Aufgrund des Sieg von Andreas Babler im Rennen um den SPÖ Vorsitz sowie aufgrund der Wahlerfolge der KPÖ bemühen sich im Moment die Medien und die ÖVP marxistische Ideen zu diskreditieren. Das ist Ausdruck ihrer Angst davor dass die Menschen in der Suche nach Alternativen und Antworten auf die multiplen Krisen des Kapitalismus über die Ideen von Karl Marx stolpern. Während in den 90er Jahren nach dem Zusammenbruch des Stalinismus eine Welle an kapitalistischer Propaganda über die Menschen geschwappt ist, die im Grunde besagte, dass der Kapitalismus das beste aller Systeme ist, wächst nun eine junge Generation heran, die nach dem Zusammenbruch des Stalinismus geboren wurde und für die marxistische Ideen und auch die kapitalistische Propaganda dagegen neu sind. Daher wird nun versucht, die Idee, dass Marxismus automatisch zu stalinistischer Diktatur führt, wieder zu zementieren. Die stalinistischen Staaten hatten zwar eine geplante Wirtschaft, allerdings waren es Diktaturen einer bürokratischen Elite. Nach der Wiedereinführung des Kapitalismus im ehemaligen Ostblock nach 1989 wurde diese bürokratische Elite zum Teil selbst zu Kapitalist/innen (wie z.B. Putin). Im Unterschied zu diesen Diskreditierungsversuchen sind sozialistische Demokratien auf internationaler Ebene aber möglich, die sogar noch viel demokratischer sind als es der Kapitalismus je sein könnte.
Marxistische Ideen als Bedrohung für die Kapitalist/innen
Während die ÖVP darauf pocht, alle Straßennamen und Namen von Gemeindebauten umzubenennen die die Namen von Marx und Engels beinhalten, versuchen Medien wie der Standard, aber auch bürgerliche Expert/innen wie Pelinka, die Marxismusdebatte in eine systemverträglichere Richtung zu lenken: Der “bessere” (weil wohl für den Kapitalismus ungefährlichere) Marxismus sei der Austromarxismus. Diesen stellen diese kapitalistischen Vertreter/innen der Marxismuskonzeption Lenins gegenüber, die ihnen zufolge automatisch zu stalinistischer Diktatur führe. In der SJ war der Austromarxismus lange ein Bezugspunkt, und auf der Linken gibt es ein gewisses Revival der Ideen Kautskys nach 1914. Viele Menschen verbinden den Austromarxismus positiv mit dem Roten Wien und den Gemeindebauten der 20er Jahre. Diese sind tatsächlich eine Errungenschaft, aber sie waren nur ein Nebenprodukt der revolutionären Situation von 1918/19 in Österreich, als der Kapitalismus auf der Kippe stand und sich wie in Russland und auch anderen europäischen Ländern wie Deutschland und Ungarn Räte gebildet hatten. Anders als heute war die Sozialdemokratie damals eine Massenpartei, eine der mächtigsten sozialdemokratischen Parteien im internationalen Vergleich. Warum konnte sich dennoch der Kapitalismus durchsetzen?
Trennung in „Minimalprogramm“ und „Maximalprogramm“
Dass die Medien und die bürgerlichen Expert/innen den Austromarxismus dem Marxismus Lenins vorziehen sagt bereits sehr viel aus: Der Austromarxismus ist für den Kapitalismus nicht bedrohlich, im Unterschied zum Marxismus der Bolschewiki, die 1917 der russischen Revolution zum Sieg über den Kapitalismus verhalfen. Im Gegensatz dazu zeichneten sich die Austromarxist/innen dadurch aus, dass sie radikale Sonntagsreden über den Sozialismus hielten und in ihrer täglichen Praxis die revolutionäre Rätebewegung von 1918/19 in parlamentarische Bahnen lenkten und so dem Kapitalismus das Leben retteten. Sie machten eine Trennung in “Minimalprogramm” (tägliche Forderungen) und “Maximalprogramm” (Sozialismus). Das Maximalprogramm wurde dabei immer weiter in die Zukunft verschoben und die beiden wurden nicht miteinander verbunden. Die Bolschewiki dagegen verbanden die täglichen Forderungen (“Land, Friede, Brot”) sehr wohl mit der Frage des Sturzes des Kapitalismus und der Errichtung einer sozialistischen Gesellschaft (“Alle Macht den Räten”). Wenn die Revolution in Österreich und Deutschland erfolgreich gewesen wäre, dann wäre es wohl weder zu Faschismus noch Stalinismus gekommen, dadurch die russische Revolution nicht isoliert geblieben wäre, sondern auch der Reichtum der europäischen Industriestaaten für den Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft genutzt werden hätte können und es so weniger Basis für die Etablierung einer stalinistischen Bürokratie gegeben hätte.
Zurückweichende Politik
Austromarxist/innen wie Otto Bauer gaben offen zu, dass sie gegen eine Revolution waren. Leo Trotzki berichtet in “Mein Leben” dass die Austromarxist/innen gelehrte Marxist/innen waren die einander “wonnevoll mit ‘Herr Doktor’ titulierten” und die fähig waren im Rahmen der politischen Routine marxistische Aufsätze zu schreiben. Aber in den entscheidenden Momenten wichen sie zurück. 1918/19 lenkten sie die Räte in parlamentarische Bahnen und verhinderten den Bruch mit dem Kapitalismus. In den Jahren danach versuchte die Reaktion, die erkämpften Errungenschaften wieder zurückzudrängen, es kam zu mehreren Krisen wie 1927 beim Justizpalastbrand, in denen die Austromarxist/innen mäßigend auf die Massen einwirkten. Die Austromarxist/innen waren durch ihre immer wieder zurückweichende Politik für die Machtergreifung des Austrofaschismus 1934 verantwortlich.
Marxismus nur eine Brille?
Marxismus ist eine Analysemethode, aber vielmehr muss er eine Anleitung zum Handeln sein. Es reicht nicht, dass Marxismus, wie Babler meint, “eine Brille ist, um auf die Welt zu schauen”. Ein Marxismus, mit dem der Kapitalismus gut leben kann, ist das Papier nicht wert, auf dem er steht. Die Debatte über Marxismus kann aber dazu führen, dass eine neue Generation sich mit den Ideen von Marx und Engels auseinandersetzt. Und das ist für den Kapitalismus tatsächlich bedrohlich.
Zum Weiterlesen:
Artikelreihe „Was ist Marxismus“
Februar 1934: Wie hätte der Faschismus verhindert werden können?
