Vor welchen Aufgaben die Linke in Österreich jetzt steht

Multiple Krise des Kapitalismus, Instabilität und Zunahme von Geschwindigkeit der Ereignisse

Polarisierung, Instabilität und die Geschwindigkeit von Entwicklungen nehmen unter dem Eindruck der multiplen internationalen Krise des Kapitalismus zu.  Klimakrise, Krieg, Inflation, Energiekrise, Bankenkrise, Fachkräftemangel aufgrund des demographischen Wandels – der Kapitalismus kann die Probleme, die er zum Teil selbst schafft, nicht mehr lösen. Er kann sie höchstens verschieben. Mit jedem scheinbar gelösten Problem entstehen zwei neue. Und durch die instabile internationale und wirtschaftliche Lage können ständig neue Schocks dazu kommen. 

So bedeuten z.B. die sich verschärfenden Spannungen zwischen den Nationalstaaten auf internationaler Ebene, dass auch Österreich unter Druck gerät. Einerseits wächst der Druck von Seiten der NATO, dass die wirtschaftlichen Beziehungen zu Russland zurückgefahren werden sollen, andererseits haben nicht wenige Firmen ihr Russlandgeschäft trotz dieses Drucks aufrechterhalten.  Das betrifft z.B. die RBI, aber auch Unternehmen wie jene Siegfried Wolfs. Aber auch die Exporte Österreichs nach Russland gingen seit Kriegsbeginn nur um 8% zurück, während sie EU-weit um 38% einbrachen. Gleichzeitig ist Österreich immer noch stark von russischem Gas abhängig. 

Die Polarisierung, Instabilität und gesteigerte Geschwindigkeit betreffen jedenfalls nicht nur internationale Ereignisse, die in Österreich beobachtet werden bzw. auch Auswirkungen hierzulande haben, sondern auch die politische Situation selbst in Österreich. Die SPÖ lag im Sommer 2022 noch bei knapp unter 30%, nun ist sie sogar hinter die krisengebeutelte ÖVP zurück gefallen – obwohl sie eigentlich vom Thema Inflation profitieren hätte müssen. 

Während die Wahlen in Tirol und die Bundespräsidentenwahlen noch nicht unmittelbare Auswirkungen auf Bundesebene hatten, haben die Wahlen in Niederösterreich,  Kärnten und Salzburg die Tiefe der Krise von SPÖ und ÖVP offengelegt. Nach diesen drei Wahlen sind sowohl ÖVP post Kurz wie auch SPÖ sind in tiefer Krise. Der Erfolg der KPÖ Plus Salzburg, der scheinbar aus dem Nichts kam, hat dagegen bei der Wahl in Salzburg gezeigt, dass es auch in den Bundesländern abseits der Steiermark durchaus Raum für eine Linke links von SPÖ und Grünen gibt. Die Neos sind bei der Salzburg Wahl aus dem Landtag geflogen.

Die Rede Nehammers Anfang März, die Koalition von ÖVP und FPÖ in NÖ sowie die SPÖ-Führungsdebatte sind Ausdruck dieser Krise. Die Risse gehen aber quer durch alle Parteien, keine ist davor gefeit, wenn dies auch bei der FPÖ derzeit durch deren Erfolg verdeckt ist. Darunter liegen die tiefe multiple kapitalistische Krise und die damit einhergehende Polarisierung. 

Diese Krise bedeutet auch, dass es ein steigendes Hinterfragen der Art und Weise gibt, wie die Gesellschaft funktioniert, nicht nur, aber besonders unter Jugendlichen. Die Suche nach Alternativen und Auswegen aus der Krise verstärkt sich. Dazu kommt ein Gefühl “dass die da oben ja eh alle korrupt sind”, eine Fortsetzung der Entfremdung von den etablierten Parteien und Vertiefung der Antiestablishmentstimmung. Während sich unter Senior/innen Doppelselbstmorde aufgrund der Pflegemisere häufen, leiden Jugendliche verstärkt unter psychischen Problemen, nicht zuletzt in Folge der Pandemie. Das wird verstärkt durch eine tiefe Krise von Gesundheits-, Sozial- und Bildungssystem. Pflegekräfte sind am Ende, es häufen sich Berichte von desaströsen Zuständen in den Spitälern.

Wir befinden uns seit der Nehammer-Rede im Vorwahlkampf, die Spannungen zwischen ÖVP und Grünen nehmen immer mehr zu, auch wenn es wahrscheinlich erst 2024 zu Wahlen kommt. Die ÖVP hat bereits Plakatkampagnen am Laufen, die Grünen geben in Wortmeldungen zu erkennen, dass sie für eine Ampelkoalition zu haben wären. Spannend ist dass die Korruptionsskandale der ÖVP ihr nicht mehr wirklich schaden, zumindest bei ihrer Wähler/innenschaft, auch wenn von der WkSta regelmäßig neue Häppchen veröffentlicht werden, wie aktuell über die türkise ÖVP und Eva Dichand. Am ehesten schadet dies den Medien, die immer mehr als korrupt wahrgenommen werden. Die ÖVP hält sich im Moment sogar vor der krisengeplagten SPÖ. Die Spannungen in der ÖVP könnten aber dazu führen, dass die Wahlen vom Herbst 2024 auf Frühjahr 2024 vorverlegt werden, damit diese vor den Europa-Wahlen stattfinden. Die ÖVP hofft damit einer Polarisierung um Othmar Karas, der für einen liberaleren Migrationskurs steht, vor einer Nationalratswahl zu entgehen. 

Erfolg der KPÖ Plus Salzburg und Rolle der Jungen Linken

Wir haben 2022 zwar eine Zunahme von Klassenkämpfen im Zuge der Lohnrunden gesehen, aber diese haben (abgesehen von der Tatsache dass die KPÖ Graz nun die Bürgermeiterin in Graz stellt) sich erst mit Verzögerung auf der Wahlebene ausgedrückt: Nämlich im guten Abschneiden der KPÖ Plus Salzburg bei den Landtagswahlen in Salzburg – sie hat mit mehr als 11% den Einzug in den Landtag geschafft (von einer Ausgangslage von 0,4% bei den Landtagswahlen 2018). In der Stadt Salzburg landete die KPÖ Plus sogar mit mehr als 21% vor der FPÖ auf dem zweiten Platz, was in einer traditionell konservativen Stadt wie Salzburg bemerkenswert ist. Es zeigt jedoch, wie zugespitzt die Krise der Lebenshaltungskosten generell, aber speziell in Salzburg mit seinen hohen Mieten, mittlerweile ist. 

ÖVP, Grüne und Neos wurden für die Koalition in Salzburg abgestraft, Grüne und ÖVP aber auch für die Anhebung der Richtwertmieten. Dass die KP Plus in Umfragen bei 6% und damit über der Hürde für den Einzug lag, hat dazu geführt, dass sich viele last Minute noch für die KP Plus entschieden. Laut Wählerstromanalyse hat die KPÖ Plus bisherige Nichtwähler/innen mobilisiert, aber durch die Bank von allen anderen Parteien gewonnen. Das gute Abschneiden der KP Plus hat nun die Karten auch bundesweit neu gemischt und könnte die ganze gesellschaftliche Debatte nach links drücken – und auch Auswirkungen auf die SPÖ-Führungsdebatte haben. Während Graz noch als lokaler Sonderfall abgetan werden konnte, ist dies nun tatsächlich eine neue Situation. 

Der Grund für das gute Abschneiden ist aber nicht zuletzt, dass die KP Salzburg sich am “Grazer Modell” orientiert und konsequent um die Frage Mieten/Wohnen Kampagne macht, vor allem unter dem Einfluss der Jungen Linken, die hier eine positive Rolle spielt und frischen Wind in die alte KPÖ gebracht hat.

Positive Elemente des “Grazer Modells”, die die KPÖ Plus Salzburg übernommen hat, sind die Kampagnentätigkeit der KP Graz und das Thema Wohnen und die Tatsache, dass ihre Vertreter/innen nur einen Durchschnittslohn akzeptieren und den Rest spenden. Damit ist ihnen durch konsequente Arbeit gelungen, das Vertrauen einer Schicht zu gewinnen. Gleichzeitig muss man sich der Schwächen des Grazer Modells bewusst sein: Die KPÖ Graz akzeptiert die Logik des Kapitalismus und befindet sich in einer Koalition mit den prokapitalistischen Parteien SPÖ und Grüne. Das bedeutet, dass sie angesichts der Budgetkrise auch bereit waren, Pensionierungen nicht nachzubesetzen, was letztlich eine Form des Sparkurses ist, wenn sie auch z.B. die Mieten und Gebühren weit weniger stark angehoben haben als z.B. die Stadt Wien. 

Gleichzeitig haben die Junge Linke und KPÖ Plus Salzburg doch zu bestimmten Fragen einen anderen Zugang als die KPÖ Graz/Steiermark. So stellt die Junge Linke durchaus den positiven Anspruch, eine neue Linke Partei bundesweit über die KP hinaus aufbauen zu wollen. KPÖ Plus Salzburg Spitzenkandidat (und führendes Junge Linke Mitglied) Kay-Michael Dankl stellt im Ö24 Interview korrekterweise auch den Anspruch, über Kampagnen Druck aufbauen zu wollen (er vermeidet allerdings das Wort “erkämpfen”) um Verbesserungen umzusetzen und  Koalitionen mit den etablierten Parteien eine Absage erteilt. 

Aber die KP Plus sollte sich vielmehr auch klar von Koalitionen mit prokapitalistischen Parteien abgrenzen. Sonst könnte auch die KPÖ Plus – z.B. auf Bundesebene – irgendwann in die Situation gelangen, wo der Druck in eine prokapitalistische Koalition (wie z.B. die KPÖ in Graz) aus Gründen des kleineren Übels – um z.B. eine FPÖ in der Regierung zu verhindern –  überwältigend ist, und die KPÖ Plus dem nichts entgegenzusetzen hätte. Wenn eine solche Situation eintritt, sollten sie, wenn schon, nur auf der Basis von einzelnen Maßnahmen eine Koalition aus der Opposition heraus stützen. Das würde bedeuten, jede Maßnahme einzeln abzuwägen, aber die Unterstützung sollte nicht unkritisch sein. Es sollte dabei möglich sein, sich zu einem bestimmten Zeitpunkt gegen die Fortsetzung einer solchen Unterstützung auszusprechen. Das würde eine Unabhängigkeit bewahren.

Dankl weicht im Ö24 Interview der Frage aus, welche Regierung es braucht, und die KPÖ Plus Salzburg ist wie die KPÖ Graz sehr darauf bedacht, ja nicht anzuecken. Auch der Frage von Rassismus geht Dankl eher aus dem Weg, auf die Frage ob die FPÖ Spitzenkandidatin eine nette junge Frau oder “ein Nazi” ist, meint Dankl sie habe gute rhetorische Schulung, aber die FPÖ könne ihre Wahlversprechen nicht halten. Er erklärt aber nicht, wie die FPÖ den bestehenden Unmut missbraucht um mit Rassismus zu spalten und Scheinantworten zu geben und sagt auch nicht, wie man Rassismus bekämpfen muss – nämlich mit Einheit im Kampf für mehr Ressourcen und gleiche Rechte für alle hier lebenden Menschen. 

Wie in Graz finden sich im Programm zwar Forderungen, wie z.B. die Salzburg AG in eine Gesellschaft in Öffentlichem Eigentum umzuwandeln (was die Grazer KP in Bezug auf die Graz Holding bereits verabsäumt hat) oder der Ausbau des öffentlichen Verkehrs und des öffentlichen Wohnbaus. Aber auch die KPÖ Plus Salzburg verbindet nicht die Verbesserungen, die sie fordert, mit der generellen Notwendigkeit, mit dem Kapitalismus zu brechen, wenn Reformen von Dauer sein sollen. Auch wenn die KPÖ Plus Salzburg auf “Druck von unten aufbauen” setzt, tut sie das eher in Form von Kampagnen und Stellvertretungspolitik, als in Form eines Aufbaus einer echten Bewegung. 

Obwohl auch die Junge Linke und die KPÖ Plus Salzburg “Kommunismus” in Worten im Programm hat, nutzt Dankl nicht die Gelegenheit zu erklären, wie echter Sozialismus in Abgrenzung zum Stalinismus wirklich aussehen könnte. Dh. dass der Stalinismus zwar eine geplante Wirtschaft hatte, aber diese durch ein bürokratisches Regime verzerrt war und wie eine demokratisch geplante Wirtschaft aussehen könnte. Die bürgerlichen Medien (konkret z.B. das Profil) wenden also nicht zu Unrecht ein, dass die KP Salzburg sich eher als “Bürgerservice” denn als kommunistische Partei präsentiert. Aber was es braucht, sind eine Kampfpartei und eine Bewegung für eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft. Denn angesichts der Ausweglosigkeit der multiplen Krisen des Kapitalismus, sind die Probleme innerhalb des Kapitalismus nicht mehr lösbar. Dankl gibt sich im Interview mit der ZIB2 am 24.4. auf den “Kommunismus” im Namen angesprochen zwar kapitalismuskritisch, aber nur “dort wo es um Grundbedürfnisse geht”. Er distanziert sich zwar von “autoritären Regimes” (und von den Reisen Murggs nach Belarus), spricht von internationaler Solidarität mit der Bevölkerung dort,  aber er bleibt sehr vage was die Alternative zum Kapitalismus sein muss, ob die “bessere Welt”, die er will, innerhalb des Kapitalismus möglich ist. Bzw. gibt er an dass die EU reformiert werden muss. Aber die EU ist eine kapitalistische Institution – er müsste klar machen, dass mit dem Kapitalismus an sich gebrochen werden müsste. 

Der Erfolg der KPÖ Plus Salzburg könnte allerdings nun eine Dynamik beschleunigen, wo eine neue linke Partei auch auf Bundesebene gefordert werden kann. Bei den Wahlen in Niederösterreich und Kärnten hat die KPÖ jedenfalls Möglichkeiten liegen gelassen, da sie nicht einmal landesweit angetreten ist. Dort wo sie angetreten ist, konnte sie sich auf sehr niedrigem Niveau verdoppeln – aber lag auch dort bei weitem hinter dem, was sie in Salzburg geschafft hat. Zu vermuten ist, dass in Niederösterreich und Kärnten Aktivist/innen gefehlt hatten, während in Salzburg die junge Linke diese Aktivitäten leistet. Die KPÖ könnte, wenn an die Erfolge in Graz und Salzburg angeknüpft wird, das Vakuum auf der Linken zumindest zeitweise in Ansätzen füllen. Allerdings können Erfolge auch schnell wieder verpuffen, wenn z.B. die KPÖ Graz aufgrund ihres Versäumens, eine Bewegung aufzubauen, die den Kapitalismus herausfordert,  in der Grazer Stadtregierung scheitert und das Vertrauen wieder verspielt. 

FPÖ greift geschickt Unmut auf

Gleichzeitig steigt die Möglichkeit, dass die FPÖ nach einer Nationalratswahl erneut in eine Regierung kommen kann. Obwohl Kickl in Schwarzblau II den Posten des Innenminsters hätte, wäre eine FPÖ geführte Regierung unter Kickl, also blauschwarz, in den Augen vieler eine reale Bedrohung auf einer neuen Ebene. Aber auch eine FPÖ geführte Regierung müsste sich mit den vielfältigen Problemen der multiplen Krise des Kapitalismus herumschlagen, wäre höchst instabil und würde sich ab einem gewissen Punkt einer gestiegenen Kampfbereitschaft gegenüber sehen. 

FPÖ Ehrenobmann Hilmar Kabas hat bei einer Debatte im ORF “Im Zentrum” festgestellt, dass man vielleicht von einer “zu frühen” Regierungsbeteiligung der FPÖ absehen würde: „Also wenn ich mir jetzt diese Runde hier so angehört habe, dann glaube ich, dass es auf alle Fälle verfrüht ist, als Freiheitlicher zu sagen, ja, wir zielen jetzt darauf hin, dass wir den Bundeskanzler stellen. Weil es gibt so viele Probleme, die aufgestaut sind, dass man sich zuerst einmal damit beschäftigen muss, wie kriegt man wieder halbwegs den Staat dahin, dass er die Probleme, die eben in der letzten Zeit gewachsen sind, wieder halbwegs auf eine normale Ebene bringt.“ Es ist möglich dass die FPÖ auf eine Situation wie in Italien spekuliert, d.h. dass die FPÖ als einzige Opposition sich eine mehr als komfortable Mehrheit holen kann um dann mehr Spielraum zu haben. KPÖ Plus war für die FPÖ ein relativ unerwarteter Konkurrent.

Die Tatsache dass die KP Plus der FPÖ in der Stadt Salzburg den zweiten Rang abgelaufen hat, zeigt, dass der Höhenflug der FPÖ gestoppt werden kann, wenn das Vakuum auf der Linken gefüllt wird, auch wenn die FPÖ auch dort eine Kernwähler/innenschaft behalten hat. Wenn sich bundesweit eine neue linke Kraft etablieren sollte, könnte diese rasch Stimmen gewinnen, aber auch schnell wieder verlieren, wenn ihre Politik die Versprechen nicht hält. Mit der FPÖ würde eine solche Kraft angesichts der Polarisierung in Konkurrenz stehen, auch wenn eine neue Kraft vermutlich stärker von den Nichtwähler/innen und von den anderen Parteien gewinnen würde. Aber in Salzburg wanderten sogar laut Wähler/innenstromanalyse 3000 Stimmen direkt von der FPÖ zur KPÖ Plus. Bürgerlichen Experten schätzen, dass der Erfolg der KPÖ Plus der FPÖ wohl 5% und Platz eins gekostet hat. 

Aber solange die FPÖ relativ konkurrenzlos in Opposition ist, gewinnt sie weiter. Die FPÖ greift den bestehenden Unmut geschickt auf und profitiert davon, dass dies die Linke nicht tut. Das ist bei einer Reihe von Themen zu beobachten. 

Der Wunsch nach Frieden bzw. der Unmut über die hohen Energiepreise stehen hinter der Ablehnung des Ukrainekriegs. Viele Menschen verstehen unter einer Antikriegshaltung Unterstützung für Neutralität. Der FPÖ geht es allerdings nicht um Frieden. Die FPÖ gibt dabei aber Scheinantworten, bzw argumentiert gleichzeitig für Aufrüstung (“wehrhafte Neutralität”) und unterstützt Putin. Sie spiegelt zum Teil die Haltung eines Teils des Kapitals wieder, der gut an den Geschäften mit Russland verdient. Demgegenüber stehen andere Teile des Kapitals, die es sich nicht mit dem Westen und der Nato verscherzen wollen. Diese Teile sind auch skeptisch bezüglich einer Regierungsbeteiligung der FPÖ – auch wenn sie eine solche vielleicht nicht verhindern können.

Gleichzeitig liegen die Ursachen für die Inflation tiefer – diese haben mit der ultralosen Geldpolitik zu tun, die in den letzten Jahren eingesetzt wurde. Eine neue Arbeiter/innenpartei müsste für eine Entliberalisierung des Energiesektors bzw eine vollständige Verstaatlichung des Energiesektors unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung nach den Bedürfnissen der Menschen einstehen. Gleichzeitig müsste sie die wahren Ursachen von Krieg und Inflation aufgreifen – die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus an sich. Sie würde die Solidarität sowohl mit der ukrainischen Bevölkerung und der russischen Bevölkerung nach vorne stellen, die beide nichts für den Krieg können und unter diesem leiden. Während sie den Abzug der russischen Truppen fordern würde, würde sie hingegen weder Waffenlieferungen noch die arbeiter/innenfeindliche Selenskyj Regierung unterstützen. Die kapitalistischen Regierungen auf beiden Seiten (inkl. in den NATO-Staaten und China) müssten gestürzt werden, um den Krieg zu beenden und ein Selbstbestimmungsrecht für die betreffenden Minderheiten zu sichern (mehr zum Ukraine-Krieg hier). Eine derartige Position müsste auch die KPÖ Plus Salzburg annehmen, die sich eigentlich nur vom Angriffskrieg Putins distanziert. 

Die Kritik an der Coronapolitik der Regierung, die sich nicht nach den Bedürfnissen der Menschen, sondern nach den Profiten der Unternehmen gerichtet haben, und die von der extremen Rechten dominierten Demonstrationen während der Pandemie wirkt ebenfalls nach. Mikl-Leitner wurde als Erfinderin der Impfpflicht, bei den Wahlen in Niederösterreich abgestraft. Auch in Salzburg hat in kleineren Gemeinden die Coronapolitik noch eine Rolle gespielt. Die FPÖ hat den Unmut darüber und das wachsende Misstrauen gegen den Staat aufgegriffen und für ihre Zwecke eingesetzt. Eine neue Arbeiter/innenpartei die bei einer Ausfinanzierung des Gesundheitsbereich angesetzt und gleichzeitig eine Impfpflicht abgelehnt hätte, sowie eine Überführung der Pharmaindustrie und des Gesundheitssektors in öffentliches Eigentum gefordert hätte, könnte sich auch von den Scheinlösungen und Verschwörungstheorien der FPÖ abheben. 

Auch wenn Rassismus im Moment nicht der entscheidende Faktor für den Erfolg der FPÖ ist, ist Rassismus dennoch ein wichtiges Element in der Unterstützung der FPÖ. Angesichts der instabilen Weltlage können jederzeit neue Migrationswellen ausgelöst werden, auf deren Rücken rechtspopulistische Kräfte Kleingeld machen können. Die Migrationsfrage und die Haltung dazu werden also brennend bleiben – das Dilemma welche Haltung zur Migration spiegelt sich auch in der SPÖ Führungsdebatte wider. Auch die Linke muss in dieser Frage zeigen, wie den Rechtspopulisten die Schneid abgekauft werden kann – durch gemeinsamen Kampf für mehr Ressourcen für alle, für höhere Löhne und gleiche Arbeitsbedingungen, um sich nicht spalten zu lassen. 

Hoch bleibende Inflation, wirtschaftliche Entwicklung und die Lohnrunden

Die Abschlüsse bei den Lohnrunden blieben zum großen Teil unter der aktuellen Inflation und bedeuten somit Reallohnverluste, auch wenn sie international auf vergleichsweise hohem Niveau liegen. Die Inflation hat im März mit 9% zwar im Jahresvergleich etwas abgenommen, aber das liegt zum Teil an den leicht gesunkenen Spritpreisen. Die Inflation in Österreich lag im März aber immer noch über dem EU-Schnitt, Deutschland z.B. liegt bei 7%. Besonders starker Preistreiber sind die Lebensmittelpreise. Auch die Energiepreise bleiben hoch. Im Mai werden die Richtwertmieten um 8,6% angehoben und werden die Inflation weiter antreiben. Die Spaltung zwischen Landbevölkerung und Stadtbevölkerung kann auf dieser Basis weiter vertieft werden. 

Wifo und IHS haben in Richtung der Frühjahrslohnrunden, besonders Elektro und Chemie, bereits zur Mäßigung bei den Lohnforderungen aufgerufen und kritisiert dass die Forderungen der Gewerkschaften zweistellig sind. Da die Gewerkschaft auf die Jahresdurchschnittsinflation im letzten Jahr setzt, dürften die Lohnforderungen auch bei sinkender Inflation hoch bleiben – zumindest dürfte der Druck von unten in diese Richtung steigen. Die Stimmung in der Arbeiter/innenklasse geht immer stärker in die Richtung, dass die Lohnerhöhungen auch die Inflation tatsächlich wettmachen müssen.  Das deutet daraufhin, dass es zu weiteren Konfrontationen im Zuge der Lohnrunden kommen könnte. Allerdings zeigen die Abschlüsse bei Elektro, Papier und Chemie, dass die Arbeitgeber im Moment eine Konfrontation so gut es geht vermeiden wollen und zu Zugeständnissen bereit sind, auch wenn die Ergebnisse unter der tatsächlichen Inflation liegen. Das ist aber auch Zeichen der potentiellen Stärke der Arbeiter/innenklasse. Die Tatsache, dass auch Teile der herrschenden Klasse auf eine Regierungsbeteiligung der SPÖ hoffen und sich große Sorgen über das Schwächeln der SPÖ machen, zeigt, dass sie womöglich darauf setzen, dass eine SPÖ in der Regierung die Gewerkschaften besser in Zaum halten könnte.

Der Arbeitskräftemangel und die anhaltend relativ niedrige Arbeitslosigkeit (6,2% nach nationaler Definition im März) trägt jedenfalls zu einem steigenden Selbstbewusstsein der Arbeiter/innenklasse bei. Das kann sich drehen, wenn eine Rezession zu Arbeitsplatzabbau führt. Die wirtschaftliche Entwicklung in den letzten beiden Quartalen 2022 war ein „Wachstum“ um 0,1%. Für 2023 erwartet das WIFO ein Wachstum von 0,3%. Es kann zu unterschiedlichen Effekten in verschiedenen Teilen der Klasse führen, manche Branchen, in der der Fachkräftemangel anhält, andere, in der Betriebsschließungen und Personalabbau doch eine Rolle spielen. In einer Umfrage hatten 63% der Menschen Angst, dass Arbeitsplätze durch KI ersetzt werden könnten. Das betrifft vor allem “white collar” Jobs. Im Medienbereich werden im Moment beim Kurier und bei der Kleinen Zeitung Jobs abgebaut (nachdem bereits der ORF Personal kürzte und das Aus der Wiener Zeitung droht). Das könnte ein Vorgeschmack sein auf Jobabbau in bestimmten Bereichen – was sehr wahrscheinlich nicht ohne Widerstand vor sich gehen wird. In der Autoindustrie drohen aufgrund der Unsicherheit im Umstieg auf nachhaltige Technologien Umbrüche, die nicht ohne Reibungen gehen werden. Gleichzeitig steigt die Unterstützung für Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn – Andreas Babler griff diese Stimmung mit der Forderung nach einer 32 Stunden-Woche auf. 

Auch der Bankensektor könnte von der internationalen Bankenkrise früher oder später getroffen werden. Die Internationale Bankenkrise und der Ukrainekrieg können dazu führen, dass z.B. die RBI stärker unter Druck stehen könnte. Im Moment versucht diese, sich aus Russland zurückzuziehen, überlegt aber, wie sie dies tun kann, ohne große Verluste zu verzeichnen. 

Die Streiks bei der AUA zeigen, dass Belegschaften auch bei bereits beigelegten Verhandlungen Dinge immer wieder aufs Tapet bringen können. Denn der Kampf gegen das Sparpaket zieht sich schon länger, im Herbst gab es bereits einen Warnstreik und daraufhin einen Abschluss. Jetzt im Frühjahr gab es erneut einen Warnstreik und eine tatsächliche Streikdrohung mitten im Osterreiseverkehr, die schließlich zumindest das Sparpaket beendete. Dass besonders der Transportsektor und die Vida in den vergangenen Lohnrunden am kämpferischsten war, mag auch damit zu tun haben, dass Transportarbeiter/innen stärker in Kontakt international sind und die Streikwellen in D/FR/GB eventuell mitbekommen haben. Der Gesundheitsbereich ist aufgrund einer dort stärker organisierten Linken ebenfalls an der Front der Kämpfe. Dennoch kann man nicht die eine oder andere Branche völlig abschreiben – denn auch der Handel stand letztes Jahr ganz knapp vor einem Streik. Es findet im Moment in Ansätzen ein Organisationsprozess an der Basis statt, die Gewerkschaften gewinnen Mitglieder und davor unorganisierte Bereiche wie z.B. die Mjam Fahrer/innen beginnen sich zu organisieren. 

Der Bahnstreik im Herbst war ein Zeichen, dass auch in Österreich härtere Bandagen im Klassenkampf möglich sind und hat gleichzeitig Spaltungen in der Gewerkschaftsbürokratie offenbart, die jeweils unter Druck der eigenen Basis stehen. Es ist eine der Aufgaben von Gewerkschaftsaktivist/innen und Marxist/innen, die Gewerkschaften in kämpferische und demokratische Organe des Klassenkampfs zu verwandeln. Die Erfahrungen in anderen Ländern können uns dabei helfen. 

Kampf um den SPÖ-Vorsitz 

Der Kampf um den SPÖ-Vorsitz war ursprünglich, als nur Rendi und Doskozil im Rennen waren, im Grunde ein Kampf zwischen zwei bürokratischen Cliques, die mit allen bürokratischen Tricks und Wassern gewaschen sind, vor einem Hintergrund eines raschen Falls in der Unterstützung für die SPÖ. Doskozil befürchtet nicht zu Unrecht bürokratische Manöver der SPÖ Wien Führung, allerdings nicht zuletzt deshalb, weil er selbst vor solchen Manövern nicht zurückschrecken würde.  

Dass Andreas Babler nun auch antritt, hat die Karten neu gemischt. Es sind aufgrund des Antritts Bablers zwar mehrere tausend Menschen der SPÖ beigetreten, um das Ergebnis zu beeinflussen, dies hat aber bei weitem nicht die Ausmaße wie bei der Wahl von Corbyn in Britannien in den 10er Jahren. Die meisten tun dies ohne Illusionen und sind sich eigentlich im Klaren, dass sie dies nur für die Dauer der Abstimmung tun, besonders falls Doskozil gewinnen sollte. Für manche ist es ein letzter Versuch, „uns unsere Partei zurückzuholen“. Manche sehen dies als entscheidende Weggabelung. Vielen ist klar, dass wenn dies nicht gelingt, Schlussfolgerungen gezogen werden müssen. Diese 9000 Menschen könnten auch für eine neue Kraft links von der SPÖ gewonnen werden. Viele, die jetzt beigetreten sind, stehen z.B. dem Wahlerfolg der KPÖ Plus Salzburg positiv gegenüber. Gleichzeitig gibt es eine Schicht, die die Situation von außen beobachtet und eine weitere, wesentlich größere, die sich bereits von der SPÖ abgewendet hat. Außerdem wählen viele die SPÖ wahrscheinlich nicht aus Begeisterung, sondern als „kleineres Übel“, und viele von ihnen könnten von einer neuen Kraft angezogen werden, was wir in Frankreich mit dem Einbruch der Unterstützung für die PS und dem massiven Anstieg der Unterstützung für France Insoumise gesehen haben.

Dieser Kampf spiegelt die Tiefe der SPÖ-Krise wieder, es ist das erste Mal dass eine Mitgliederbefragung über den Vorsitz entscheidet, und dass ein bestehender SPÖ-Vorsitz derart herausgefordert wird. Die SPÖ Wien hat schon bei der Ablöse von Faymann 2016  gegenüber den Bundesländer-Vertreter/innen den Kürzeren gezogen, aber die Ablöse durch Kern ging vergleichsweise friedlich über die Bühne. 

Im Moment sieht es so aus, als ob Rendi das Rennen gewinnen könnte, in Umfragen liegt sie unter der SPÖ-Mitgliedschaft bei 49%, während Doskozil bei 20% und Babler bei 18% liegt. Vor dem Antritt Bablers lag Rendi bei 63% und Doskozil bei 22%. Wenn die Gesamtbevölkerung abstimmen würde, läge Doskozil mit 29% vor Rendi mit 20% und Babler mit 15%. 

Während Rendi und Doskozil auf eine Stichwahl verzichten würden, würde Babler bei einer Stichwahl antreten. Teile des Rendi-Flügels befürchten ein Szenario bei dem Doskozil die Mitgliederbefragung gewinnt, Babler zu einer Stichwahl beim Sonderparteitag antritt und Babler von jenen gewählt werden könnte, die Doskozil verhindern wollen. Gleichzeitig  hoffen sie, dass Babler jemand anderem die Spitzenkandidatur bei den Nationalratswahlen überlassen könnte, ähnlich wie dies bei der SPD in Deutschland der Fall war. 

Die drei Kandidat/innen unterscheiden sich im Wesentlichen durch ihre Haltung zur Migration, aber halten alle drei grundsätzlich am Kapitalismus fest, wenn auch Babler begrenzte „Systemkritik“ übt. Während Babler Pro-Migrationspolitik mit begrenzten sozialen Maßnahmen verbindet, verbindet Doskozil Nachgeben gegenüber rassistischen Stimmungen mit begrenzten sozialen Maßnahmen. Keiner der drei Kandidat/innen steht für einen kämpferischen Kurs der Gewerkschaften.  Babler fordert zwar eine 32-Stundenwoche bei vollem Lohn, erklärt aber nicht, dass eine solche erkämpft werden muss. Genauso steht keiner  der drei Kandidat/innen für einen Durchschnittslohn für Funktionär/innen. 

Hinter Rendi steht die SPÖ Wien, deren Basis stärker urbane Mittelschichten sind und deren Haltung sich hauptsächlich auf einen rein moralischen Antirassismus stützt, ohne dies mit der sozialen Frage zu verknüpfen. Babler und Doskozil haben in der Migrationsfrage gegensätzliche Positionen. Gleichzeitig präsentieren sich Babler und Doskozil beide als hemdsärmelig und werden vor allem am Land als weniger abgehoben wahrgenommen als Rendi. Und sie setzen beide auf eine Ampel als die einzig tragfähige Regierungsalternative, wenn auch Doskozil hofft, auf opportunistischer Basis Stimmen von der FPÖ und der ÖVP zu gewinnen. Doskozil grenzt sich gleichzeitig nur von Kickl ab und schließt eine Koalition mit der FPÖ ohne Kickl nicht aus, die hinter Rendi stehende SPÖ Wien hätte lieber eine große Koalition.  (Mehr zu den drei Kandidaten und den Lagern, die diese repräsentieren, ist in unserer Stellungnahme „SPÖ Führungsdebatte: Wohin geht die SPÖ“ zu finden.) 

In den Gewerkschaften dürfte sich der Kampf dieser drei Lager ebenfalls widerspiegeln, es ist keineswegs so, dass die Gewerkschaften geschlossen hinter Rendi stehen. 

Wie das Rennen ausgeht, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offen. Rendi liegt dem Umfragen nach vorne. Wenn sie gewinnen sollte und “alles beim Alten“ bleibt, ist die Frage, wie die neu Beigetretenen reagieren. Im Falle eines Siegs Doskozils ist es sehr wahrscheinlich, dass diese Schicht wieder austritt, in welcher Form auch immer. 

Da aber weder der Doskozil-Flügel noch der Rendi-Flügel bereit ist, zurückstecken, ist es möglich, dass es die SPÖ über kurz oder lang zerreißt.  Wenn das tatsächlich eintreten sollte, wird dies die Karten für den Neuformierungsprozess der Arbeiter/innenbewegung neu mischen. 

Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass Babler gewinnt, ist es unwahrscheinlich, dass es ihm gelingt, die Partei von Grund auf zu reformieren. Er müsste dafür die beiden Führungscliquen um Rendi und Doskozil komplett zurückstutzen und auschließen etc. Die Erfahrungen mit Corbyn in Britannien sind hier wichtig – den Corbyn hatte dies verabsäumt und wurde daraufhin aus der Partei gedrängt. 

Wir verstehen den Wunsch jener Schicht, die der SPÖ beigetreten ist, um in der Wahl einen Unterschied zu machen, und wünschen ihnen, dass dies gelingen möge, auch wenn wir dies für unwahrscheinlich halten. Gleichzeitig müssen diese sich überlegen, was passiert, wenn Doskozil oder Rendi gewinnen und vor allem, was passiert, wenn Babler gewinnt, aber daran scheitert, die Partei zu transformieren. Denn die Ursachen für die Krise der SPÖ bleiben weiter bestehen. Auch hier sind die Erfahrungen mit Corbyn eine wichtige Lektion – denn auch hier haben Corbyn und seine Unterstützer/innen verabsäumt, Schritte in Richtung einer neuen Partei zu setzen. 

Das Profil schätzt die Möglichkeiten bezüglich neuer Partei links von der SPÖ wie folgt ein: “Kommen die Kommunisten in den Landtag und verliert die SPÖ weiter, könnte das das Match um die SPÖ-Spitze beeinflussen. Die Fans des linken Bürgermeisters Andreas Babler würden das Ergebnis als Bestätigung ihres Kurses sehen. Sollte Doskozil Parteichef werden, wird Babler deswegen nicht aus der Partei ausscheiden. Allerdings könnten seine Unterstützer Lust bekommen, eine eigene Plattform zu gründen und der SPÖ links Konkurrenz zu machen. Wie rasch sich dank Social Media ein neues politisches Projekt hochziehen lässt, zeigte Dominik Wlazny (“Marco Pogo”) bei der Bundespräsidentschaftswahl im vergangenen Jahr.” 

SPÖ in Regierungsposition?

Wenn die SPÖ in Regierungsposition kommt wird sie sehr wahrscheinlich gezwungen sein, Politik gegen die Arbeiter/innenklasse zu machen, egal ob als Teil einer großen Koalition oder als Teil einer Ampel. Im Moment hofft ein Teil der Bevölkerung, eine erneute FPÖ-Regierungsbeteiligung durch eine Ampel verhindern zu können. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass dies langfristig im Gegenteil die FPÖ sogar stärken kann (siehe Italien, Isreal etc), besonders wenn eine Ampel ähnlich agiert wie die Ampel in Deutschland. 

Egal ob im Fall einer Ampel oder einer großen Koalition: Aufgrund der Inflation müssen die Budgets von Bildung, Gesundheit, Energie und Sozialem erhöht werden, wenn es keine Einschnitte im Lebensstandard geben soll. Da auch die SPÖ sich darauf beschränkt den Kapitalismus zu verwalten, wird sie den multiplen Krisen des Kapitalismus nur marginal etwas entgegensetzen können. Sie wird versuchen, im Rahmen der kapitalistischen Spielregeln die Krise zu managen – und das gilt für alle drei Kandidat/innen. 

Es zeigt sich im Fall von Wien Energie, dass dies nur begrenzt funktioniert. Das Versagen der SPÖ Wien im Fall von Wien Energie ist mit ein Faktor im drastischen Fall an Unterstützung für die SPÖ. Auch die Spitäler in Wien sind am Limit – die SPÖ investiert nicht genug Geld und hält gleichzeitig durch die Gewerkschaft Kämpfe in diesem Bereich zurück. Auch dafür bekommt die SPÖ derzeit die Rechnung präsentiert. Eine SPÖ in Regierungsverantwortung, wird, wenn sie diese Politik fortsetzt – was angesichts ihres Festhaltens am Kapitalismus fast unvermeidlich ist – weiter an Unterstützung verlieren. Die Gewerkschaftsspitzen werden versuchen, Widerstand möglichst zurückzuhalten, aber wenn der Druck von unten zu groß wird, können auch Kämpfe trotz der bremsenden Funktion der Gewerkschaftsführung ausbrechen. 

Diese Kombination könnte die Notwendigkeit einer neuen Arbeiter/innenpartei in größerer Schärfe stellen. Besonders wenn eine SPÖ Regierungsbeteiligung weiter die FPÖ stärkt, was wahrscheinlich ist, wenn sich keine Alternative von Links auftut. Angesichts des Erfolgs der KPÖ in Salzburg kann aber auch sein, dass dieses Vakuum temporär zum Teil durch die KPÖ gefüllt werden könnte, so sie den Faden aus Graz und Salzburg auch auf Bundesebene aufgreift. Die bürgerlichen Expert/innen sprechen im Moment alle davon, dass alle Zutaten für eine neue linke Partei mittlerweile vorhanden wären und das Potential für ein solches Projekt sehr groß sei. Angesichts dieser Situation müssten KPÖ Plus und die Unterstützer/innen Bablers überlegen, ob sie nicht Initiativen setzen für eine Konferenz bei der über den Aufbau einer neuen breiten linken Kraft von und für Arbeitnehmer/innen, Jugendlichen, Pensionist/innen und Arbeitslosen diskutiert wird, die sowohl in Kämpfen aktiv ist als auch bei Wahlen antritt – auf der Basis eines gleichberechtigten Bündnisses, das über die KPÖ (Plus) und bestehende Gruppierungen hinausgeht und auch Menschen mit einbeziehen kann die auf eine neue Kraft warten, in der sie sich organisieren können. 

Wir können auch hier vor dem Hintergrund zunehmender Klassenkämpfe und steigendem Druck in den Betrieben und Gewerkschaften rasche Veränderungen in der Situation erleben, mit Aufstieg und Fall neuer Kräfte, die womöglich temporär Unterstützung erhalten, aber dann aufgrund fehlender politischer Klarheit wieder verworfen werden. All das ist Teil des Neuformierungsprozess der Arbeiter/innenbewegung.

Stabilität?

Die Frage aber ist, ob die Zentrifugalkräfte zu einem Auseinanderbrechen der SPÖ führen. Eine Einigung der Partei auf einem “Einigungsparteitag”, wie von Babler vorgeschlagen, scheint ausgeschlossen – die Spannungen werden sich verstärken. Der herrschenden Klasse zerbröselt hier womöglich ein verlässlicher Partner. Bereits die ÖVP Krise hat Teile der herrschenden Klasse zutiefst alarmiert, die „italienische Zustände“ wie in den frühen 90er Jahren in Italien fürchten. Italien erlebte damals eine Fragmentierung seines Parteiensystems und seiner traditionellen Parteien nach dem Zusammenbruch des Stalinismus. Im Moment versucht sie die FPÖ aus Regierungspositionen fern zu halten, aufgrund deren Position zum Ukrainekrieg. Aber Niederösterreich zeigt, dass die Eigendynamik der politischen Situation dazu führen kann, dass die FPÖ nicht aus Regierungspositionen fern zu halten ist.

Wir wissen nicht, wann es zu Neuwahlen kommt, ob die Regierung bis 2024 durchhält und einenhalb Jahre im Dauerwahlkampf verbringt. Es ist nicht auszuschließen, dass die eine oder andere Partei die Flucht nach vorne antritt, durch den Erfolg der KPÖ Plus in Salzburg ist aber auch möglich, dass sie davon wieder absehen und ein Jahr im Vorwahlkampfmodus verbringen. In der Zeit vor den Wahlen wird sich die Regierung allerdings hüten, neue Angriffe auf den Lebensstandard der Arbeiter/innenklasse zu starten – was Ausdruck ihrer Schwäche ist. Weder das degressive Arbeitslosengeld noch Kürzungen von Sozialleistungen von Teilzeitkräften waren durchsetzbar. Aus Sicht der herrschenden Klasse hat sich hier wieder ein Reformstau gebildet, ähnlich wie vor 2000 und 2017. Aber auch vorgezogene Neuwahlen bedeuten keine neue Periode der Stabilität. 

Die Ära der Stabilität – zumeist unter Ägide der großen Koalitionen in den vergangenen Jahrzehnten – ist nämlich endgültig vorbei. Das gilt selbst, wenn es zu einer großen Koalition kommen sollte. Eine Ampel ist in der gegenwärtigen Situation eher unwahrscheinlich, da ein Sieg der einen oder anderen Fraktion womöglich eine Spaltung der SPÖ zur Folge haben könnte. Aber selbst wenn es dazu kommen sollte, wird eine Ampel lediglich dazu führen, dass die FPÖ noch stärker wird, oder die ÖVP sich erholt – wie man am Beispiel Italien gesehen hat. Wer auch immer in der Regierung ist – diese Parteien können nur verlieren. Das bedeutet aber auch, dass auch eine Regierung mit FPÖ Beteiligung höchst instabil wäre. Denn diese müsste sowohl den Erwartungen der FPÖ Wähler/innen wie auch jenen der herrschenden Klasse entsprechen. Teile-und-Herrsche-Lösungen wie jene von Sozialleistungen nur für Österreicher/innen sind höchstens Stoff für Propaganda, die meisten dieser Maßnahmen von Schwarzblau II wurden wieder aufgehoben und konnten diese Regierung langfristig auch nicht retten. 

Der Erfolg der KPÖ Salzburg zeigt was auf dem Rücken dieser Krise für eine echte demokratische neue Arbeiter/innenpartei möglich wäre. Eine solche benötigen wir auch auf Bundesebene. Sie könnte alle ernsthaften Kräfte vereinigen um eine Programm, das die dringenden Probleme der Menschen aufgreift und mit der Notwendigkeit eines Bruchs mit dem Kapitalismus verbindet. 

Denn die aktuelle Krise des Kapitalismus ist nicht einfach lösbar – außer wir brechen mit ihm. Dazu benötigt es allerdings ein sozialistisches Programm mit Überführung der Kommandozentralen der Wirtschaft in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung. Wenn aus den Scherben der SPÖ, den Erfolgen von KPÖ Plus und der jungen Linken bzw. aus der neuen politischen Situation eine neue Arbeiter/innenpartei entstehen sollte – oder eine neue Formation die in diese Richtung geht -, bräuchte diese ein solches sozialistisches Programm und müsste für eine Verteidigung der Lebensstandards mobilisieren. Die internationalen Erfahrungen mit den diversen linken Formationen  angefangen von Die Linke, Corbyn bis hin zu Syriza zeigen dies. Der Kapitalismus kann die Probleme, die er schafft, nicht mehr lösen. Wir brauchen eine demokratische sozialistische Gesellschaft, die die Grundlage legen kann, dass diese Probleme gemäß der Bedürfnisse der Menschen und des Planeten gelöst werden können. Dafür müssen wir uns organisieren. Wir müssen jetzt die Kräfte aufbauen, die eine Bewegung anstoßen können, um die Gesellschaft sozialistisch zu verändern. Das ist unsere Aufgabe als Sozialist/innen.