Die Verhandlungen im Handel am 15.12. wurden ergebnislos abgebrochen, die Arbeitgeber hatten kein neues Angebot gelegt. Das ist ein Beispiel dafür, welche Tricks die Arbeitgeber bereit sind, anzuwenden: Scheinverhandlungen, um Streiks am darauf folgenden Einkaufssamstag abzuwenden. Die GPA Führung hatte im Vorfeld zwar lokale begrenzte Warnstreiks abgehalten, aber Streiks und Großaktionen abgesagt. Das schwächt die Verhandlungsmacht der Beschäftigten weiter, da ein Bestreiken der Einkaufssamstage eine der stärksten Druckmittel im Handel ist und nun nur noch ein Einkaufssamstag vor Weihnachten übrig ist. Auch die Hoffnung der Gewerkschaftsführung, dass es reicht, die Hose möglichst weit runter zu lassen (Stichwort Öffnungsklausel), hat sich nicht erfüllt und als Fehler herausgestellt.
Streikaktionen dürfen vor Verhandlungen nicht abgesagt werden, sondern die Planung sollte parallel weitergehen, um im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen bereit zu sein. Dass das möglich ist, zeigen die 24-Stunden-Streiks im Metallsektor, die im Anschluss an gescheiterte Verhandlungen abgehalten wurden. Es handelt sich um einen Klassenkampf, die Arbeitgeber sind bereit, alle Tricks einzusetzen: Scheinverhandlungen, Teile und Herrsche, Druck auf die Beschäftigten und Angriffe auf das Streikrecht. Sich darauf vorzubereiten und diese Tricks nicht hinzunehmen, bedeutet, dass man aus den Erfahrungen lernt.
Die Belegschaft des Thalia in der Shopping City Süd war vorbereitet und hat am Samstag dem 16.12.23 einen Warnstreik durchgeführt. Sie hat dadurch nicht an Unterstützung durch die Bevölkerung eingebüßt, im Gegenteil. Im Handel sind 400.000 Menschen beschäftigt, der Abschluss hat Ausstrahlung, die Beschäftigten genießen breite Unterstützung durch die Menschen.
Es muss die verbleibende Zeit nun genutzt werden – es müssen in der letzten Weihnachtswoche tatsächlich Streiks abgehalten werden, die eine Auswirkung haben. Es muss demokratische Entscheidungen in den Betrieben geben, wo und wie gestreikt wird, über die Annahme von Verhandlungsergebnissen und ob Aktionen mit anderen Branchen gemeinsam gesetzt werden können. Wenn die Arbeitgeber bis Weihnachten kein Angebot vorlegen, dass Reallohnsteigerungen beinhaltet, sollten Streikaktionen in der Ausverkaufszeit im Jänner geplant werden.
Die Frage dieser demokratischen Entscheidung ist auch wichtig für Branchen wie den Telekom-Sektor, wo es Abschlüsse gegeben hat, die weit hinter den Abschlüssen in anderen Branchen zurück bleiben (Metall, öffentlicher Dienst,…). All die Dinge, gegen die die Gewerkschaftsführung sich im Vorfeld ausgesprochen hat, kamen dabei zur Anwendung: ein zweijähriger Abschluss und Einmalzahlungen im ersten Jahr. Bei A1 wurde sogar über die Köpfe der Belegschaft hinweg ein Abschluss angenommen, trotz Einmalzahlung und mehrjährigem Abschluss. Und das obwohl im Jahr davor ein Warnstreik stattgefunden hat. Auch die Kolleg/innen dort haben eine Reallohnerhöhung verdient!
All das zeigt, dass es nötig ist, sich zu organisieren, um sicherzustellen, dass es demokratische Entscheidungen über die genannten Fragen geben kann. Wir brauchen kämpferische und demokratische Gewerkschaften, die sich nicht über den Tisch ziehen lassen, die nicht in vorauseilendem Gehorsam Streiks absagen oder Öffnungsklauseln akzeptieren. In anderen Ländern gibt es bereits Versuche einer Vernetzung in diese Richtung. In Britannien gibt es “Broad Left”-Netzwerke in den Gewerkschaften, die zum Teil die Wahl von kämpferischen Vorsitzenden einzelner Gewerkschaften vor dem Hintergrund der Streikwelle der letzten beiden Jahre erreichen konnten. In Deutschland gibt es Ansätze durch die Vernetzung für kämpferische und demokratische Gewerkschaften (VKG, https://vernetzung.org/) und die Vernetzung für eine kämpferische und demokratische Verdi ( https://netzwerk-verdi.de/ ).
Dass Streiks die Arbeitgeber in die Knie zwingen können, haben die Streiks im Metallsektor gezeigt. Dort wurden 24-Stunden-Streiks abgehalten und die Arbeitgeber schließlich zu Lohnerhöhungen von 10% gezwungen. Aber auch dieser Abschluss hat Schönheitsfehler – es gibt einen Deckel von 400 Euro und eine Öffnungsklausel für “Härtefälle”. Es besteht die Gefahr, dass diese Klausel von den Arbeitgebern benutzt werden, um den KV zu öffnen. Die Gewerkschaft bzw. der Betriebsrat muss zwar zustimmen, aber wir wissen, welche Tricks die Arbeitgeber bereit sind einzusetzen. Statt die Erhöhungen zu deckeln, hätten Sockelbeträge (z.B. 400 für alle) die Gap zwischen den oberen und unteren Lohnstufen verkleinern können.
Die Öffnungsklauseln sind Zeugnis davon, dass die Gewerkschaftsführung keine Antwort auf die wirtschaftliche Krise, auf die Krise des Kapitalismus hat. Die Rezession hat Auswirkungen, gerade im Handel werden Filialen geschlossen. Die Antwort darauf muss eine Verteidigung von Filialen und Jobs sein – besonders wenn jetzt erste Erfahrungen mit Arbeitskämpfen gemacht wurden. Die großen Ketten haben Unmengen an Profiten gemacht und wollen diese Profite schützen. Aber die Krise darf nicht auf dem Rücken von Arbeitnehmer/innen ausgetragen werden. Der Kapitalismus hat mit multiplen Krisen zu kämpfen. Er kann die Probleme, die er schafft, nicht mehr lösen, sondern nur noch verschieben. Wir brauchen eine sozialistische Gesellschaft mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft, in der die Schlüsselunternehmen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung überführt sind, um tatsächlich Antworten darauf zu geben und Jobs, Löhne und Lebensstandards abzusichern.
“Ich bin ja kein Kollegenschwein”: Bericht vom Streik bei Bosch und Emco in Hallein
Die Sozialistische Offensive hat am 23.11. die streikenden Kolleg/innen von Bosch und Emco in Hallein besucht. Aufgrund unserer Solidaritätsbekundung werden wir in die Halle, dem “Ziegelstadl” in Hallein, in der die Streikversammlung der beiden Unternehmen stattfindet, eingeladen. Gemeinsame Streikversammlungen sind ein bedeutendes Feature in den diesjährigen Streiks – die Kolleg/innen der Aufzugsbranche in Wien haben sich z.B. in einem Kino für die Streikversammlung zusammengefunden.
Am Vormittag waren die beiden streikenden Belegschaften von Bosch und Emco in einem Demonstrationszug durch Hallein marschiert.
98% der Arbeiter/innen beteiligen sich am Streik, erzählt uns einer der Betriebsräte von Bosch. Während bei den Angestellten die Beteiligung niedriger ist, weil die Geschäftsführung ihnen freigestellt hat, an diesem Tag im Homeoffice zu arbeiten, haben sich dennoch auch angestellte Kolleg/innen am Streik beteiligt. Die Arbeitgeber haben laut Betriebsrat beide Gruppen gegen sich aufgebracht – die Arbeiter/innen mit der Drohung, die Überstundenzuschläge zu kürzen und die Angestellten mit Kürzungen des Reisekostenzuschlags. Ein Kollege meint, der Vorgesetzte habe ihn noch versucht, vom Streiken abzubringen. Aber gar keine Frage – “Ich bin ja kein Kollegenschwein”. Die hohe Beteiligung wie bei Bosch und Emco dürfte in den gut organisierten großen Betrieben nicht ungewöhnlich sein – anders ist dies wohl in kleineren Betrieben, die diesmal auch streiken. Dort gibt es schon Ängste um die Arbeitsplätze.
Die Werkleitung von Bosch habe versucht, die Lehrlinge an der Teilnahme an der Streikversammlung zu hindern mit dem Argument, das Unternehmen habe eine Fürsorgepflicht. Der Betriebsrat habe dann aber die Teilnahme der Lehrlinge durchgesetzt, mit der Drohung an die Medien zu gehen.
1,5 Millionen verliere Bosch durch den Streik in Hallein. Wie sie denken, dass es weitergeht, will ich wissen. Einer der Betriebsräte rechnet damit, dass es zu keiner Einigung kommt und weiter gestreikt werden muss. Der nächste Eskalationsschritt ist noch nicht klar, aber ein möglicher Schritt ist ein unbefristeter Streik. Die Kolleg/innen wirken entschlossen. Wie lange gestreikt werden müsse? Das sei nicht so klar. Es besteht die Hoffnung, dass die Arbeitgeber nach ein paar Tagen nachgeben.
Wir sprechen über die Kämpfe in anderen Branchen, die auch anstehen. Das Wort Generalstreik fällt von mehreren Seiten. Nach den Verhandlungen am 30.11. sei man genau gleich auf mit dem Handel in Bezug auf die Verhandlungen – gleichzeitige Streiks von Metall und Handel seien im Bereich des möglichen und werden als nötig gesehen.
Die Kluft zwischen Arm und Reich sei stark aufgegangen, sagen zwei Kolleg/innen, und die Bosch-Familie mache genug Geld. Gleichzeitig entwickle sich eine Situation, wo man mit Vollzeitjobs auch nicht mehr über die Runden kommt – auch wenn der Metallsektor noch zu den besser bezahlten Branchen zählt. Das Bewusstsein, dass man auch die Verantwortung für schwächer organisierte Branchen hat und für sie mitkämpft, ist hoch.
Wenn man mit den Pro-Ge und GPA Funktionären spricht, die auch anwesend sind, bekommt man zu hören, dass man streikt, um die Sozialpartnerschaft zu verteidigen. Aber Arbeitgeber und Arbeitnehmer/innen haben gegensätzliche Interessen – entweder machen die Arbeitgeber aufgrund des Drucks Zugeständnisse oder die Gewerkschaftsführung lässt sich auf Reallohnverluste ein.
Alles in allem war bei dieser Streikversammlung die Kampfbereitschaft der beiden Belegschaften stark spürbar. Sie ist ein Vorbote für sich verstärkende Kämpfe – auch im “streikfaulen” Österreich.
