Die Teuerung nimmt im Moment lange nicht gesehene Ausmaße an – und wir alle spüren sie im Geldbörsel. Im Mai hat die Inflation 7,7% betragen, Tendenz steigend. Gerade die unteren Einkommen beginnen bei Lebensmitteln zu sparen (und werden wohl im Winter das Heizen einschränken) – der Kapitalismus kann Grundbedürfnisse nicht mehr abdecken. Für das Ende des Jahres werden Reallohnverluste von 2,5% erwartet, wenn die Löhne nicht deutlich stärker steigen. Dies ist eine Krise die den Lebensstandard der Beschäftigten, von Pensionist/innen, Jugendlichen und Arbeitslosen bedroht – und sie wird von Einmalzahlungen nicht weggehen.
Letzte Woche haben nun sowohl der Bund wie auch die Stadt Wien Entlastungspakete zur Teuerung geschnürt. Sie sind zwar ein kleiner Schritt, aber sie schaffen nicht einmal eine Atempause.
Zum Paket des Bundes:
-Die Inflationsanpassung von Sozialleistungen ist zu begrüßen, dennoch bleiben viele unter der Armutsgrenze (Sozialhilfe, Arbeitslosengeld, Ausgleichszulage)
-Der Fokus des Pakets liegt auf Einmalzahlungen sowie auf der Abschaffung der kalten Progression
-Letztere kommt hauptsächlich Besserverdienern zu gute, die Inflation bei Lebensmittel und Energie spüren aber die unteren Einkommen stärker; dennoch kommt die Abschaffung der kalten Progression auch den besser organisierten und besser verdienenden Teilen der Arbeiter/innenklasse zugute
-Es gibt ein paar Einmalzahlungen für die unteren Einkommen – die schaffen maximal etwas Erleichterung heuer, aber die Preissteigerungen sind ja dauerhaft
-Jene die die Abschaffung der kalten Progression am vehementesten gefordert hatten sind die Unternehmensvertretungen, Neos und ÖVP. Diese wollten die Abschaffung der kalten Progression sogar in Verfassungsrang heben lassen.
-Was vermutlich sinnvoller gewesen wäre: die erste Steuerstufe an die Inflation zu binden und in einem ersten Schritt auf ein Niveau anzuheben, das die Abdeckung der wesentlichen Lebensbedingungen steuerfrei stellt (z.B. den Eingangssteuersatz erst bei Jahreseinkommen 20.000 im Jahr nach Abzug der Sozialversicherung anzusetzen und die erste Steuerstufe – davor ab 11.000 Euro – zu streichen). Dagegen hätte man nicht nur die oberste sondern auch die zwei obersten Steuerstufen unangetastet lassen können (also ab 90.000 Euro Jahreseinkommen)
-Der Umfang des Pakets soll 6 Milliarden heuer bzw. bis zu 28 Milliarden bis 2026 sein – die 28 Milliarden sind der erwartete Ausfall bei den Steuern durch die Anhebung der Steuergrenzen. Das ist aber nur der Fall bei anhaltenden Lohnzuwächsen. Im Grunde kommt es weiter zu Umverteilung weil die unteren Einkommen stärker von der Teuerung betroffen sind und Unternehmen nicht zur Kasse gebeten werden
-Von Lohnerhöhungen oder Mindestlöhnen ist nicht die Rede
-Kein Wort zu den Mieten oder Preisdeckeln. In Frankreich hatten Melenchon und das Bündnis NUPES mit der Forderung nach Preiskontrollen ein sehr gutes Wahlresultat erzielt, was empörte Äußerungen der Kapitalist/innen zur Folge hatte.
-Die Gewinne der Unternehmen werden nicht angetastet
-Problem: Lohnnebenkostensenkung ist nachteilig für Arbeitnehmer/innen – der Unfallversicherungsbeitrag wird reduziert – das könnte neue Angriffe auf die AUVA bedeuten und damit Sparen im Gesundheitssystem
-Da ein Teil des Pakets nicht gegenfinanziert ist (weil ja die Unternehmen nicht zur Kasse gebeten werden), könnte das bedeuten, dass es in der Folge Kürzungen im öffentlichen Bereich geben könnte
Zum Paket der Stadt Wien:
-Argumentation von Hanke ist entlarvend: Gegen die Verteuerung der Fernwärme kann die Stadt Wien nix tun, auch wenn sie Eigentümerin der Wiener Stadtwerke ist, weil: In Wien befinde man sich in einem „liberalisierten Strom- und Gasmarkt“. Deshalb könne man auch „nicht einfach eingreifen“. Wettbewerbstechnisch sei das nicht möglich.
-Daher gestaltet sich das Paket sehr mager: Bei Wien Energie sei nun Ratenzahlung möglich und Strom/Gas werde nicht abgedreht wenn man nicht zahlen kann. Es werde einen Treuebonus geben.
-Auch Wien beschränkt sich auf Einmalzahlungen.
-Die SPÖ zeigt damit dass sie sich darauf beschränkt nach den Spielregeln des Kapitalismus zu spielen – Wien Energie wird nach kapitalistischen Kriterien geführt. Das ist aber kein Naturgesetz. Da Wien Energie im Eigentum der Stadt Wien ist, hätte Wien die Preissteigerungen an Verbrauer/innen und kleine Unternehmen nicht weitergeben müssen.
-Im Moment redet sich Wien darauf hinaus dass sie ja nix machen kann, weil ja bundesweit liberalisiert wurde. Die SPÖ hat zwar insofern Recht, dass man als Stadt selbst im Agieren beschränkt ist, allerdings hätte nichts die SPÖ Wien daran gehindert, zu mobilisieren und eine Kampagne für eine Entliberalisierung zu führen, sowie dafür dass der Bund für einen Preisstopp Geld hergibt.
Stattdessen nötig:
-Strom/Gas-Markt entliberalisieren, wieder zur Gänze in die öffentliche Hand und Eingriffe wieder möglich machen. Die Liberalisierung wurde mit dem Argument vollzogen, dass dann die Preise für die Verbraucher/innen sinken würden – die aktuelle Situation zeigt dass das ein Vorwand war.
-Automatische Abgeltung der Inflation bei den Lohnrunden, damit der eigentlich notwendige Kampf sich auf Reallohnsteigerungen konzentrieren kann
-Mindestens 1800 brutto als kollektivvertraglicher Mindestlohn.
-Für jene durch das Netz aus Kollektivverträgen fallen: Einen gesetzlichen Mindestlohn von 1800 brutto plus 13./14. Gehalt (das ist nämlich eine Leistung die nur in den Kollektivverträgen steht)
-gratis Öffis und Ausbau der Öffis in Netz und Frequenz – auch und besonders am Land
-Richtwertmieten einfrieren bzw. Rücknahme der letzten Erhöhung der Richtwertmieten
-Preisstopp für die Preistreiber
-kontrollieren kann man nur was einem gehört: die Preistreiber gehören in öffentliches Eigentum sodass die Preise kontrolliert werden können und die nicht investierten Profite für Preissenkungen verwendet werden können. So könnte man auch sicherstellen, dass eine eventuelle Streichung der Mehrwertsteuer an die Verbraucher/innen weiter gegeben würde
-Es braucht eine neue Partei der arbeitenden Bevölkerung, die einen Kampf für all diese Forderungen organisiert
-Der Kapitalismus kann der Probleme die er erschafft nicht Herr werden: Die aktuelle Inflation spiegelt nicht nur kurzfristige Probleme wie Lieferketten und Knappheit aufgrund von Krieg wieder. Sie ist (wie auch der Krieg) Produkt eines profitgetriebenen Systems, das seine Krisen immer wieder selbst erschafft. Jeder Versuch ein Problem zu lösen, schafft ein neues, da die grundlegenden Widersprüche nicht angetastet werden. Zum Teil haben z.B. die Rettungspakete für die Banken und Reichen nach der Finanzkrise 2008 die Grundlage für die aktuelle Inflation gelegt. Es sind die Kapitalist/innen die von Krieg und Knappheit profitieren. Wir brauchen eine sozialistische Gesellschaft mit einer international demokratisch geplanten Wirtschaft, die die Bedürfnisse der Menschen in den Vordergrund stellt und nicht die Profite der Mehrheit – und zwar international, da wir mehr denn je in einer global vernetzten Welt leben. Wenn es international eine Knappheit an Produkten gibt, dann müssen diese international geplant verteilt werden. Die Transportunternehmen, die an neuralgischen Punkten in der Lieferkette sitzen müssen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung genommen werden, damit diese nicht von der Knappheit und Teuerung profitieren. Die Arbeiter/innenbewegung braucht daher eine internationale Perspektive und ein internationales Programm, dass den Kapitalismus in Frage stellt.
Der ÖGB müsste:
-den Schwung aus der Preise-runter-Konferenz nutzen und
-eine gemeinsame bundesweite, branchenübergreifende Demonstration organisieren (wie z.B. gerade in Belgien und Britannien geschehen) als ersten Schritt – in einem Aktionsplan für höhere Löhne und Sozialleistungen und sowie für einen Preisstopp
-gemeinsam quer über alle Branchen mobilisieren für gemeinsame Streikaktionen für Reallohnsteigerungen in den Kollektivverträgen die nicht nur die Vergangenheit abbilden sondern auch die Gegenwart
