Von Albert Kropf, SO Wien

Vor einem Jahr ist Babler in den Kampf um den SPÖ Vorsitz eingestiegen. Bis dahin war es eine „Entscheidung“ zwischen Weiterwurschteln ohne wirkliches Profil unter Rendi-Wagner oder doch die offene populistische Wende nach rechts mit Doskozil. Dagegen hatte der Außenseiter Babler mit „Holen wir uns unsere Partei zurück!“ begonnen, eine politische Alternative mit Forderungen wie Arbeitszeitverkürzung usw. zu formulieren. Damit hatte zwar das SPÖ- Establishment keine Freude, dafür zog das bei „normalen“ Menschen, die die SPÖ schon lange nicht mehr als ihre Partei sahen. Fast 10.000 sind in den ersten Wochen der SPÖ beigetreten. Endlich war da wer, der ihre Probleme und Bedürfnisse aufgegriffen hatte.

Bauchfleck statt Salto

Ein Jahr danach ist aus der „Euphorie-Welle“ nur ein „Sturm im Wasserglas“ geblieben. Babler hat viel von seiner Strahlkraft verloren, ist immer mehr zum etablierten Politiker geworden. Der Großteil derer, die von Babler mit- und auch wieder in die SPÖ gerissen wurden, haben sich wieder zurückgezogen. Anstatt sich konsequent weiter mit dem SPÖ-Establishment anzulegen, hat er sich von ihm umarmen und damit die Zähne ziehen lassen. Das Versprechen vom Wiener Bürgermeister Ludwig an Babler am Landesparteitag Wien Mitte April „Die Wiener Genossen werden bei der Nationalratswahl für dich laufen!“ ist mehr eine Drohung als ein Versprechen! Ludwig steht für eine SPÖ, wie sie auch schon vor Babler war. Er will keine linken Veränderungen und – noch wichtiger – führt den Block in der SPÖ an, der mit der ÖVP in eine Regierung will. Aber gerade eine Koalition mit der ÖVP hatte Babler ausgeschlossen, weil sich die Partei seiner Meinung nach in den letzten Jahrzehnten darin bis zur Unkenntlichkeit politisch verstümmelt hat.

Wir Arbeiter*innen sind die Expertinnen und Experten!

Kurz vor dem 1. Mai fand die Präsentation seines Programms „Mit Herz und Hirn für Österreich“ als Wahlkampfauftakt statt. Ausgearbeitet wurde es von einem 100-köpfigen „Expertenrat“ aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik. Darin ist viel von Rechten für die Menschen die Rede: Recht auf ein analoges Leben, auf ein 3%iges verzinstes Sparbuch, auf Facharzt-Termine innerhalb von 14 Tagen usw. Das klingt gut, nur wo und wie wird dieses Recht dann einzuklagen sein? In der US-Verfassung ist das Recht auf Glück verankert, in der österreichischen der Schutz vor Diskriminierung. Trotzdem erfahren viele Menschen Benachteiligungen aufgrund ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft, sexuellen Orientierung usw. Papier ist geduldig!

Das Österreich-Sparbuch zeigt sehr gut die Grenzen des SPÖ Programms. 3% garantierte Zinsen in Zeiten einer weit höheren Inflation hilft genau gar nichts. So wie die Preise und Gebühren automatisch an die Inflation angepasst werden, muss das auch bei den Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen der Fall sein. Letztlich zeigt das Programm, dass wir eben keine abgehobenen „Expertenrat“ brauchen. Wir wissen selbst am besten, was wir brauchen! Stattdessen hätte Babler besser für die neuen und alten Unterstützer*innen, für eine wirkliche Wende in der SPÖ, für eine neue Arbeiter*innen-Partei, Strukturen aufgebaut und hinter seiner Parteitagsrede von 2023 gesammelt. Deswegen steckt die SPÖ auch mit Babler nach wie vor in einer schweren politischen Krise. Damit ist die SPÖ nicht alleine, das betrifft die Sozialdemokratie international. Die Wirtschaft steckt in einer Dauerkrise, die Gesellschaft polarisiert sich immer stärker. Nach Jahrzehnten der neoliberalen Kürzungs- und später Verwaltungspolitik hat die Sozialdemokratie für den Großteil der Menschen keine nach vorne blickender Perspektive mehr zu bieten. Das Dilemma ist Weiterwurschteln wie davor oder versuchen, den Niedergang durch ein Nachäffen des rechten Populismus aufzuhalten. Da sind sie wieder, Rendi-Wagner und Doskozil!

Was jetzt?

Die Frage, die sich jenen stellt, die von dem enttäuscht sind, was seit der Wahl Bablers geschehen ist, oder besser gesagt, nicht geschehen ist, lautet: Was soll der nächste Schritt sein? Der Platz einer neuern, bzw. wiedergewonnenen Arbeiter*innen-Partei ist bei keiner dieser “Optionen”. Sie muss völlig anders sein und mit diesen “Optionen” und ihren Verfechter*innen brechen. Wenn nötig auch organisatorisch. Das passiert nicht von allein, dazu braucht es konkrete Schritte. Wer dazu nicht bereit ist, wird durch den Spagat zerrissen werden. Auch hier ist Babler kein Einzelschicksal, das haben wir schon z. B. bei Corbyn und der Labour-Party in Großbritannien und mit Abstrichen Bernie Sanders in den USA gesehen.

Handeln statt Verhandeln!

Das Arrangieren mit dem Kapitalismus und dem Establishment in der eigenen Partei, löst weder Probleme noch die Parteikrise. Ein kämpferischer Wahlkampf müsste Gewerkschafter*innen, die Parteibasis (so noch vorhanden) und die Aktivist*innen der sozialen Bewegungen um ein kämpferisches Programm zusammen bringen: für eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, für die Koppelung von Löhnen, Pensionen und Sozialleistungen an die Inflation, für gleiche Rechte von allen hier lebenden Menschen und für ein massives öffentliches Investitionsprogramm in Wohnen, Verkehr und Umwelt – Finanziert aus den Gewinnen und Vermögen der Superreichen und Konzerne. Das ist mit der derzeitigen SPÖ nicht möglich. Das ginge nur mit einer von Grund auf anderen SPÖ, mit antikapitalistischem Kurs – oder mit einer neuen Partei.