechten Einhalt gebieten.

Da die populistischen und rechtsextremen Abgeordneten mit rund 146 Sitzen knapp ein Viertel des EU-Parlaments stellen, werden sie von ihren Wähler*innen genauer unter die Lupe genommen und sie werden erwartungsgemäß von internen Spaltungen geplagt sein. Sie sind in zwei größere Fraktionen aufgeteilt: die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR) und die Fraktion für Identität und Demokratie (ID) sowie mehrere fraktionslose Parteien.

Die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) steht derzeit außerhalb der Fraktion Identität und Demokratie (ID), nachdem einer ihrer Abgeordneten, Maximilian Krah, mit der Aussage, nicht jeder, der in Hitlers SS diente, sei ein Verbrecher gewesen, einen Skandal ausgelöst hatte. Die ID- Fraktion wird von Marine Le Pens Rasssmeblement National dominiert, das sich im Vorfeld der französischen Parlamentswahlen von seinem früheren faschistischen Image zu distanzieren versucht. Um wieder in die Fraktion aufgenommen zu werden, schloss die AfD-Fraktion Krah aus.

Ungeachtet ihrer Tendenz zur Spaltung muss die nationalistische, rassistische und populistische extreme Rechte von der Linken und der Arbeiter*innenklasse an den Urnen und durch Kampagnen vor Ort bekämpft werden. Zu den Forderungen, für die die Linke kämpfen sollte, um der extremen Rechten den Boden zu entziehen, gehören anständige Arbeitsplätze für alle, ein existenzsichernder Lohn, ein umfassendes Programm für den Bau von Sozialwohnungen für alle, ein angemessen finanziertes Gesundheits- und Bildungswesen und die Verstaatlichung der Schlüsselindustrie. 

Dieser Kampf muss über alle Grenzen der EU hinausgehen und die Arbeiter*innenklasse im solidarischen Kampf gegen die endlosen Angriffe und die Ausbeutung durch das kapitalistische System vereinen. Das bedeutet, alle Illusionen in die “fortschrittliche” EU der Bosse zu widerlegen, die kapitalistischen EU-Strukturen abzulehnen und für eine sozialistische Föderation der europäischen Staaten auf freiwilliger und gleichberechtigter Basis zu plädieren, mit demokratischer Kontrolle und Verwaltung der wichtigsten Bereiche der Wirtschaft.

Europawahl: Desaster für Ampel-Regierung und Stärkung der AfD

Arbeiter*innenpartei mit sozialistischem Programm dringend nötig

Stellungnahme der Sol (CWI in Deutschland) zum EU-Wahlergebnis in Deutschland

Die Wahlen zum EU-Parlament waren in der Bundesrepublik eine weitere Abrechnung mit der Bundesregierung. Davon haben vor allem die AfD und das erstmals kandidierende Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) profitiert.

Von Torsten Sting, Rostock

Die Parteien der Ampel-Koalition schliddern von einer krachenden Wahlniederlage in die Nächste. Deren Unbeliebtheit zeigt sich auch bei einer Umfrage von infratest dimap im Auftrag der ARD. Demnach sind nur noch 22 Prozent der Befragten mit der Arbeit der Bundesregierung zufrieden – ein historischer Tiefstwert.

Verluste für SPD und Grüne

Insbesondere die Grünen sind Objekt des Zorns und haben gegenüber der letzten Europawahl 8,6 Prozentpunkte verloren, im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 jedoch nur 2,8 Prozentpunkte. Das lässt darauf schließen, dass die Partei auf ihr Kern-Klientel zurückgefallen ist. Die SPD fuhr mit 13,9 Prozent ihr schlechtestes Ergebnis bei einer landesweiten Wahl ein, im Vergleich zur letzten Europawahl ein relativ geringer Rückgang, verglichen mit der Bundestagswahl jedoch ein Absturz um 11,8 Prozentpunkte. Die FDP ist bescheiden geworden und freute sich über geringe Verluste – aber auch hier gilt dieser Vergleich nur zur Europawahl 2019. Verglichen mit der Bundestagswahl haben sich die Liberalen mehr als halbiert. Stolze 5,2 Prozent der abgegeben Stimmen fuhren die Liberalen noch ein und veranlassten ihren Chef Christian Lindner, dies als „starkes Signal der Stabilisierung“ zu werten. Zusammen sind die drei Parteien jetzt etwa auf einem Niveau mit CDU/CSU, die mit dreißig Prozent der Stimmen, die stärkste politische Kraft darstellen.

CDU/CSU stärkste Kraft

Die Konservativen feierten sich am Wahlabend entsprechend und die Position von Parteichef Merz scheint gesichert. Machtkämpfe um die Kanzlerkandidatur sind dennoch nicht ausgeschlossen. Der ehemalige Aufsichtsratschef der deutschen Sparte des Hedgefonds BlackRock, bringt das Kunststück fertig, in Umfragen noch unbeliebter zu sein als Bundeskanzler Olaf Scholz. CSU-Boss Söder und NRW-Ministerpräsident Wüst, halten sich die Option für eine mögliche Kandidatur als Kanzlerkandidat der Union, offen.

Sieg der extremen Rechten

Darüber hinaus profitiert die AfD erneut vom großen Unmut auf die Bundesregierung. Sie ist nach der Union die zweitstärkste Partei und konnte sich gegenüber den letzten Wahlen auf 15,9 Prozent um 4,9 Prozentpunkte verbessern (im Vergleich zur Bundestagswahl 2021 sogar um 5,6 Prozentpunkte), wenngleich dieser Wert hinter den Rekordumfragen von vor etwa einem halben Jahr liegt, als die in Teilen von Faschisten geführte Partei, auf über zwanzig Prozent der Stimmen kam. In Ostdeutschland liegt die AfD auf Platz eins. Wenn man den Demoskop*innen glaubt, nimmt auch der Anteil der reinen Protestwähler*innen unter den AfD-Wähler*innen ab, wenngleich diese bei der AfD im Vergleich zu anderen Parteien immer noch am ehesten ihr Kreuz machen. Die sogenannten „Kompetenzwerte“ der AfD steigen in den Umfragen, was darauf schließen lässt, dass sich die Rechtspopulist*innen eine gewisse eigene Wähler*innenbasis aufbauen, die eine zunehmende Bindung zur Partei entwickelt.

Gleichzeitig sollte nicht vergessen werden, dass über ein Drittel der Wahlberechtigten gar nicht ihre Stimme abgegeben haben (wenn auch die Wahlbeteiligung für eine Europawahl relativ hoch war, was auch an den in vielen Bundesländern gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahlen liegen kann) und Millionen Menschen aus Nicht-EU-Ländern nicht an der Wahl teilnehmen durften. Der Anteil der AfD-Wähler*innen an der tatsächlich in Deutschland lebenden erwachsenen Bevölkerung liegt also deutlich unter zehn Prozent.

Erfolg des BSW

Das Bündnis Sahra Wagenknecht kam bei seiner ersten Wahl auf 6,2 Prozent der Stimmen und fuhr damit einen wichtigen Auftakterfolg ein. Sie profitierte von ihren Schwerpunkten auf soziale Sicherheit und der Ablehnung von Waffenlieferungen in Kriegsgebiete, nicht zuletzt auch der Ukraine.

Was jedoch nicht aufging, war der Versuch durch migrationsfeindliche Positionen der AfD die Wähler*innen abzuluchsen. Nur verhältnismäßig wenige frühere AfD-Wähler*innen wechselten zum BSW, dafür umso mehr frühere SPD, CDU- und Linke-Wähler*innen. Es bestätigte sich einmal mehr, dass Menschen doch eher das Original als die Kopie wählen.

Es ist wahrscheinlich, dass das BSW mit diesem bestandenen Praxistest, eine noch höhere Anziehungskraft auf politisch unorganisierte Menschen, aber auch auf einen Teil von frustrierten Linke-Mitgliedern und -Unterstützer*innen haben wird. Ein gutes Abschneiden bei den ostdeutschen Landtagswahlen im Herbst ist damit noch wahrscheinlicher geworden.

Die Linke und kleine Parteien

Der Niedergang der LINKEN setzt sich mit einer Halbierung der Stimmen auf nur noch 2,7 Prozent fort. Die Ankündigungen der Parteispitze, nach der Abspaltung des Wagenknecht-Lagers gehe nun der Aufbau so richtig los, wurden bisher nicht in Taten umgesetzt. Auch die oftmals beschworenen Wähler*innen, die in der Vergangenheit der Linken wegen Wagenknecht angeblich nicht die Stimme gegeben hatten, scheint es nicht in größerem Umfang zu geben. Der Burgfrieden zwischen der reformistischen Linken und der Parteirechten hat nur dazu geführt, dass Die Linke ihr Image, Teil des politischen Establishments zu sein, nicht abgelegt hat. Die Hoffnung, durch Carola Rackete als Co-Spitzenkandidat*in eine größere Mobilisierung von Menschen, die sich mit Klima- und Antirassismusbewegung identifizieren, zu erreichen, funktionierte höchstens sehr begrenzt in machen städtischen Gegenden wie Berlin-Neukölln, die ohnehin Hochburgen der Linkspartei sind, darüber hinaus nicht.

Bemerkenswert sind die Ergebnisse der kleinen Parteien (Volt, Die Partei, Tierschutzpartei), die insbesondere von jungen Menschen gewählt wurden. Hierbei spielte sicher eine Rolle, dass es bei dieser Wahl keine Fünf-Prozent-Hürde gab und die Stimmen damit „nicht verloren“ gingen. Damit verstärkt sich der Trend, weg von den ehemals großen Parteien. Die Zersplitterung und Destabilisierung des politischen Systems der Bundesrepublik setzt sich weiter fort.

Themen

In der oben erwähnten Analyse von infratest dimap, wurde nach den wichtigsten Themen für die Wählenden gefragt. Hier gab es zum letzten Urnengang 2019 große Unterschiede. War damals der Klimawandel noch das wichtigste Thema, von dem insbesondere die Grünen profitieren konnten, wurde es diesmal von der Sorge um bereits bestehende oder drohende Kriege abgelöst. Zudem haben die Themen Kriminalität und Migration an Bedeutung gewonnen, von dem insbesondere die AfD profitierte. Das hatte sicher auch etwas mit der tödlichen Messerattacke von Mannheim zu tun und wie diese medial ausgeschlachtet wurde. Aber auch die Fragestellungen der Meinungsforschungsinstitute müssen kritisch hinterfragt werden. Fragen wie „Sorgen Sie sich, dass zu viele Fremde nach Deutschland kommen“ sind tendenziös. Gleichzeitig werden Fragen wie „Sorgen Sie sich, dass die Profitgier der Banken und Konzerne den Lebensstandard und die Umwelt zerstören?“ wohl kaum abgefragt. Allerdings sieht man auch, dass die materiellen Sorgen stark zugenommen haben: Fünfzig Prozent stimmten der Aussage zu, sich Sorgen zu machen, dass sie ihren Lebensstandard zukünftig nicht halten können (im Vergleich zu dreißig Prozent 2019 und 37 Prozent 2021). Der Anteil ist bei AfD-Wähler*innen mit 78 Prozent und 64 Prozent bei BSW-Wähler*innen besonders hoch.

Jugend

Das Wahlverhalten bei den bis 25-Jährigen hat sich ebenso gegenüber dem letzten Mal deutlich verändert. Waren damals die Grünen mit Abstand stärkste Partei, ist dies nun die AfD, wobei die kleinen zusammen Parteien noch mehr Stimmen auf sich vereinigen konnten. Bei den politischen Themen, das haben auch Umfragen in den letzten Monaten schon gezeigt, hat es eine Angleichung zu den Älteren gegeben. Insbesondere die klassischen sozialen Fragen (Miete, Einkommen usw.) und die Sorge vor Kriegen haben das früher dominierende Thema Umwelt vorerst abgelöst.

Finale Krise der Bundesregierung?

Die neuerlichen Niederlagen strapazieren die Gemüter der Ampel-Parteien zusätzlich. Kurz vor der Wahl gab es eine Ansage von SPD-Chef Lars Klingbeil Richtung Finanzminister Lindner, es mit der Schuldenbremse und mit Kürzungen nicht zu übertreiben. Der FDP-Chef konterte mit dem dezenten Hinweis eines möglichen Koalitionsbruchs. Insbesondere die SPD-Spitze betonte nach Verkündung der Wahlergebnisse, dass sie ihr eigenes Profil stärken wolle. Klar ist, dass die Konflikte noch härter werden. Bis zum dritten Juli soll der Bundeshaushalt stehen, eine weitere Belastungsprobe für das wackelige Bündnis. Vor dem Hintergrund des schlechten Wahlergebnisses für alle Ampel-Parteien spricht einiges dafür, dass die Beteiligten alles daran setzen werden, die Koalition anhand der Frage nicht platzen zu lassen um Neuwahlen zu vermeiden. Mit den im September anstehenden Landtagswahlen in Ostdeutschland und den zu erwartenden herben Niederlagen, die sogar das Ausscheiden der SPD aus einem Landtag möglich erscheinen lassen, sind jedoch spätestens neue, womöglich finale Konflikte zu erwarten. Ein Bruch der Koalition, mögliche Neuwahlen und eine dann sehr wahrscheinlich CDU-geführte Regierung, würde eine neue und härtere Phase des Klassenkampfes einläuten.

Frust bei Linken

Umso wichtiger ist es jetzt, dass die politische Linke und die Gewerkschaften die richtigen Schlussfolgerungen aus dieser Wahl ziehen.

Insbesondere der Erfolg der AfD führt zu Frustration bei Aktivistinnen und Aktivisten. Viele fragen sich, was mit „den Leuten“ los ist, die eine offen rassistische Partei wählen. Ratlosigkeit macht sich mitunter breit, da die Massenmobilisierungen gegen Rassismus und Rechtspopulismus zu Beginn des Jahres die Hoffnung nährten, die AfD deutlicher zu schwächen. Damals wiesen wir bereits darauf hin, dass es zentral ist die Ursachen „des AfD-Aufstiegs in den Blick (zu) nehmen. Eine Bewegung ‘nur’ gegen die AfD wird nicht erfolgreich sein.“

Ursachen

Der Reichtum einer winzigen Minderheit nimmt immer aberwitzigere Dimensionen an. Demgegenüber kämpfen viele Millionen Menschen mit großen Sorgen: Steigende Kosten für die Miete, hoher Arbeitsdruck und auch wieder zunehmender Arbeitsplatzvernichtung in der Industrie. Die sich zuspitzenden Konflikte zwischen den imperialistischen Mächten führen zu einer Zunahme von Kriegen. Die Folgen von militärischen Konflikten, Unterdrückung durch repressive Regime, die große Armut und die immer deutlicheren Folgen des Klimawandels sind die Ursachen der weltweiten Fluchtbewegungen. Dies zusammen führt zu Verunsicherung in weiten Teilen der Bevölkerung. Das Gefühl, dass die „Welt aus den Fugen ist“, verstärkt sich.

Es ist jedoch keine automatische Reaktion, dass Rassismus zunimmt. Die herrschende Klasse hat für keine der großen Probleme unserer Zeit eine Lösung im Sinne der arbeitenden Menschen anzubieten. Ein entscheidender Grund für das Erstarken der AfD ist der massive Legitimationsverlust der etablierten Parteien, die grundlegend dieselbe pro-kapitalistische Politik in verschiedenen Farben anbieten. Das hat überhaupt erst den Raum für die AfD geschaffen, die sich als Opposition aufspielen kann – obwohl sie selbst eine weitgehend neoliberale und gegen die Arbeiter*innenklasse gerichtete Politik vertritt. Ihr Rassismus kann an den Gesetzen und Aussagen von Politiker*innen der etablierten Parteien anknüpfen. Zum Beispiel wenn CDU-Chef und Multimillionär Friedrich Merz über vermeintliche Privilegien abgelehnter Asylbewerber*innen phantasiert: „Die sitzen beim Arzt und lassen sich die Zähne neu machen, und die deutschen Bürger nebendran kriegen keine Termine.“ Parteiübergreifend mehren sich zudem Forderungen, dass wieder Abschiebungen nach Syrien und Afghanistan durchgesetzt werden sollen.

Die extreme Rechte kann mit ihrer Propaganda daran andocken und noch weitergehen. Die bürgerlichen Parteien haben die extreme Rechte stark gemacht! Daher muss sich der Kampf gegen die AfD auch gegen die Politik des Sozialabbaus und des staatlichen Rassismus der Bürgerlichen richten.

Versagen der Linken

Es wäre nun die Verantwortung einer linken, sozialistischen Partei sich dem entgegenzustellen und grundlegende Alternativen aufzuzeigen. Sie müsste ein Programm vorschlagen, wie wir uns das Geld von den Reichen und Superreichen holen können, um die sozialen Probleme zu lösen. Denn die Bevölkerungsmehrheit hat unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Geschlecht usw. ein gemeinsames Interesse an bezahlbarem Wohnraum, höheren Löhnen, einem bedarfsgerecht finanziertem Gesundheitswesen oder dem Kampf gegen den Klimawandel.

Diese gemeinsamen Interessen gilt es auch im Kampf gegen die AfD herauszustellen. Die heutigen Möglichkeiten von Wissenschaft und Technik versetzen uns Menschen dazu in die Lage, alle großen Probleme zu lösen. Im Rahmen des Kapitalismus ist dies jedoch utopisch. Es braucht eine Verbindung der heutigen Kämpfe mit der Vorstellung einer grundlegend anderen, wirklich demokratischen und sozialistischen Gesellschaft.

Die Linke jedoch verwaltet durch ihre Regierungsbeteiligungen auf Ebene der Kommunen und der Länder den Mangel, verantwortet zum Beispiel Kürzungen und setzt Abschiebungen um. Damit ist sie für viele Menschen ein Teil des Establishments geworden. Das gilt insbesondere in Ostdeutschland, wo die AfD der Partei Die Linke ihr Image als Protestpartei längst abgerungen hat.

Sahra Wagenknecht (BSW) trägt mit ihrer migrant*innenfeindliche Rhetorik zur Zementierung der Spaltung in „Einheimische“ und Zuwanderer*innen bei und schürt rassistische Vorurteile – und sie leistet keinen Beitrag dazu, gemeinsame Kämpfe für günstigeren Wohnraum oder bessere Arbeitsbedingungen zu führen, geschweige denn den Kapitalismus infrage zu stellen, der die sozialen Probleme verursacht.

Gewerkschaften

Doch auch die Gewerkschaftsführungen tragen eine Verantwortung für den Aufstieg der AfD. Immer wieder werden moralische Appelle für ein „buntes“ Land gemacht und in allgemeiner, abstrakter Form zur Verteidigung „der Demokratie“ aufgerufen. Es ist kein Zufall, dass die Wortwahl mit jener ihrer sozialdemokratischen Freund*innen nahezu identisch ist. So sahen dann auch die Statements zur Europawahl aus. Allgemeine Aufforderungen, wählen zu gehen und der nur schlecht versteckte Hinweis, am besten das Kreuz bei SPD oder den Grünen zu machen. Damit wird der Schulterschluss mit den Herrschenden geübt und spielt der AfD letztlich in die Hände, weil die Teile der Bevölkerung, die für die AfD ansprechbar sind so nicht von dieser weggebrochen werden können.

Gegenwehr organisieren

Gemeinsamer Klassenkampf macht hingegen deutlich, wo die wahren Grenzen verlaufen – nicht innerhalb von Belegschaften oder Arbeiter*innenvierteln, sondern zwischen oben und unten. Solche Erfahrungen sind zentral dafür, Rassismus in der Gesellschaft zurückzudrängen – denn gleichzeitig bieten sie die Voraussetzung zu erkennen, warum rassistische Ideen diesen gemeinsamen Kampf schwächen. Die sozialpartnerschaftliche Ausrichtung der Gewerkschaftsführungen und die Nähe vieler ihrer Spitzen zu den etablierten Parteien verhindern aber, dass solche Kämpfe konsequent geführt und durch politische Kampagnen begleitet werden, welche den berechtigten Unmut in der Gesellschaft gegen die wahren Verantwortlichen richtet – nämlich Regierende und Konzerne. In den Betrieben und selbst unter Gewerkschafter*innen gibt es mittlerweile nicht wenige AfD-Wählende, die sich von moralischen Antirassismus-Argumentationen nicht überzeugen lassen werden. Rassismus braucht einen sozialen Nährboden und der muss trockengelegt werden.

Die Gewerkschaften sind in der Verantwortung aufzeigen, was dazu nötig ist. Das bedeutet, dass sie die nötigen gewerkschaftlichen Kämpfe konsequent führen, aber auch den Widerstand gegen die arbeiter*innenfeindliche Politik der Regierung aufnehmen müssen. Konkret würde das bedeuten jetzt eine Kampagne gegen die Kürzungspolitik und die Pläne der FDP, das Streikrecht einzuschränken zu starten, die mit Betriebsversammlungen, Debatten in allen Gremien, massenhafter Verbreitung von Argumentations- und Mobilisierungsmaterial beginnt und als ersten Schritt zu einer bundesweiten Demonstration führen sollte.

Mit der Initiative „Wir schlagen Alarm“ haben Sol-Mitglieder gemeinsam mit anderen eine wichtige Initiative ergriffen.

Partei von und für Arbeiter*innen nötig

Im Rahmen einer solchen Kampagne müsste gleichzeitig über die arbeiter*innen- und gewerkschaftsfeindliche Politik der AfD aufgeklärt werden. Es ist nötig, dass die Gewerkschaften mit der SPD brechen und in ihnen die Diskussion über eine parteipolitische Vertretung für die lohnabhängige Bevölkerung und wie sie entstehen kann, begonnen wird.

Eine solche aus den Gewerkschaften heraus und mit Aktivist*innen aus der heutigen Linkspartei und sozialen Bewegungen aufzubauen, die Kämpfe im hier und jetzt mit der Vision einer sozialistischen Demokratie zu verbinden, wird die Aufgabe der nächsten Jahre sein. Dann kann auch die AfD dahin vertrieben werden, wo sie hingehört: in die Bedeutungslosigkeit!

Frankreich nach den EU-Wahlen: Macron ruft Neuwahlen aus

Arbeiter*innen und Jugendliche vereint gegen die Rechten! Stellungnahme der Gauche Révolutionnaire (Revolutionäre Linke)

Die Europawahlen waren wie ein Referendum gegen Macron. Seine Partei hat nicht einmal 15 Prozent der Stimmen erreicht, 48,5 Prozent haben nicht gewählt! Die Arbeiter*innen und Jugendlichen, die ihre Stimme abgegeben haben, haben seine Politik der ständigen Angriffe auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen zur Verteidigung der Profite der Kapitalist*innen scharf verurteilt. Die Entlassungen häufen sich, die Löhne halten nicht mit den Preissteigerungen Schritt, der öffentliche Dienst leidet unter katastrophalen Umständen… Diese Politik führt zu einem gesellschaftlichen Chaos, und das ist es, was massiv abgelehnt wurde.

Von Gauche Révolutionnaire (Schwester-Organisation der Sol in Frankreich), vom 11. Juni 2024

Die rechtsextreme Rassemblement National (Nationaler Zusammenschluss, kurz RN) hat erneut gewonnen und liegt mit einigem Abstand an erster Stelle. Ein Teil des Zorns der Arbeiter*innen und der Jugend hat sich in den Stimmen für die RN niedergeschlagen. Dies spiegelt das bestehende Unbehagen und die anhaltenden Spannungen und Spaltungen wider, die Macron schürt. Die Stimmen für die Rechtsextremen wurde durch die rassistische Propaganda der Regierung und der Medien noch verstärkt. Das massive Votum für die RN wird die Substanz von Macrons arbeiter*innen- und jugendfeindlicher Politik nicht in Frage stellen. Der RN-Vorsitzende Jordan Bardella und Marine Le Pen, die parlamentarische Chefin der RN und wichtigste öffentliche Figur, sind keine Gefahr für die Interessen der herrschenden Klasse, die Macron verteidigt. Sie sind jedoch Feind*innen der Arbeiter*innen und der Jugend und stellen eine Gefahr für deren Rechte dar. In Wirklichkeit stehen sie für noch mehr Angriffe, rassistische Spaltungen und Autoritarismus.

Ein klares “Nein!” zu Macron und der RN kam hingegen in den 2,5 Millionen Stimmen für die Liste Manon Aubry von France Insoumise (LFI) zum Ausdruck. Das sind eine Million Stimmen mehr als im Jahr 2019. Mehr als dreißig Prozent der jungen Menschen haben für diese Liste gestimmt. Die LFI-Liste mit ihrer Kampagne gegen Haushaltskürzungen, gegen Krieg und Rassismus hat in Lille, Lyon, Toulouse, Bordeaux, Grenoble und anderswo den ersten Platz belegt. Dank der Mobilisierung in den Arbeiter*innenvierteln und Großstädten ist sie der RN dicht auf den Fersen, insbesondere dort, wo sie Strukturen hat und etabliert ist.

Warum hat Macron die Nationalversammlung aufgelöst?

Macron setzt seine Strategie der Konfrontation fort, indem er sich auf Artikel 49.3 der französischen Verfassung beruft, um das Parlament zu umgehen. Nach den Ergebnissen der Europawahlen hat er die Nationalversammlung aufgelöst und damit neue Parlamentswahlen innerhalb von drei Wochen ausgelöst. Das gab es noch nie! Geschwächt sucht Macron nach einer Wiederbelebung seiner Legitimität, um seine soziale Konterrevolution fortzusetzen (Plünderung der öffentlichen Dienste, Zerstörung der Arbeitslosenversicherung, das Arbeitsgesetz 2 und die Fortsetzung der kolonialen Herrschaft in Neukaledonien/Kanaky). Sie ist auch ein Ausdruck der großen politischen Krise, die alle kapitalistischen Regierungsparteien betrifft und die sich in der Aufsplitterung der Stimmen für Macrons Renaissance-Partei zwischen der Rechten und der Mitte zeigt. Die von François-Xavier Bellamy (Die Republikaner – LR) und Raphaël Glucksmann (Sozialistische Partei – PS) geführten Listen haben beide Macron Stimmen weggenommen. Mit diesem Coup de Force, der Ausrufung von vorgezogenen Neuwahlen, kann Macron die Kluft zwischen den Parteien verschieben: entweder Macron oder die RN. Er fördert die Idee des “republikanischen Bogens”, mit dem Zuspruch der PS und ihrem Glucksmann-Hollande-Einheitsbrei. Diese Notwahlen sind auch ein Versuch, France Insoumise zu isolieren und die Bildung einer kämpferischen Opposition auf der Linken zu verhindern.

Mobilisieren gegen RN und die Politik von Macron!

Seit der Ankündigung der Auflösung der Nationalversammlung herrscht auf den Straßen eine kämpferische Stimmung gegen RN und gegen die Politik Macrons. Diese Stimmung hat ihre Wurzeln bereits in den Protesten gegen das Massaker in Gaza. Dies spiegelt im Wesentlichen das gute Ergebnis der LFI-Liste von Manon Aubry wider. Die Mehrheit der jungen Wähler*innen, aber auch ein Teil der Arbeiter*innen, Gewerkschafter*innen und von Rassismus betroffenen haben sich für ein klares Votum gegen diese unsoziale Politik im Dienste der Kapitalist*innen, Rassist*innen und Kriegstreiber*innen mobilisiert. Daraus muss sich eine kämpferische Opposition gegen die Politik der Kapitalist*innen, gegen Macron und die RN entwickeln. Die Millionen von Arbeiter*innen und jungen Menschen, die Macron und RN stoppen wollen und genauso die verrottete Gesellschaft, die der Kapitalismus bietet, ablehnen, darin, stehen vor einer Herausforderung: das Programm und den Kampf zu diskutieren und zu organisieren, die notwendig sind, um Macron und die RN zu bekämpfen, einschließlich der Art der Gesellschaft, die wir anstelle des Kapitalismus aufbauen wollen.

Die zahlreichen Demonstrationen seit den Wahlergebnissen und der Auflösung der Nationalversammlung durch Macron zeigen das kämpferische Potenzial und die Politisierung, die sich derzeit entwickeln. Seit dem 9. Juni sind Tausende von Menschen spontan La France Insoumise über die Website der Partei beigetreten, um sich zu organisieren und einer “Aktionsgruppe” beizutreten. Dies ist sehr positiv und zeigt das Potenzial für eine echte Massenpartei von Arbeiter*innen und Jugendlichen, die sich gegen den Kapitalismus und für eine sozialistische Gesellschaft, frei von Krieg, Ausbeutung und jeglicher Diskriminierung, insbesondere Rassismus und Sexismus, einsetzt.

Am Wochenende des 15. und 16. Juni werden Demonstrationen stattfinden, zu denen Gewerkschaften und linke Parteien, darunter France Insoumise, aufgerufen haben, um “Nein!” zur RN, aber auch Nein zu Macron und seiner Politik zu sagen. Wir rufen dazu auf, diese Proteste zu eskalieren und überall zu organisieren.

In den Gewerkschaften rufen wir zu einem schnellen Streiktag gegen RN und Macron auf, die die Feinde der Arbeiter*innen sind.

Arbeiter*innen und Jugendliche, vereinigen wir uns für unsere Forderungen; gegen RN und Macron! Gegen Rassismus und Kapitalismus!

Unser Lager, das der Arbeiter*innen, der Jugend, der Mehrheit der Bevölkerung, muss sich gegen die Angriffe der Regierung, gegen Rassismus, gegen Krieg und Kapitalismus vereinen.

Gleich nach der Ankündigung der Auflösung rief die LFI dazu auf, sich um mehrere zentrale Forderungen zu organisieren. Eine Rückkehr zur Rente mit 60, ein Einfrieren der Preise für Energie und Grundbedürfnisse, eine Erhöhung des Mindestlohns und eine Indexierung der Löhne an die Inflation, die Ablehnung der Sparhaushalte, die Rücknahme der Reform der Arbeitslosenversicherung und des abscheulichen Einwanderungsgesetzes, das von der Koalition aus Macronisten, Rechten und Rechtsextremen eingeführt wurde; Kampf gegen Rassismus; Ablehnung des Krieges in der Ukraine und ein Ende des anhaltenden Völkermords in Gaza.

Auf dieser Grundlage wäre es möglich, eine solide Opposition gegen Macron und die RN aufzubauen und die Massenproteste zu organisieren, die notwendig sind, um Macron zu besiegen und die RN zum Rückzug zu zwingen… indem man entlarvt, auf welcher Seite sie wirklich stehen: auf der der Ultrareichen, genauso wie den Macronisten, die  Rechten und die PS von Hollande.

Wir verteidigen die Einheit aller Jugendlichen und Arbeiter*innen, die die RN und Macron ablehnen. Um stark zu sein, sollten wir uns um die Forderungen der Arbeiter*innen versammeln, wie die Erhöhung des Mindestlohns, die vollständige Verstaatlichung der Energie, um den Preisanstieg zu stoppen… Dies sind die ersten Schritte, die eine Regierung im Dienste der Arbeiter*innen und der Jugend unternehmen sollte. Aber ein Wahlsieg auf dieser Grundlage wird nicht ausreichen, um diese Forderungen zu garantieren. Daher ist es notwendig, zu protestieren und sich zu organisieren. Eine solche gemeinsame Front auf einer klaren Grundlage würde unser Lager stärken.

Einheit, die Volksfront, der Zusammenschluss der Linken… All diese Debatten, die auf dem Tisch liegen, müssen dazu dienen, unser Lager zu stärken, indem sie eine möglichst breite politische Aktion und kämpferische Organisierung der Arbeiter*innen und der Jugend ermöglichen. Ein Linksbündnis, das zu einer Wiederbelebung einer liberalen Politik à la Hollande führen würde, würde im Gegenteil den Interessen der Kapitalist*innen dienen.

Bei den Parlamentswahlen am 30. Juni und 7. Juli, bei den Protesten, in den kommenden Wochen, schlagen wir vor, mit uns zu diskutieren und aktiv zu werden. Um der Bedrohung durch die RN und die prokapitalistische Politik ein Ende zu setzen, müssen wir gegen ihr System kämpfen. Gauche Révolutionaire kämpft für eine sozialistische Gesellschaft – die einzige, die Ausbeutung, Rassismus und Kriege beenden kann.

Französischer Originalartikel unter: https://www.gaucherevolutionnaire.fr/travailleurs-et-jeunes-unissons-nous-pour-combattre-le-pen-bardella-et-la-politique-de-macron-cest-le-moment/