Viele sind ob der neuen ÖVP-FPÖ Koalition in Niederösterreich bestürzt – die ÖVP hat absolut keine Skrupel mit der FPÖ zusammen zu arbeiten, egal wie stark sie nach rechts rülpst. Koalitionen mit der FPÖ haben wir nun zweimal im Bund und mehrmals auf Länderebene gesehen. Die FPÖ Niederösterreich sticht hier aber als besonders hemmungslos brauner Fleck hervor. In gewisser Weise spiegelt diese Bereitschaft der ÖVP ebenso wie Doskozil in der SPÖ den Niedergang und die Verzweiflung von ÖVP und SPÖ wieder, angesichts ihrer Unfähigkeit in der aktuellen Situation für Wähler/innen irgendwie attraktiv zu sein und die Abwanderung der Stimmen zur FPÖ zu verhindern.

Dass die FPÖ ihr Wahlversprechen bricht (auch wenn sie mit Tricks versucht das zu verbergen) hat dazu geführt dass die ÖVP ihr die Koalition durch den „Corona Fonds“ teuer abkaufen musste. Die FPÖ in Regierungsverantwortung muss aber ebenso liefern, ihrer Wähler/innenschaft wie auch der herrschenden Klasse. Und diese ist ob der Möglichkeit einer Kickl-FPÖ in der Regierung not amused – nicht zuletzt aufgrund der FPÖ Position zum Ukraine Krieg. Die vergangenen FPÖ-Regierungen mussten stets einen Reformstau abarbeiten – Angriffe auf die Arbeiter/innenklasse die mit SPÖ und ÖVP davor nicht mehr umsetzbar waren, da der Druck von unten zu hoch war. Bei Schwarzblau I war das die Pensionsreform, bei Schwarzblau II war das der 12h Tag. 

Im Moment beschäftigt große Teile der herrschenden Klasse vor allem der Fachkräftemangel. Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und höhere Löhne um das zu lösen, ist für sie keine Option, da dies die Profite bedroht. In der Vergangenheit wurden Fachkräftemangel durch Migration behoben. Aber diesen Weg wird eine Regierung mit FPÖ-Beteiligung nicht gehen. Die aktuelle Regierung wollte mehrmals Angriffe auf die Arbeiter/innenklasse umsetzen um das Fachkräftemangel Problem auf diese Art und Weise zu „lösen“ – diskutiert wurden Anhebung des Pensionsalters, Kürzung des Arbeitslosengeldes, Schikanen für Teilzeitbeschäftigte. Nichts davon konnten sie umsetzen, da der Druck von unten zu groß war und ist und ÖVP wie Grüne Angst haben, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Es ist möglich, dass dies eine Bedingung gegenüber der FPÖ wird, um sie wieder in Regierungsposition zu hieven. Aber es ist unsicher, ob die FPÖ sich darauf einlässt – da dies wiederum bedeuten würde, dass sie dies ebenso wie bei den letzten beiden Regierungsbeteiligungen wieder an der Wahlurne bzw. mit Spaltungen bezahlen wird. Aber wenn sie dies nicht tut – welchen Bringer hat dann eine FPÖ in der Regierung für die herrschende Klasse? 

Es ist möglich dass die FPÖ bei kommenden Wahlen so stark abschneidet, dass ein FPÖ-Kanzler aus Sicht der herrschenden Klasse nicht zu verhindern ist. Es ist aber auch möglich, dass andere (rechts)populistische Projekte oder eine Doskozil-SPÖ der FPÖ wieder Stimmen weg nehmen. Aber auch Doskozils Populismus ist keine grundlegende Alternative für Arbeitnehmer/innen, auch wenn er ein paar Brotkrumen verspricht. Und auch das hieße nicht, dass das Problem Rechtspopulismus gelöst ist, denn die Basis dafür besteht nach wie vor: Vakuum auf der Linken, das Fehlen einer Arbeiter/innenpartei – die die SPÖ schon lange nicht mehr ist und die wir selbst neu aufbauen müssen – und: immense Wut über die aktuelle soziale, wirtschaftliche und politische Situation. Der Kapitalismus ist in einer tiefen Krise bzw. taumelt von einer Krise in die nächste und kann die Probleme, die er schafft, nicht mehr lösen sondern nur verschieben. Die Bedrohung von rechts wird dauerhaft nur verschwinden, wenn wir mit dem Kapitalismus brechen – für eine echte demokratische sozialistische Gesellschaft. Wir benötigen eine Kraft, die fähig ist, dies zu tun. Wir müssen jetzt Initiativen setzen, um eine neue Arbeiter/innenpartei aufzubauen, die ein Instrument im Kampf zur Verteidigung der Lebensstandards sein kann.