Da die Bosse bei den Metaller/innen nur 4,1% auf die Ist-Löhne bieten und Verschlechterungen bei den Arbeitszeiten und Überstunden wollen, hat sich nun mit den Metaller/innen nach ÖBB und AUA schon die dritte Branche die Streikfreigabe geholt. Auch der Handel fordert 10% und steuert auf eine Konfrontation zu.

Lebensstandards verteidigen!

Die Energiepreise gehen durch die Decke, Lebens mittel werden immer teuerer, das tägliche Leben ist kaum noch leistbar. Gleichzeitig gab es im Handel im Juni bereits einen 8,3% Einbruch. Der Mini-Warenkorb ist im Juli um 19,1% teurer geworden. Viele Menschen, die jetzt die Jahresabrechnung bekommen haben, berichten von neuen Strom/Gas-Vorschreibungen die sich mehr als verdoppelt haben. Mit den nun angehobenen Leitzinsen, der unsicheren Situation in Bezug auf Gas, der Verlangsamung der Weltwirtschaftdrohender Rezession in Deutschland und drohender Staatsschuldenkrise in Italien spitzt sich die Situation immer mehr zu. Wenn Russland das Gas abdreht müsste jede dritte Firma fast die komplette Produktion einstellen. Wir könnten im Herbst eine Situation mit hoher Inflation und Betriebsschließungen und steigender Arbeitslosigkeit erleben. Bereits jetzt kämpfen die Menschen mit dem Überleben, müssen sich im täglichen Einkauf massiv einschränken. Die Angst vor dem Winter und möglichen Einschränkungen beim Heizen ist groß. Bei den Pensionist/innen wurden zwar die Pensionen unter der Mindestpension um 10% angehoben, aber alles darüber nur um 5,8% und dann mit Einmalzahlungen abgegolten. Das bedeutet, dass auch jene, die nur knapp über der Mindestpension liegen, einen massiven Reallohnverlust in Kauf nehmen müssen. Die Arbeitgeber wollen das als Vorbild für die Lohnrunden nehmen. Auf solche faulen Kompromisse dürfen wir uns nicht einlassen!

Drohender Kaufkraftverlust

Das deutsche Wirtschaftsinstitut WSI schätzt, dass es heuer in Österreich einen Kaufkraftverlust von 4,2% geben wird. Zum Vergleich: EU-Schnitt ist ein Minus von 2,9% (auch Deutschland soll nur ein Minus von 2,9% verzeichnen). Ein Grund könnte die Taktik der ÖGB-Führung sein, die durchschnittliche Inflationsrate des letzten Jahres als Basis für die Lohnrunden zu nehmen. Das hat natürlich Vorteile in Zeiten von fallenden Inflationsraten bzw. Deflation. Für Zeiten mit steigender Inflationsrate bzw. gar Stagflation (was ein mögliches Szenario angesichts der anhaltenden Lieferkettenschwierigkeiten ist) bedeutet dies jedoch ein Hinterherhinken hinter der Realität der Menschen. Die Forderungen sollten sich danach richten, was die Menschen jetzt benötigen – an der aktuellen Inflationsrate! Forderungen von 15% sind absolut gerechtfertigt, alles unter 10% ist ein Reallohnverlust. 

Es ist gut, dass bei den Metaller/innen 10,6% gefordert wurden, aber selbst das könnte zu niedrig sein mit der steigenden Inflation. Es kann daher nötig werden, auf automatische Abgeltung der aktuellen Inflation zu setzen, sodass der Kampf nur noch um die darüberhinausgehenden Steigerungen geführt werden muss. Aber auch das muss erkämpft werden. Es ist möglich, die ÖGB-Führung  von unten durch den Aufbau von Initiativen durch die Mitgliedschaft unter Druck zu setzen, um Reallohnverluste zu verhindern!

Wir brauchen einen gewerkschaftlichen Eskalationsplan!

Der ÖGB hatte am 17.9. zu Demonstrationen in den Bundesländern unter dem Motto „Preise runter“ aufgerufen – das war eine sehr wichtige Mobilisierung, auch wenn diese weit unter den Möglichkeiten des ÖGB geblieben ist. Sie hatte das Potential, MfG, FPÖ und Co. zum Teil die Schneid abzukaufen. Die Pakete der Bundesregierung und der Stadt Wien sind nämlich ein Tropfen auf den heißen Stein.

Wie sollen die Menschen auf der Basis von Einmalzahlungen mit einer Verdopplung der monatlichen Energieraten zurecht kommen? Es darf keine Reallohnverluste geben, nicht nur in den starken gut organisierten Branchen wie bei den Metaller/innen, sondern auch in den schwächeren, schlechter organisierten Branchen. Es gab im Frühjahr bereits Kämpfe. Nun gibt es Streikfreigaben bei den ÖBB. Bei den Metaller/innen stehen die Zeichen mit Betriebsversammlungen und Streikfreigabe ebenfalls auf Konfrontation, da die Bosse nur 4,1% anbieten. Es werden immer mehr Branchen die sich die Streikfreigabe holen. Kleinere und schlechter organisierte Branchen profitieren davon, wenn es gemeinsame koordinierte Kampfmaßnahmen gibt. Bei Friseur/innen und Kosmetiker/innen hat der ÖGB die Forderung nach Anhebung des Mindestlohns von 1600,- auf 2000,- Euro. Das kann nur durch gemeinsame Aktionen erkämpft werden können. Auch der Handel fordert 10%. Die Beschäftigten der AUA habem 10,4% mit der Streikdrohung erkämpft. Wenn es tatsächlich zu Streiks gekommen wäre hätte womöglich das Sparpaket ganz gekippt werden können statt nur reduziert. Wir brauchen einen gemeinsamen Kampf, mit koordinierten Streikaktionen hin zu einem branchenübergreifenden bundesweiten Streiktag – für folgende Forderungen:

• Keine faulen Kompromisse – Lebensstandards verteidigen!

• Kein Abschluss unter 10 Prozent! Für entsprechende Lohnerhöhungen in allen Branchen sowie Nachschlagszahlungen bei den Pensionen!

• Kein Verkaufen von Reallohnverlusten als Reallohnsteigerungen – Erhöhung muss über der aktuellen Inflation liegen!

• Erhöhung des Arbeitslosengelds!

• Überführung des gesamten Energiesektors in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und Entliberalisierung des Energiemarktes!

• Demokratische Planung des öffentlichen Energiesektors entlang klimapolitischer und sozialer Kriterien, inklusive Deckelung der Energiepreise für Einzelverbraucher/innen und kleine Unternehmen

• Preisdeckel bei Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs, wenn nötig auch Überführung der großen Handelsketten in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung

• Rücknahme der Anhebung der Richtwertmieten

Streiken – aber wie?

In Österreich gibt es zum jetzigen Zeitpunkt im internationalen Vergleich weniger Streikerfahrung, auch wenn es bei den Metaller/innen und den ÖBB immer wieder zumindest Warnstreiks bis hin zu Streiks gegeben hat. Diese Erfahrung kann aber in den kommenden Auseinandersetzungen gesammelt werden. Es braucht auf alle Fälle demokratische Strukturen, wie z.B. Streikkomitees. Diese sollten demokratisch gewählt und jederzeit wähl- und abwählbar sein. Streiks sollten nicht so aussehen, dass die Kolleg/innen herumsitzen und Karten spielen. Die Gewerkschaftsführung degradiert oft die Menschen, um deren Jobs und Löhne es geht, zu Statist/innen, anstatt ihre Erfahrung und ihr Wissen für den Arbeitskampf einzusetzen. Dabei sollte bei Streikverammlungen immer wieder über Forderungen, Streikstrategie und Verhandlungsergebnisse diskutiert werden. Streikkomitees sollten ständig in Kontakt mit den Kolleg/innen stehen und sie über weitere Schritte informieren. Sie können Streikposten zum Schutz des Streiks organisieren. In manchen Bereichen braucht es Solidaritätskomitees, besonders wenn Passagier/innen (im Transportsektor), Kund/innen (im Handel) oder Patient/innen (im Gesundheitssektor) betroffen sind, die diese einbeziehen und erklären, warum die Streiks auch in deren Interesse sind. Das ist wichtig, damit die Arbeitgeber und die Medien nicht diese gegen die Streiks aufhetzen können. Solche Strukturen können einen Beitrag leisten, um innerhalb der Gewerkschaften durch Vernetzung Druck aufzubauen, damit Kämpfe auch tatsächlich erfolg[1]reich geführt werden können.

Arbeitnehmer/innen brauchen ihre eigene Partei!

Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen uns, dass der ÖGB – aufgrund der politischen Loyalität der FSG-Führung zur SPÖ – mehr Spielraum hat, wenn die SPÖ in Opposition ist (z.B. Streiks gegen die Pensionskürzungen 2003, Mobilisierung gegen den 12-Stundentag 2018). Dass alle Zeichen darauf hindeuten dass die SPÖ in einer neuen Regierung sein wird, wenn die gegenwärtige Regierung kracht, bedeutet, dass der ÖGB bei einer Regierung mit SPÖ-Beteiligung weniger Spielraum haben wird. Wie wird die SPÖ – egal ob in Ampelkoalition oder großer Koalition (so die ÖVP nicht zerbröselt) die multiplen Krisen handeln können? Die SPÖ hat 1991 ihren Namen von „Sozialistische Partei Österreichs“ auf „Sozialdemokratische Partei Österreichs“ geändert, Ausdrucks ihres Wandel zu einer vollständig prokapitalistischen Partei nach dem Zusammenbruch des Stalinismus. Die SPÖ wird wieder versuchen, die Probleme die es gibt, im Kapitalismus zu lösen. Aber der Kapitalismus kann die Probleme die er schafft nicht mehr lösen, er kann sie höchstens verschieben. Alle Instrumente des Krisenmanagement sind aufgebraucht, das Pulver ist verschossen. Die Arbeitnehmer/innen benötigen ihre eigene Partei, die bereit ist, einen Kampf für die Verteidigung der Lebensstandards zu organisieren – und mit dem Kapitalismus zu brechen!