2024 wird ein sogenanntes “Superwahljahr” – diverse Lokalwahlen, die EU-Wahlen im Juni und dann Nationalratswahlen im September. Viele Menschen sorgen sich ob der hohen Umfragewerte der FPÖ. Wenn die FPÖ bei der Nationalratswahl erste wird, kann das bedeuten, dass es nicht nur eine dritte Regierungsbeteiligung der FPÖ gibt, sondern dass die FPÖ mit Kickl sogar den Kanzler stellen könnte. Das macht berechtigterweise vielen Menschen Sorgen. Aber auch Teile der Wirtschaft, der Medien und der etablierten Parteien sind ob dieses Szenarios besorgt, denn die FPÖ ist ein gewisser Unsicherheitsfaktor für sie in verschiedenen Fragen – in Punkto Haltung zu Russland, die Politik, die die FPÖ in Punkto Corona befürwortet hatte etc.
Aus den Erfahrungen mit den letzten beiden Regierungsbeteiligungen der FPÖ wissen wir, dass die FPÖ letztlich Erfüllungsgehilfe für die Wünsche von Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und Co. ist, und neoliberale Politik wie die Pensionskürzungen 2003 und den 12-Stundentag umsetzt. Es ist möglich, dass die Kapitalist/innen sich eine Kanzlerschaft der FPÖ wieder in Form von Projekten, die die ÖVP mit den Grünen nicht umsetzen konnte – wie z.B. der Kürzung des Arbeitslosengeldes – abkaufen lässt. Die Frage, was die Gewerkschaften tun, wird daher umso wichtiger – sie müssen sich auf ein solches Szenario vorbereiten und Kampfpläne in der Schublade haben.
Die Gründe für das Hoch der FPÖ kennen wir: Die Schwarz-Grüne Bundesregierung taumelt von einer Krise zur nächsten: Corona, Energie, Teuerung, Signa etc. Jahrelang wurde in Österreich neoliberale Kürzungspolitik umgesetzt und zwar sowohl von großen Koalitionen wie auch schwarzblau I + II. Seit der Pandemie wurden ungeheuerliche Summen in die Wirtschaft gepumpt. Die FPÖ nutzt hier, wie andere rechtspopulistische Parteien international, verschiedene Themen aus, den wachsenden Unmut über den Ukrainekrieg, die Wut über die Impfpflicht in den Coronajahren, das Gefühl dass die Sorgen der Bevölkerung weniger ernst genommen werden als geschlechtergerechte Sprache.
Die hohe Inflation hat auch den Druck auf die Gewerkschaften erhöht. Es ist in den letzen beiden Jahren verstärkt zu Warnstreiks und Streiks gekommen. Dennoch haben die Abschlüsse bei weitem nicht gereicht, um der Arbeiter/innenklasse eine Atempause zu verschaffen. Trotz Arbeit und Lohn geht bei vielen das Geld vor dem Monat zu Ende. Die im europäischen Vergleich hohen Lohnabschlüsse bringen wiederum die Unternehmen in die Zwickmühle. Dennoch steht ihnen heute eine selbstbewusstere Arbeiter/innenklasse gegenüber als in den letzten 20 Jahren – nicht zuletzt der Personalmangel aber auch die zaghaften ersten Kampferfahrungen in den letzten beiden Jahren haben dieses gestärkt. Das drückt sich auch darin aus dass wir heute keinen reinen Rechtsruck, sondern eine Polarisierung nach links (Babler, lokale Wahlerfolge der KP) und rechts beobachten können. Eine neue Regierung wird auf die multiplen Krisen des Kapitalismus eine Antwort geben müssen. Sie wird daher sehr instabil sein, egal welche Farbe sie trägt. Im Moment sieht es so aus, als ob weder blauschwarz noch schwarzrot eine Mehrheit haben. Eine der wenigen “Optionen” ist Scharzrotpink – aber die ÖVP könnte Bablers Abgang als Voraussetzung einer Koalition verlangen – oder einen Kniefall Bablers vor der Wirtschaft.
Wenn die FPÖ die Wahl gewinnt und es eine Mehrheit für FPÖ und ÖVP gibt, wird auch der Widerstand der Kapitalist/innen eine solche kaum verhindern können. Überlegungen wie All-Parteien-Koalitionen gegen die FPÖ werden höchstens zu einer noch größeren Mehrheit der FPÖ führen, weil damit der FPÖ vollständig die Oppositionsrolle überlassen wird. Das sieht man an den Beispielen Italien und Israel, wo genau das geschehen ist. Aber auch eine FPÖ-geführte Regierung wird Antworten auf die multiplen Krisen des Kapitalismus geben müssen und kann sich rasch mit Protesten, Streiks und Demonstrationen konfrontiert sehen. Es ist möglich, dass die ÖVP verlangt, dass Haimbuchner statt Kickl in eine FPÖ-geführte Regierung geht, allerdings ist offen, ob Kickl sich darauf einlässt. Noch haben sich Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung und ÖVP nicht festgelegt, noch zu tief sitzen die Erinnerungen an die letzte Koalition. Sie könnten, wie in anderen Ländern, die Kontrolle über die Ereignisse und den Staatsapparat verlieren.
Was also tun? Die Gewerkschaften müssen sich auf die Angriffe durch eine neue Regierung vorbereiten und auf den Streiks und Kämpfen der letzten beiden Jahre aufbauen. Aber letztlich sehen wir auch in Österreich, wie international, eine Polarisierung der Gesellschaft als Reaktion auf die multiplen Krisen. Der Kapitalismus kann die Probleme, die er schafft, nicht mehr lösen, sondern nur noch verschieben. Nur die organisierte Arbeiter/innenbewegung kann einen Weg aus den diversen Spaltungen, die in der Gesellschaft herrschen, und aus der tiefen Krise des Kapitalismus aufzeigen. Dafür braucht sie einen organisierten Ausdruck in Form einer eigenen Partei und ein sozialistisches Programm, das mit dem Kapitalismus bricht.
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