Kostenlose Pflege für alle – ordentliche Bezahlung und Arbeitsbedingungen für die Pflegekräfte! 

Solidarität mit dem Warnstreik am Med Campus Linz am 21.6.!

Am Donnerstag, dem 12.05.2022 präsentierte die Bundesregierung das „größte Pflege-Reformpaket“ der vergangenen Jahrzehnte. Das Paket umfasst insgesamt 20 Maßnahmen mit einem Volumen von einer Milliarde Euro für den Pflegeberuf, die Ausbildung sowie für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige. Gleichzeitig fand eine Demonstration des Pflegebereichs statt, der klarmachte dass die Reformen nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind. Für 21. Juni ist nun ein Warnstreik des Krankenhauses Med Campus Linz – u.a. für mehr Personal – angekündigt. 

Sehen wir uns die Maßnahmen des Pflegepakets kurz im Überblick an:

-Für Beschäftigte in der Pflege stellt der Bund für die Jahre 2022 und 2023 insgesamt 520 Millionen Euro zur Verfügung. Die Auszahlung erfolgt voraussichtlich als monatlicher Gehaltsbonus, keine Lohnerhöhung. Dieser Gehaltsbonus ist zunächst auf zwei Jahre befristet.

-Ab dem 43. Geburtstag besteht der Anspruch auf eine zusätzliche Entlastungswoche.

-Weiters gibt es Erleichterungen bei der Zuwanderung von ausgebildeten Fachkräften. Diese erhalten einfacher die Rot-Weiß-Rot-Card, also die Arbeitserlaubnis. Außerdem erleichtert die Bundesregierung die Anerkennung von ausländischen Ausbildungen.

-Zur Entlastung der Dipl. Gesundheits- und Krankenpfleger/innen werden die Kompetenzen der Pflegeassistent/innen und Pflegefachassistent/innen erweitert, z.B. dürfen diese künftig Infusionen anschließen und Spritzen geben. Das geplante Auslaufen der Tätigkeit von Pflegeassistent/innen in Krankenanstalten ab Anfang 2025 wird aufgehoben.

-Wer seine erste Ausbildung in einem Pflegeberuf macht, erhält einen Ausbildungszuschuss von mindestens 600 Euro pro Monat. Für Umsteiger/innen, sowie für Wiedereinsteiger/innen gibt es während einer vom AMS geförderten Ausbildung ein Pflegestipendium von mindestens 1.400 Euro pro Monat.

-Für Jugendliche wird es (vorerst als Modellversuch) eine Pflegelehre geben. Sie wird vier oder drei Jahre dauern und mit einem Lehrabschluss als Pflegefachassistenz bzw. Pflegeassistenz enden. 

-Für Menschen mit schweren psychischen Behinderungen und Demenz gibt es eine Erhöhung des Pflegegelds. Damit stehen etwa 20 Stunden zusätzlich pro Monat für die Pflege und Betreuung zur Verfügung. Davon profitieren etwa 8.500 Betroffene.

-Künftig besteht drei Monate Rechtsanspruch auf Pflegekarenz statt bisher ein Monat. Voraussetzung ist, dass dieser Rechtsanspruch in einem Kollektivvertrag oder einer Betriebsvereinbarung vorgesehen ist.

-Die erhöhte Familienbeihilfe wird nicht mehr auf das Pflegegeld angerechnet. Von dieser Maßnahme profitieren rund 45.000 Personen, die 60 Euro pro Monat mehr erhalten.

-Die Bundesregierung schafft einen Angehörigenbonus von 1.500 Euro ab dem Jahr 2023 für die Person, die den größten Teil der Pflege zuhause leistet und selbst- oder weiterversichert ist.

Tropfen auf den heißen Stein

Auf den ersten Blick sieht das alles gut aus, doch wenn man genauer hinsieht, ist das bei weitem nicht genug, um die Lage von Pflegenden und zu Pflegenden dauerhaft zu verbessern: Der Gehaltsbonus für Beschäftigte ist nicht mehr als ein zusätzliches Gehalt pro Jahr und keine dauerhafte – mehr als verdiente – Gehaltserhöhung, die schon unabhängig von der hohen Inflation nötig wäre. Die Regierung und die Unternehmen sprechen immer von Fachkräftemangel – kein Wunder wenn sie die Leute nicht besser bezahlen. Es gibt keine Zusicherungen für den Bonus über die zwei Jahre hinaus. 

Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich

Pflege umfasst ja mehrere Bereiche – jene Pflege die in den Krankenhäuser stattfindet und jene die die Betreuung von Alten und Kranken oder anders pflegebedürftigen in Heimen, der mobilen Pflege oder zuhause betrifft. Beide Bereiche sind in der Pandemie mit starken Belastungen verbunden gewesen. Der Bonus ist quasi eine verspätete Reaktion auf die Pandemie, als zunächst ein Bonus von den Beschäftigten in diesen Bereichen gefordert wurde. Jetzt aber ist angesichts der Inflation die Lohnentwicklung viel stärker Thema. Gleichzeitig gilt es dem Personalmangel entgegenzuwirken. Ein Schlüssel dazu wäre eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich, wie sie von der Bewegung schon seit Jahren gefordert wird. Stattdessen sind die Kolleg/innen immer noch gezwungen Teilzeit zu arbeiten, die kaum eingehalten wird, und fallen so zum Teil um die Überstundenzuschläge um. Von Verkürzung der Wochenarbeitszeit ist im Paket aber keine Rede, auch wenn es Anspruch auf eine weitere Urlaubswoche ab dem 43. Lebensjahr gibt. 

24-Stunden-Betreuung ausgeklammert

Seit der Abschaffung des Pflegeregresses (der bedeutet hat dass der Staat Zugriff auf das Erbe der zu Pflegenden hat, wenn sich diese in ein Heim begeben) sind die Zahlen der in Heimen gepflegt werdenden wieder gestiegen. Viele zu Pflegende waren davor aufgrund des Pfelgeregresses auf die 24-Stunden-Betreuung zuhause ausgewichen. In der Pandemie wurde aber auch ersichtlich, welche Schwächen das System hat – auch hier war der eklatante Personalmangel ein massiver Faktor. 

Zum Bereich der 24-Stunden-Betreuung gibt es noch keine konkreten Ansagen. Sie wurde im Paket ausgeklammert. Die 24-Stunden-Betreuung ist in Österreich kaum gesetzlich geregelt und sind zumeist Scheinselbständige, die über ein Pflegeunternehmen an die Klienten vermittelt werden. Diese sind zumeist privat, weswegen die Löhne sehr gering sein müssen, damit Klienten sich überhaupt eine 24-Stunden-Betreuung leisten können (es gibt einen Zuschuss, der aber seit der Einführung 2007 nicht angehoben wurde). Hier liegt das Grundproblem: man “kann” keine gerechten Löhne ausbezahlen, da Pflege leistbar bleiben muss, die Unternehmen jedoch auch Profit machen müssen, damit sie überhaupt Pflege anbieten können (Jene Organisationen die die Pflegekräfte für die 24-Stunden-Pflege zuteilen sind privat organisiert). Gleichzeitig haben 24-Stunden-Pflegekräfte nicht ausreichend Pausen – bzw. wenn sie diese haben, müssen die Angehörigen einspringen. 

Gesundheits- und Pflegesektor in die öffentliche Hand unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung!

Die einzige Möglichkeit dieses Problem wirklich zu lösen (und nicht bloß zu verbessern), wäre den gesamten Pflegebereich komplett in öffentliches Eigentum zu überführen, unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der zu Pflegenden. Das würde ermöglichen dass Pflege tatsächlich nicht auf Markt und Gewinn ausgerichtet ist sonder am Bedarf und den Bedürfnissen der Menschen. Denn auch der Pflegebereich, in dem die verschiedenen NGOs der Sozialwirtschaft aktiv sind, ist zumindest teilprivat organisiert und bedeutet dass Profite gemacht werden und die zu Pflegenden zahlen müssen. 

Vernetzung kämpferischer Kolleg/innen in den Gewerkschaften

Die Gewerkschaft hat mit der Demonstration am Tag der Pflege auf den Druck von unten von den Beschäftigten in diesem Bereich reagiert. Es gab bereits seit Jahren immer wieder Mobilisierungen bis hin zu Streiks in diesem Bereich. Es gibt in diesem Bereich auch gewerkschaftliche Basisinitiativen von Beschäftigten (“Sozial aber nicht blöd” und “Solidarität – für faire Löhne & Arbeitsbedingungen”), die dazu geführt haben, dass die Gewerkschaftsführung gezwungen war zu mobilisieren – übergreifend über die Fachgewerkschaften, denn dieser Bereich beinhaltet die Gewerkschaften, Younion, GÖD, GPA und Vida. Hier muss angeknüpft werden, es gilt Druck von unten in den Gewerkschaften aufzubauen, um die Gewerkschaften in demokratische und kämpferische Organisationen umwandeln kann – die auch fähig sind Kämpfe zu gewinnen. Das kann in Form einer Vernetzung von kämpferischen Kolleg*innen und Betriebsgruppen geschehen, die für einen Kurswechsel der Gewerkschaftsführung, für eine politische und personelle Veränderung in den Gewerkschaften einstehen. „Sozial aber nicht blöd“ und „Solidarität“ sollten dahingehend gemeinsame Initiativen in den Gewerkschaften und Betrieben setzen. Wenn es zu Streikaktionen kommt, ist es sehr wichtig, dass Schritte gesetzt werden, um Kolleg/innen in die Organisierung des Streiks einzubeziehen, durch regelmäßige Diskussionen bei Betriebsversammlungen, die über nächste Schritte entscheiden und Streikkomitees wählen um diese Entscheidungen umzusetzen.

Neue Arbeiter/innenpartei nötig!  

Die SPÖ ist über die Stadt Wien ein wichtiger Arbeitgeber in diesem Bereich – sowohl über den Krankenanstaltenverbund wie auch Vorfeldorganisationen wie die Volkshilfe. Die SPÖ Führung hat in den vergangenen Jahrzehnten gelegentlich beschränkte soziale Verbesserungen umgesetzt (z.B. Gratiskindergarten in Wien, die kostenlosen Covid-Testungen). Da die SPÖ die Logik und Spielregeln des Kapitalismus aus Prinzip akzeptiert, nimmt sie aber im Krisenfall auch Kürzungen in Kauf um sich an das Budget zu halten (sie war u.a. für die Spitalsreform 2010-2015 verantwortlich die Einsparungen in den Spitälern bedeutet hat). Sie ist daher kein verlässlicher Bündnispartner und keine grundsätzliche Alternative zur schwarzgrünen Bundesregierung – es braucht eine neue Arbeiter/innenpartei die die Interessen der Beschäftigten vertritt und das System herausfordert.

Sozialistische Perspektive

Wir befinden uns aktuell in einer wirtschaftlich und politisch instabilen Situation – mit der Teuerung steigen die Lebenserhaltungskosten der Menschen massiv, das betrifft sowohl Pflegekräfte wie auch zu Pflegende und ihre Angehörigen. Gleichzeitig sind die wirtschaftlichen Perspektiven sehr unsicher mit der Gaskrise und der internationalen Lage. In einer solchen erneuten Krise werden Unternehmen und Regierungen wieder versuchen diese auf die Menschen abzuwälzen, Jobs werden abgebaut und Kürzungen drohen. Um dem entgegenzuwirken brauchen wir Organisationen als Instrumente um unseren Lebensstandard zu verteidigen. Diese benötigen eine sozialistische Perspektive, um nicht klein beizugeben.  

Streik im Med Campus Linz

Der Gesundheitssektor muss massiv ausgebaut werden, nicht nur um auf eine neuerliche eventuelle Covid-Welle im Herbst vorbereitet zu sein, sondern damit der Normalbetrieb so läuft dass keine Menschenleben gefährdet werden, dass man nicht ewig auf Operationen wartet und dass nicht kleinste Unwegbarkeiten das System aus den Angeln heben. Im Med Campus Linz (ehemaliges AKH Linz) findet am 21. Juni ein Warnstreik für mehr Personal statt, bei dem nur der Notbetrieb aufrechterhalten wird. Im Gesundheitsbereich sind Streiks freilich sensibel. In der Charité in Berlin wurde eine Streikform entwickelt, die Stationsschließungen und Bettenschließungen beinhaltet und so die Verantwortung dem Arbeitgeber überträgt. Diese müssen dann dafür sorgen dass Patient*innen in andere Spitäler verlegt werden bzw. keine neuen Patient*innen aufgenommen werden. Denn die Menschenleben sind durch den Status Quo gefährdet und ein Streik hat die Aufgabe einen Kampf dafür zu führen, die Situation so zu verbessern, dass das nicht mehr passiert. Es ist daher nötig, Solidarität für die Kolleg*innen des Med Campus zu organisieren – durch den ÖGB stellvertetend für Patient*innen und andere Kolleg*innen im Gesundheitsbereich. Wenn sich der Streik auf andere Spitäler und Bereiche ausweitet, ist dies die beste Voraussetzung dafür dass er erfolgreich ist! Für die Notversorgung könnten in so einem Fall Notfallpläne durch die Streikkomitees organisiert werden, wir können nicht zulassen dass das Management entscheidet wie der Streik abläuft. 

Anspruch auf Pflege muss ein Menschenrecht sein! Kostenlose Pflege für die zu Pflegenden – ordentliche Entlohnung und Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte!

Die Pandemie hat klar gemacht, dass der Kapitalismus grundlegende Bedürfnisse nicht abdecken kann. Anspruch auf Pflege muss ein Menschenrecht sein und darf die zu Pflegenden nichts kosten. Gleichzeitig müssen die Pflegenden aber ordentlich entlohnt werden. Es muss genügend Pflegeangebot geben, sodass die Pflege dann nicht durch Angehörige (zumeist durch Frauen) verrichtet werden muss. Der Gesundheitsbereich muss ausfinanziert werden. All das ist finanzierbar – für Aufrüstung ist das Verteidigungsministerium bereit 6-10 Milliarden auszugeben. Die reichsten zehn Familien in Österreich haben in den letzten beiden Jahren ihr Vermögen um 16,5 Milliarden Euro vergrößert. In einer sozialistischen Gesellschaft wäre dieses Recht verwirklicht, gleichzeitig gäbe es eine radikale Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich, eine Aufteilung der vorhandenen Arbeit auf alle, sodass die Belastungen aufgeteilt werden. Pflege wäre eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Angehörige würden von dieser Bürde freigespielt werden. Wir brauchen eine sozialistische Gesellschaft, die die Bedürfnisse der Menschen ins Zentrum stellt – im Gegensatz zum nach Profiten organisierten Kapitalismus. Das würde die Bedingungen für zu Pflegende und Pflegekräfte radikal verbessern.

In den Worten einer Pflegekraft aus der mobilen Pflege:

„Politiker/innen sprechen vom „größten Pflegereformpaket seit Jahren“ und tatsächlich – es ist genau das – jedoch zeigt dies nur wie sehr der Pflegebereich vernachlässigt wurde. Wir verdienen mehr als bloß einen Gehaltsbonus. Ich möchte nicht undankbar sein, ein Bonus ist besser als nichts, jedoch hätten die letzten Jahre der Pandemie aufzeigen sollen, wie wichtig die Pflege ist. Wir sind einer der Grundpfeiler der Gesellschaft und wenn ein Pfeiler porös ist, bricht irgendwann alles zusammen. Falls nun jemand meinen möge, dass das doch etwas übertrieben ist, so überlegt euch nur, was passieren würde, wenn an einem Tag jede Arbeiterin und jeder Arbeiter im Pflegebereich in ganz Österreich aufstehen würde, die Arbeit niederlegen würde, zusammenstehen würde und für 24 Stunden in den Streik treten würde – es würde nicht bloß Flugverspätungen geben, ein solcher Streik würde zeigen, wie zentral wichtig der Pflege- und Gesundheitssektor ist. Dabei ist alles was wir verlangen, eine angemessene Entlohnung und humane Arbeitsbedingungen. Die neuen Reformen sind hierbei zwar ein Anfang, aber noch bei weitem nicht genug.“

„Nach der Frage nach meiner Arbeit bekomme ich immer Mitleid mit einem Hauch Bewunderung als Antwort. Und es wundert mich nicht, mittlerweile ist unsere Situation mehr als bekannt – keine faire Entlohnung, enormer Fachkräftemangel, gar nicht zu sprechen von den Arbeitszeiten. Die neue Reform soll mehr Arbeitskräfte bringen, doch ich fürchte, solange die Arbeitszeiten und der Lohn nicht besser geregelt sind, werden sich trotz des einfacheren Zugangs zur Ausbildung nicht mehr Menschen für einen solchen Beruf entscheiden. Nach all dem was die Medien über die Probleme in der Pflege preisgegeben haben, wer, der nicht unbedingt eine wahre Berufung für einen solchen Beruf fühlt, würde sich entschließen eine Ausbildung im Pflegebereich zu machen, wenn er/sie für denselben Lohn eine weit leichtere Arbeit mit weit besseren Arbeitsbedingungen bekommen kann? Es werden definitiv weit mehr Reformen notwendig sein, als ein auf zwei Jahre befristeter Bonus und ein leichterer Zugang zur Ausbildung – es reicht auch nicht auf einen Dekubitus Typ III etwas Bepanthen zu schmieren.“