Wien Energie und die EVN haben eine Anhebung der Energiepreise um 97% angekündigt. Gleichzeitig gab es im Handel im Juni bereits einen 8,3% Einbruch. Mit den nun angehobenen Leitzinsen, der unsicheren Situation in Bezug auf Gas, drohender Rezession in Deutschland und drohender Staatsschuldenkrise in Italien spitzt sich die Situation immer mehr zu. Wenn Russland das Gas abdreht müsste jede dritte Firma fast die komplette Produktion einstellen. Gleichzeitig machen einige Konzerne Profite auf dem Rücken der Krise.
Wir könnten im Herbst eine Situation mit hoher Inflation und Betriebsschließungen und steigender Arbeitslosigkeit erleben. Bereits jetzt kämpfen die Menschen mit dem Überleben, müssen sich im täglichen Einkauf massiv einschränken.
Die Bundesregierung hat keine grundlegenden Antworten auf die existierenden Probleme (Gaskrise, Teuerung, Klimakrise, Covid, Krieg und Aufrüstung, wirtschaftliche Krise). Die ÖVP wird weiter von Skandalen gebeutelt und wird vermutlich bei den anstehenden Lokalwahlen im Herbst weitere Verluste einfahren. Die Grünen haben angesichts der Gaskrise sogar die Umstellung von Kraftwerken von Gas auf Kohle angeordnet, falls Russland das Gas abdreht. Angesichts der Schwäche dieser beiden erfährt die SPÖ ein hoch in den Umfragen und die FPÖ ist sogar auf Platz 2 vor der ÖVP zurückgekehrt.
Die Kampagne der SPÖ gegen die Teuerung hat aber eine Schwäche: Die Politik der Stadt Wien die für die Anhebung der Energiepreise verantwortlich zeichnet. Wien Energie ist zu 100% in öffentlichem Eigentum, die Stadt Wien könnte hier eingreifen indem sie die Preise nicht anhebt. Allerdings führt die SPÖ Wien Energie wie ein normales kapitalistisches Unternehmen und hält sich an die kapitalistischen Spielregeln – und die in den 90er Jahren eingeführte Liberalisierung des Energiemarktes. Es ist gut dass die SPÖ die Verstaatlichung der OMV fordert – genauso müsste sie aber auch eine Kampagne für die Entliberalisierung des Energiemarktes führen. Burgenland und Niederösterreich sind im Energiemix unabhängiger als Wien – sie haben früher auf Windenergie umgestellt. Ein zentraler öffentlicher Energiesektor könnte bundesländerübergreifend planen, auf alternative Energien wie Wasser und Wind zugreifen und damit die Preise auch für Wien stabiler halten.
Der ÖGB hat nun am 17.9. zu Demonstrationen in den Bundesländern unter dem Motto „Preise runter“ aufgerufen – das ist eine sehr wichtige Mobilisierung. Sie kann MfG, FPÖ und Co. die Schneid abkaufen und verhindern dass die Teuerung von rechts aufgegriffen wird. Das Paket der Bundesregierung und der Stadt Wien sind nämlich ein Tropfen auf den heißen Stein. Wie sollen die Menschen auf der Basis von Einmalzahlungen mit einer Verdopplung der monatlichen Energieraten zurecht kommen? Es darf keine Reallohnverluste geben, nicht nur in den starken gut organisierten Branchen, sondern auch in den schwächeren, schlechter organisierten Branchen. Die gemeinsame Demonstration darf aber keine Dampfablassaktion sein – vielmehr könnte sie ein erster Schritt sein um einen gemeinsamen Kampf vorzubereiten, mit öffentlichen Betriebsversammlungen hin zu einem branchenübergreifenden bundesweiten Streiktag – für folgende Forderungen:
-Keine faulen Kompromisse – Lebensstandards verteidigen!
-Keine Reallohnverluste! Für entsprechende Lohnerhöhungen in allen Branchen sowie Anhebung der Pensionen!
-Erhöhung des Arbeitslosengelds (ohne spätere Absenkung des Prozentsatzes wie ursprünglich von Kocher vorgeschlagen!)
-Überführung des gesamten Energiesektors in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung und Entliberalisierung des Energiemarktes!
-demokratische Planung des öffentlichen Energiesektors entlang klimapolitischer und sozialer Kriterien, inklusive Deckelung der Energiepreise für Einzelverbraucher/innen und kleine Unternehmen
-Preisdeckel bei Lebensmitteln und Produkten des täglichen Bedarfs, wenn nötig auch Überführung der großen Handelsketten in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch die arbeitende Bevölkerung
-Rücknahme der Anhebung der Richtwertmieten
-Für einen gewerkschaftlichen Eskalationsplan mit weitergehenden Schritten!
Die Erfahrungen der letzten 20 Jahre zeigen uns, dass der ÖGB mehr Spielraum hat, wenn die SPÖ in Opposition ist (z.B. Streiks gegen die Pensionskürzungen 2003, Mobilisierung gegen den 12-Stundentag 2018). Dass alle Zeichen darauf hindeuten dass die SPÖ in einer neuen Regierung sein wird, wenn die gegenwärtige Regierung kracht, bedeutet, dass der ÖGB bei einer Regierung mit SPÖ-Beteiligung weniger Spielraum haben wird. Wie wird die SPÖ – egal ob in Ampelkoalition oder großer Koalition (so die ÖVP nicht zerbröselt) die multiplen Krisen handeln können? Der Kapitalismus kann die Probleme die er schafft nicht mehr lösen. Alle Instrumente des Krisenmanagement sind aufgebraucht, das Pulver ist verschossen.
Wir brauchen eine Perspektive die mit dem Kapitalismus bricht, mit Überführung des Energiesektors und der großen Industrie in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung – um diese dann ressourcenschonend und klimagerecht planen zu können. Die Krise lässt sich auch nur auf internationaler Ebene lösen. Aber nicht wie die EU das im Moment versucht, indem sie Staaten die nicht vom russischen Gas abhängig sind wie Spanien dazu zwingen will, Deutschland und Österreich den A. zu retten. Diese Staaten erinnern sich noch sehr gut an die harte Linie der wirtschaftlich stärkeren Staaten in Bezug auf Griechenland 2015. Sie lässt sich nur durch internationale Solidarität der Arbeiter/innenbewegung lösen, durch eine freiwillige Föderation auf sozialistischer Ebene – nicht auf kapitalistischer. Dann könnte international nach den Bedürfnissen der Menschen geplant werden, nicht nach den Profiten einiger weniger.
Im Moment liegt die Frage einer neuen Partei in der Luft – das ist Ausdruck der wachsenden Unzufriedenheit und der ernsten gesellschaftlichen Krise die sich gerade entwickelt. Es gibt Gerüchte über eine Abspaltung von der SPÖ aus dem Fussi Lager, gleichzeitig sollen diese Gerüchte aber gestreut worden sein mit dem Ziel die SPÖ in eine Ampelkoalition mit Neos und Grünen zu bringen. Eine solche Abspaltung, vor allem wenn wie kolportiert Kern das Aushängeschild sein soll, wäre aber eher eine Abspaltung in eine liberale Richtung die auf urbane Mittelschichten setzt. Was aber passiert dann mit dem Rest der SPÖ? Was machen die Gewerkschaften? Was macht die FSG? Was macht Doskozil – geht er in eine Richtung wie Sarah Wagenknecht mit einer eigenen Partei? Wenn es tatsächlich eine Abspaltung gibt könnte eine Eigendynamik entstehen die die Karten völlig neu mischt. Egal aus welchem Eck ein neues Projekt entsteht – vor dem Hintergrund der Teuerung stünde in ihr die soziale Frage im Vordergrund. Sie wären in Konkurrenz mit dem Coronagegner-Lager die sich auch auf die Teuerung einschießen. Mit einem Fokus auf Gewerkschaften könnte aber eine neue Partei entstehen, die den Coronagegnern eine Konkurrenz von Links entgegenstellt und Licht in die Verwirrung bringt – vor allem wenn es zu Streiks kommt. Eine neue Partei muss Ausdruck dieser Entwicklungen sein, wirklich demokratisch sein und eine echte Alternative zu den etablierten Parteien bieten, zu ihrem Karrierismus und ihrer Korruption. Funktionär/innen einer solchen Partei sollten z.B. wie Elke Kahr nur einen Durschnittslohn annehmen und den Rest spenden. LINKS und die KP-Graz könnten hier Inititiativen setzen, die als Katalysator wirken und ein Angebot an mögliche Abspaltungen aus der SPÖ machen – mit einem Programm das mit dem Kapitalismus bricht und tatsächliche Antworten auf die oben gestellten Fragen gibt.
