Von David Kurz, SO-Wien
Signa ist eine der größten Pleiten der jüngeren Vergangenheit in Österreich. 6,3 Mrd. beträgt alleine der Verlust von Signa Prime. Die Signapleite wird große Auswirkungen haben – in Österreich, aber auch international. Werden die Kosten dafür wieder den arbeitenden Menschen umgehängt werden, wenn der Staat einspringt?
Kapitalistische Krise
Besondere Brisanz hat der Fall aufgrund der politischen Verbindungen Benkos. Signas „Geschäftsmodell“ war es, Immobilien zu kaufen, schnell den Bilanzwert zu steigern, darauf wieder billige Kredite aufzunehmen, die nächste Immobilie zu kaufen und weitere Investoren an Land bringen. Das hat Elemente von einem Pyramidenspiel, wie viele Bereiche des heutigen Kapitalismus. Das liegt am grundlegenden Widerspruch des Kapitalismus, immer höheren Profiten nachjagen zu müssen, aber immer weniger profitable Bereiche zu finden. In Österreich und weltweit liegen ungeheure Kapitalmengen „brach“, weil sie nicht gewinnbringend oder mit zu hohem Risiko angelegt werden könnten. Darum springen viele Investoren – wie Haselsteiner – auf Projekte wie Signa auf, weil sie eine Rendite versprechen, die sie sonst nicht mehr erzielen können. Die Zunahme der Wirtschaftsbankrotte mit einem Fuß „im Kriminal“ sind daher Ausdruck des faulenden Kapitalismus. Auch in Österreich ist die Immobranche nach Jahren der hohen Profite und Spekulation an eine Decke gestoßen. Die Immoblase war Folge der Krise von 2008 und der Flucht in scheinbar sichere Anlagen. Aber mit steigenden Zinsen und der hohen Teuerung ist auch der Immosektor in der Krise. Die Signapleite steht im Zusammenhang mit der allgemeinen kapitalistischen Krise.
Kapitalismus bedeutet Korruption
Kapitalismus bedeutet Korruption. Nicht umsonst suchen alle Konzerne die Nähe zur Politik und ehemaligen Politiker/innen von Kurz, Strache, Gusenbauer bis Glawischnig. Die sitzen dort wegen ihres Einflusses und Vernetzung durch ihr Dasein als Politiker/innen. Diese Korruption ist auch keine Spezialität einer bestimmten Partei, sondern alle prokapitalistischen Parteien und Politiker/innen, sobald sie in die Nähe der Futtertröge der Macht gelangen, sind der Versuchung ausgesetzt.
Mehr Staat? Mehr Privat?
Der kapitalistische Staatssektor ist von Korruption nicht ausgenommen. Österreich hatte bis in die 1980er Jahre einen Staatsanteil von 2/3 durch die Verstaatlichte, die in der Regel wie normale kapitalistische Unternehmen geführt wurde. Vor 20 Jahren hätten die Kapitalist/innen vermutlich noch behauptet, dass es Privatisierungen braucht, um Korruption im Staatssektor zu verhindern. Es ist aber nun klar, dass auch die Staatsholdings, die oft als Privatisierungsagenturen fungieren, genauso Selbstbedienungsläden waren. Privatisierung ist also kein Rezept gegen Korruption. Genausowenig gibt es einen sauberen Kapitalismus. Wir fordern die Übernahme in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung. Aber „resistenter“ gegen Korruption würden verstaatlichte Betriebe erst durch die Loslösung aus der Kapitallogik; das geht im Rahmen des Kapitalismus nicht – und verlangt einen Bruch mit dem Kapitalismus. Was es braucht, ist eine völlige Transparenz und Offenlegung der Bücher, der an Benko und Signa ausbezahlten staatlichen Gelder (alleine Österreich und Deutschland haben an Signa Corona-Hilfen über 600 Mio Euro gezahlt), Enteignung des Privatvermögens Benkos und der Großinvestoren etc.
Echte sozialistische Gesellschaft
Wir müssen mit dem Kapitalismus brechen, wenn wir verhindern wollen, dass in die Taschen der Reichen gearbeitet wird, während bei den Beschäftigten genommen wird. Aber es gab auch in den stalinistischen Staaten wie dem Ostblock Korruption. Darum brauchen wir eine echte sozialistische Gesellschaft mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft – und echter Demokratie. Dafür ist aber Voraussetzung, dass die Ressourcen der Welt genutzt werden und es keine Mangelsituation gibt, auf deren Rücken eine privilegierte Schicht entstehen könnte, weil sie ihre Machtposition ausnützt. Funktionäre müssen demokratisch gewählt, jederzeit wähl- und absetzbar sein, rechenschaftspflichtig sowie nur einen Durchschnittslohn verdienen. Wir haben keine Garantie, dass dies gelingt. Aber wenn der Kapitalismus weltweit abgeschafft ist, ist das die beste Basis dafür.
Factbox: Geschäftsmodell Signa
Die Signa Holding GmbH (Eigenschreibweise SIGNA) ist ein österreichisches Immobilien- und Handelsunternehmen. Das Unternehmen wurde 2000 unter dem Namen Immofina von René Benko gegründet, 2006 wurde es in Signa umbenannt. René Benko (* 20. Mai 1977 in Innsbruck) ist ein österreichischer Unternehmer und Investor im Immobilien-, Handels- und Medienbereich. Nach 2 jährigen Schulungen durch den deutschen Finanzdienstleister AWD (heute Swiss Life Select) 94 bis 96 beginnt er ab 1995 mit dem Ausbau von Dachböden zu Luxuswohnungen. 1997 verkauft er Anteile des Wellnesshotels Lanserhof bei Innsbruck an den Hotelier Christian Harisch und gründet 2000 die Immofinanz. Mit der Realisierung eines Fachärztezentrums und dem Erwerb und Neubau (bis 2010) des Kaufhauses „Tyrol“ entwickelt sich aus einem Zwei-Mann-Unternehmen, das zunächst auf klassische Immobilienentwicklung ausgerichtet war, langsam ein gesamteuropäisches Immobilienunternehmen mit Bürostandorten in Österreich, Deutschland, Schweiz, Italien und Luxemburg. Im Oktober 2004 wirbt Benko um Anleger für den ersten geschlossenen Immobilienfonds „Signa:01 Property Fund“ der Immofina-Gruppe; sie wird 2006 in Signa umbenannt. Die Signa Holding ist Österreichs größtes Immobilienunternehmen und engagierte sich ab 2011 vermehrt in Deutschland und in Norditalien. Die Unternehmensgeschichte ist geprägt von zahlreichen Zukäufen, darunter die Akquisitionen der Warenhausgesellschaften Karstadt (2013/14) und Galeria Kaufhof (2018). Daneben erwarb sie im November 2018 Medienbeteiligungen an den österreichischen Tageszeitungen Kurier (24,22 Prozent) und Krone (24,5 Prozent). Die Gruppe gliedert sich in zwei Kerngeschäftsbereiche: Signa Real Estate (Immobilien) und Signa Retail (Handel), sie besteht inzwischen aus über eintausend Einzelgesellschaften mit teilweise gegenseitigen, schwer durchschaubaren Finanzverpflichtungen.
Benkos Privatvermögen wächst bis zu diesem Zeitraum auf über 4,6 Mrd. an (Forbes Liste 2019), sein beruflicher Aufstieg wurde von zahlreichen Kontroversen begleitet. 2023 geriet die Gruppe in Liquiditätsschwierigkeiten; Ende November 2023 meldete sie Insolvenz an.
Der Konzern ist in einen Immobilien und einen Handelsbereich aufgeteilt, der anfängliche Erfolg der Immofinanz gründet natürlich auf den Immobilienbereich.
Im folgenden eine Auflistung der Praktiken soweit bekannt:
1. Schmiergeld an einzelne Politiker zwecks Beeinflussung laufender Gerichtsverfahren
2. Bestechung von Gemeinden für gute Immobilienpreise
3. Aufwertung von Immobilien und entsprechende Ausschüttungen ohne dementsprechende Gewinne
4. Geldwäsche
5. Staatshilfen abcashen und als Dividenden auszahlen
6. Gemeinsam und geheim mit anderen Millionären an Parteien spenden
1*: Am 2. November 2012 wurden René Benko und sein Steuerberater Michael Passer am Landesgericht Wien wegen „versuchter verbotener Intervention“ (Schmiergeld) zu einer bedingten Haftstrafe von je zwölf Monaten verurteilt. Die Richterin stellte fest, dass Passer 2009 im Auftrag von Benko den früheren kroatischen Premierminister Ivo Sanader kontaktiert und ihm 150.000 Euro angeboten habe, um ein in Italien anhängiges Gerichtsverfahren zu ihren Gunsten zu beeinflussen.
2*: Im Jahr 2016 wurde die Genehmigung für das Einkaufszentrum Waltherpark durch eine Volksbefragung in Bozen erteilt. Im selben Jahr wurden die Ermittlungen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wegen des Bestechungsverdachts über 500.000 Euro an die Gemeinde Lech aufgrund einer Weisung der Oberstaatsanwaltschaft Wien eingestellt.
3*: Im Frühling 2021 kritisierten Bloomberg und der Westdeutsche Rundfunk regelmäßige Aufwertungen von Immobilien der Signa Holding und damit verbundene Ausschüttungen von Geldern ohne entsprechende Gewinne aus operativen Einnahmen. Benko verwies auf die Bewertung der Immobilien durch unabhängige Gutachter und die Kontrolle der Wirtschaftsprüfer.
4*: Im März 2021 berichtete die Schweizer Handelszeitung im Zuge einer Anklage wegen Geldwäsche gegen ehemalige Vorstände der Zürcher Falcon Private Bank über einen Kredit der Bank in Höhe von 25 Millionen Euro an die Familie Benko Privatstiftung. Die Falcon Private Bank war auch für einige Monate des Jahres 2016 ein wesentlicher Investor mit einer Beteiligung von über 30 Prozent an der Signa Holding.
5*: Der Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) stellte im Jänner 2022 weitere 220 Millionen Euro Staatshilfe in Form einer stillen Einlage der Signa-Retail-Tochter Galeria Karstadt Kaufhof zur Verfügung. Wirtschaftswoche und Spiegel sprachen in diesem Zusammenhang von einer Kapitulation der deutschen Bundesregierung gegenüber Benko. Damit bekam Signa knapp 700 Millionen Euro an Staatshilfe (Stand Juli 2022). In weiterer Folge wurde im Februar 2022 durch einen Bericht im Focus bekannt, dass fast zeitgleich mit Erhalt der letzten Tranche der WSF-Staatshilfe die Signa-Eigentümer, unter anderen die Familie Benko Privatstiftung, sich über die luxemburgische Tochtergesellschaft Galeria Properties 450 Millionen Euro als Dividende ausschütten ließen.
6*: Im März 2022 berichtete das Nachrichtenmagazin Der Spiegel über eine geheime Spenderliste, die Geldflüsse des Südtiroler Rechtsanwalts, Benko-Beraters und Stiftungsvorstands der Benko zugerechneten Laura Privatstiftung Heinz Peter Hager an die Regierungspartei SVP in Südtirol dokumentiert. Neben Hager spendete auch der Benko-Investor und Strabag-Großaktionär Hans Peter Haselsteiner 20.000 Euro an die konservative Südtiroler Volkspartei. Hager bestätigte gegenüber dem Spiegel die Zahlungen, Benko dementierte, davon Kenntnis gehabt zu haben.
Weitere Fälle:
Ebenso im November 2021 brachten Focus, Tagesanzeiger und Der Standard Berichte über Verbindungen der Signa Retail zum Wiener Sicherheitsunternehmen DSIRF, das über intensive Verbindungen nach Russland verfügt. Signa bestätigte auf Anfrage die Zusammenarbeit. DSIRF hatte laut Netzpolitik.org einen Staatstrojaner namens Subzero entwickelt. Im Dezember 2021 berichtete die Wirtschaftswoche über versteckte Geldgeber der Signa Holding. Dazu zählt unter anderem die italienisch-brasilianische Familie Arduini.
