Putins brutales Regime entstand unter Bedingungen wirtschaftlicher Anarchie, als sich inmitten des Zusammenbruchs der früheren Planwirtschaft eine neue Kapitalist*innenklasse bildete. Peter Taaffe rezensiert ein kürzlich erschienenes Buch, das anschaulich beschreibt, was passiert ist.
Dieser Artikel erschien zunächst auf socialistworld.net
Catherine Belton, eine ehemalige Journalistin der Financial Times, hat 2021 eine äußerst vernichtende Kritik geschrieben über den Aufstieg und die Konsolidierung des staatskapitalistischen Putin-Regimes nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in den frühen neunziger Jahren. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die genau verstehen wollen, wie Wladimir Putin, ursprünglich ein sehr unbedeutender KGB-Beamter mit Wurzeln im Stalinismus, in der Lage war, einen „Mafia-Staat“ zu errichten – allerdings in einem gigantischen Ausmaß im Vergleich zur italienischen Mafia – und wie dies zu den schrecklichen Verwüstungen in der Ukraine geführt hat.
Sie beschreibt zutreffend und in grellen Details, wie der „ursprüngliche KGB“ in der Lage war, sich von einem Teil der verrotteten stalinistischen Bürokratie in eine kapitalistische Staatsmaschine zu verwandeln. In der Tat war der alte KGB in der Lage, durch Putin und seinen Zweig der stalinistischen Geheimpolizei mit Sitz in Leningrad-St. Petersburg nach dem Zusammenbruch des Stalinismus den größten Raub der Produktivkräfte in der Geschichte durchzuführen. Diesem KGB-Staat, der sich um die Leningrader Silowiki (starke Männer) gruppierte, gelang es über einen gewissen Zeitraum, die Macht und einen beträchtlichen Teil der Produktivkräfte in den eigenen Händen zu konzentrieren.
Die Autorin beschreibt, wie sich Putin aus einem Geheimpolizisten entwickelte, dessen Kaste das stalinistische Regime vor allem gegen die Möglichkeit eines Aufstands der Arbeiter*innen verteidigen sollte. Dabei drückte er der Regierung und dem Staat, den er nun verkörpert, seinen eigenen politischen Charakter auf. Wie einer seiner Kumpane über Putin sagte, „wurde er von Gott gesandt, um das Land zu retten“. Catherine Belton beschreibt, dass diese Schergen gleichzeitig „zu seinem Wohlgefallen dienten. Diese Ja-Sager verstanden die tiefe Heuchelei des Systems, die Scheindemokratie, die von der Kremlpartei ‚Vereintes Russland‘ repräsentiert wurde, und wie tief korrupt sie geworden war. Sie wurden als Mittel zur Selbstbereicherung benutzt. Das war weit entfernt von den antikapitalistischen, antibürgerlichen Prinzipien des Sowjetstaates, dem sie einst gedient hatten. Diese Leute [die Putin unterstützt haben] sind eine Mischung aus dem ‚homo sovieticus‘ und dem wilden Kapitalismus der letzten 20 Jahre. Sie haben so viel gestohlen, um ihre Taschen zu füllen. Alle ihre Familien leben irgendwo in London. Wenn sie sagen, dass sie jemanden im Namen des Patriotismus vernichten müssen, sagen sie das aufrichtig. Aber wenn sie es auf London abgesehen haben, werden sie zuerst ihre Familien von dort wegschaffen.“
Diese Kreaturen, „die jetzt im Kreml arbeiten, sagen – mit absoluter Aufrichtigkeit – wie toll es ist, dass sie so reich werden können… In den 90er Jahren war das inakzeptabel. Man musste entweder in die Wirtschaft gehen oder für das Land arbeiten. Jetzt vergeben die Minister Lizenzen, um Geld zu verdienen. Und natürlich kommt das alles vom Chef. Das erste Gespräch, das Putin mit einem neuen Staatsangestellten führt, lautet: „Das ist Ihr Geschäft. Teilen Sie es nur mit mir. Wenn dich jemand angreift, werde ich dich verteidigen… und wenn du das nicht tust [d.h. deine Position als Geschäft nutzt], bist du ein Idiot“.
Belton weist außerdem auf den tiefen Zynismus und die machtgierigen Charaktere hin, die Putin umgeben, wobei einer erklärt: „Sehen Sie sich die Leute um Putin an… Ich sehe sie an und sie glauben an nichts. Sie verstehen, dass das alles Mist ist. Vereintes Russland ist Mist, die Wahlen sind Mist, der Präsident ist Mist… und dann gehen sie auf die Bühne und sagen, wie toll alles ist. Alle Trinksprüche, die sie tätigen, sind totale Lügen… es herrscht ein solcher Zynismus… sie stehlen von allen Seiten. Dann kommen sie raus und reden darüber, wie Putin gegen die Korruption kämpft. Ich sehe sie an und denke: Das ist das Ende.
Die Autorin fasst die Situation zusammen, indem sie einen offenen Austausch zwischen zwei Bürokraten aus dem Umfeld Putins aufzeichnet, die vor dem System zurückschrecken, das sie mit geschaffen haben. Dieses System führte zum „Aufstieg von Putins KGB-Kohorte an die Macht und dazu, wie sie mutierte, um sich im neuen Kapitalismus zu bereichern. Es ist die Geschichte der überstürzten Machtübergabe zwischen Jelzin und Putin und wie sie den Aufstieg eines ‚deep states‘ von KGB-Sicherheitsleuten ermöglichte, der während der Jelzin-Ära immer im Hintergrund lauerte, nun aber auftauchte, um die Macht für mindestens 20 Jahre zu monopolisieren und schließlich den Westen zu gefährden“.
Sie kommt zu dem Schluss, dass „das von Putins Männern geschaffene System ein hybrider KGB-Kapitalismus war, der darauf abzielte, Geld anzuhäufen, um Amtsträger*innen im Westen zu kaufen, [die] nach dem Ende des Kalten Krieges die sowjetischen Taktiken der nicht allzu fernen Vergangenheit längst vergessen hatten. Die westlichen Märkte stürzten sich auf den neuen Reichtum aus Russland und schenkten den kriminellen KGB-Kräften dahinter wenig Beachtung. Der KGB hatte schon vor langer Zeit – am Vorabend des Zusammenbruchs der Sowjetunion – eine Allianz mit dem russisch organisierten Verbrechen geschmiedet, als vom Staat Edelmetalle, Öl und Rohstoffe im Wert von Milliarden Dollar an Unternehmen übertragen wurden, die mit dem KGB verbunden waren. Von Anfang an waren die Auslandsgeheimdienstleute des KGB bestrebt, „Schwarzgeld“ anzuhäufen, um ihren Einfluss in den Netzwerken, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion längst zerschlagen schienen, aufrechtzuerhalten und zu bewahren. Unter Jelzin blieben die Kräfte des KGB eine Zeit lang im Hintergrund, aber als Putin an die Macht kam, trat die Allianz innerhalb des KGBs zutage und zeigte ihre Zähne.“
Von Obskurität in Dresden nach Moskau
Belton beschreibt weiter, wie Putin von einem kleinen Agenten im ostdeutschen Dresden, über Berlin zur Zeit des Zusammenbruchs des Stalinismus, dann zur Hauptperson in dem Prozess aufstieg, der zu der gegenwärtigen Katastrophe und dem Schrecken davor geführt hat.
Ende der 1990er Jahre begannen die jungen Tycoons, die ein Produkt dieses Zusammenbruchs waren, das Erbe der Vergangenheit – sinkende Produktion und hohe Verschuldung – in ein gewisses Wachstum der Wirtschaft der ehemaligen Sowjetunion umzuwandeln. Aber sie hatten dazu beigetragen, „diese neuen Milliardär*innen durch die Darlehen für Aktienoptionen zu schaffen, was sie nie vergeben oder vergessen würden und die den Kern für die spätere Revanche des KGB bilden würden… Der KGB hielt sich damals im Hintergrund und war in der Lage, einen Großteil des Geldflusses aus den Ölquellen des Landes zu kontrollieren… aber er wurde überlistet und die finanziellen Zügel wurden ihm aus der Hand genommen. Dies war ein Wendepunkt, an dem die neuen Tycoons von Russlands neuem riesigen Ölreichtum den Grundstein legten zur Entstehung der Oligarch*innen, die erheblichen Einfluss auf die geschwächte Jelzin-Regierung hatten. Die verbliebenen Mitglieder der alten Sicherheitsgarde wurden entlassen, und es begann ein Wettlauf um den neuen Reichtum“. Ein ehemaliger hochrangiger Offizier des Auslandsgeheimdienstes kommentierte dies jedoch so: „Die Oligarch*innen vergaßen, wem sie etwas schuldeten“.
Einer der Neureichen, Michail Chodorkowski, der selbst aus der ehemaligen Bürokratie stammte, bemerkte in der Eile, mit der er seinen neu angehäuften Reichtum anhäufte, „nicht, dass in der Nähe, in St. Petersburg, eine Kälte in der Luft lag“. Die Dinge wurden dort anders gehandhabt. Abgeschieden vom Goldrausch des Moskauer Wirtschaftsbooms übten die Kräfte des KGB in der Stadt, in der die Wirtschaft härter und dunkler war, eine weitaus größere Kontrolle aus. Die Gruppe, die die Stadt übernommen hatte, war Teil einer Verbindung von organisiertem Verbrechen und KGB-Männern, die in den 1990er Jahren in St. Petersburg das Sagen hatten, und Putin stand im Mittelpunkt dieser Verbindung.
Anders als in Moskau, wo sie sich weitgehend im Schatten aufhielten, waren sie hier viel sichtbarer: „St. Petersburgs Wirtschaft war viel kleiner als die Moskaus, der Kampf um Bargeld bösartiger, und das Büro des Bürgermeisters hatte Tentakel, die in die meisten Unternehmen reichten“. Der Hauptgrund für den starken Einfluss des KGB war, dass der Bürgermeister, Anatoli Sobtschak, Putin zusammen mit einem anderen prominenten Bürokraten den täglichen Überblick über den Handel überließ. Catherine Belton kommentiert: „Im Chaos des Zusammenbruchs der Sowjetunion schienen die Institutionen der Macht zu zerfließen. Organisierte Gansterbanden füllten das Vakuum, indem sie Schutzgelderpressungen durchführten, lokale Unternehmen erpressten und den Handel übernahmen“.
In dieser gewalttätigen, düsteren Welt war Sobtschak überfordert, aber der ehemalige KGB-Agent Putin fühlte sich in dieser Welt zu Hause und wurde von den Gangstern um ihn herum voll und ganz verstanden. Sie schlossen eine Allianz. Das System war zusammengebrochen, aber ein Teil davon war geblieben, insbesondere die Allianz zwischen Putin, seinen KGB-Verbündeten und dem organisierten Verbrechen, das „einen großen Teil der Wirtschaft der Stadt zu ihrem eigenen Nutzen betrieb“. Sie verfügten über einen Schmiergeldfonds, der seine Wurzeln in den Tauschgeschäften der vom KGB geführten Unternehmen hatte. Daran beteiligt war die St. Petersburger Tambov-Gruppe. Einem örtlichen FSB-Offizier zufolge bestand deren Geschäft aus „Mord und Raub“. Schließlich wurde Sobtschak ermordet, als Putin nach Moskau weiterzog.
Die St. Petersburger Mobster übernahmen die Macht. Sie begannen mit der Privatisierung der Tambov-Gruppe. Dazu kauften sie Aktien von den armen Hafenarbeitern auf, die diese als staatliche Gutscheine für ihren Anteil an dem verstaatlichten Unternehmen erhalten hatten. Dies wurde zu einem Modell für die gesamte ehemalige sowjetische Wirtschaft. Wie der Autor kommentiert: „Als Putin und seine KGB-Männer sich ihrer Kontrolle über die Wirtschaft der Stadt immer sicherer wurden, begannen sie, ihre eigenen bourgeoisen Träume zu träumen“. Putin hatte seinen ehemaligen Seniorpartner Sobtschak eingesetzt – dessen letztendliche Ermordung auf Putin selbst zurückgeführt werden konnte – um seine Position zu festigen. Er nutzte seine bürokratischen kriminellen Aktivitäten als Sprungbrett für die ultimative Macht in Moskau und im übrigen Russland.
Wirtschaftlicher Zusammenbruch
Währenddessen wurden unter dem Jelzin-Regime die wirtschaftlichen Probleme, die sich aus der Auflösung der Planwirtschaft ergaben, immer deutlicher. Unter Jelzin steuerte das Land auf die Rückkehr des Marktes und gleichzeitig auf eine drohende wirtschaftliche Katastrophe zu. Ehemalige KGB-Mitglieder, darunter auch Putin, versammelten sich im August 1998 und erklärten, dass der KGB bald wieder an die Macht zurückkehren würde: „Wir werden Ihnen nicht sagen, wer es ist, aber er ist einer von uns, und wenn er Präsident ist, sind wir wieder da“.
Als Beispiel für die Verschwendung von Ressourcen des russischen Volkes berichtet Catherine Belton, dass „Jelzin während eines offiziellen Besuchs in Budapest in Ungarn offenbar 1 Million Dollar ausgegeben hat“. Kein Wunder also, dass Jelzins Popularität auf einem historischen Tiefstand von 4 % lag. Zur gleichen Zeit wurde der Kreml rekonstruiert, wobei 50 kg reines Gold für die Dekoration der Säle und 662 Quadratmeter feinste Seide für die Verkleidung der Wände verwendet wurden. Der Kreml sollte seinen „zaristischen Glanz“ wiedererlangen und einen deutlichen Kontrast zu den Jahrzehnten der „kommunistischen Herrschaft“ bilden. „Als alles fertig war, waren ausländische Staatsoberhäupter wie Bill Clinton und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl von der Pracht überwältigt“.
Die Neureichen taten alles, um Putins Rolle zu festigen, insbesondere die Oligarch*innen, die unter Jelzin enorm profitiert hatten, und infolgedessen vergrößerte sich die Kluft zwischen Arm und Reich enorm. Eine Schätzung besagt, dass „fast 50 % des BIP des Landes von den Unternehmen von nur acht Familien erwirtschaftet werden“. Weiter hieß es: „Wenn es so weitergeht, werden sie bald 50 % kontrollieren… und alle Gewinne fließen in private Taschen. Es wurden keine Steuern gezahlt. Das war Plünderung pur… ein Weg ins Nichts“. Tatsächlich war es ein Weg in eine sehr reiche Zukunft für die Oligarch*innen und die Neureichen, die unter der Herrschaft von Jelzin florierten, und noch mehr, als Putin fest an der Macht war.
Putin nutzte seine Position, um seine Macht Schritt für Schritt zu konsolidieren, sowohl in Russland selbst als auch in den autonomen Regionen der ehemaligen UdSSR, die sich mit neuen, Moskau und Putin selbst unterstellten Super-Gouverneuren wiederfanden. Boris Beresowski, ein Vertreter der neuen Elite, bezeichnete Putin sogar als einen „Diktator“.
Unglaublich detailliert werden die stalinistischen Methoden Putins beschrieben, mit denen er jede Opposition ausschalten wollte, insbesondere diejenigen, die sich in seinem unmittelbaren Umfeld befanden. Die Abschnitte des Buches, die sich mit der Bedrohung durch Chodorkowski, dem Verfechter einer noch stärkeren Privatisierung, befassen, sind aufschlussreich. Er setzte auf die Unterstützung der Neureichen, aber sein Spiel ging gründlich schief. In einer Fernsehsendung prangerte er die zunehmende Korruption im Staat an und behauptete, dass die Korruption im Lande 10 % des BIP erreicht habe, was 30 Milliarden Dollar pro Jahr entspreche. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die jährlichen Steuereinnahmen auf etwa 30 % des BIP geschätzt wurden. Putin setzte alle seine Waffen gegen Chodorkowski ein, der die übermäßige Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten angeprangert hatte. Dies zog den ganzen Zorn des Präsidenten und des von ihm kontrollierten Staates auf sich, was schließlich zum Fall Chodorkowskis und zu seiner zehnjährigen Inhaftierung führte.
Chodorkowski war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung der reichste Mann Russlands. Seine Verhaftung löste bei den Neureichen Schockwellen aus. Ein Oligarch erklärte, dass die Neureichen „nicht sagen können, sie seien die rechtmäßigen Eigentümer*innen. Die Privatisierung hat kein rechtmäßiges Eigentum geschaffen. Die anderen Oligarch*innen haben das sehr wohl verstanden. Niemand von ihnen behauptete, Eigentümer*in der Unternehmen zu sein. Sie haben verstanden, dass sie nur Shareholder sind“. Belton meint, dass das, was mit Chodorkowski passiert ist, eine Rache für die 1990er Jahre war, als der KGB gezwungen war, am Rande zu warten: „Was jetzt unter Putin geschieht, ist die Revanche des KGB… Der KGB hat die Oligarchie geschaffen. Er musste ihr dienen. Jetzt rächen sie sich“. Sie konnten ihr Handeln rechtfertigen, so der Autor, „indem sie sich einredeten, dass sie die Übergabe der reichsten Ölvorkommen des Landes an den Westen verhindern wollten“. Zusammen mit der Inhaftierung Chodorkowskis reichte dies damals als Vorwand aus, um das Putin-Regime zu unterstützen.
Dies führte zu einer Situation, in der „die gesamte Oligarchie sich vor Putin verbeugte und ihm dies und jenes anbot und ihn um Erlaubnis für die kleinste Sache bat“. Das ständige Verbeugen und Buckeln vor ihm stieg Putin zu Kopf. Er begann, „an seine Macht als neuer Zar zu glauben“. Er wurde ermutigt, härtere und autoritärere Entscheidungen zu treffen, aber auch schreckliche Fehler zu begehen, wie den Krieg gegen Tschetschenien und das anschließende Blutbad. Dies ist vergleichbar mit dem monumentalen Fehler, der sich bei dem aktuellen Angriff auf die Ukraine gezeigt hat und der enorm nach hinten losgehen könnte.
Die russische Zentralisierung wird konsolidiert
Der Verlust der Ukraine in der „Orangen Revolution“ von 2004-2005 traf die zentralrussischen Bürokratie sehr stark. Die Ukraine war die drittgrößte Sowjetrepublik nach Russland selbst und Kasachstan. Es wurde viel in die Industrialisierung der Ukraine investiert, die einst eine landwirtschaftlich geprägte Region war, sich aber zu einem wichtigen Zentrum für die Herstellung von Rüstungsgütern entwickelte, unerlässlich für Russland. Außerdem war die Ukraine eine wichtige Transitroute für Russlands strategisch wichtigste Öl- und Gasexporte. Etwa 85 % der russischen Gasexporte nach Europa wurden über das ukrainische Pipelinenetz abgewickelt. Gleichzeitig war die Halbinsel Krim nach wie vor wichtig für die militärischen Interessen des russischen Staates, insbesondere als Marinestützpunkt.
Die Orange Revolution war ein Rückschlag für die Pläne des Kremls, denn sie leitete die Abspaltung der Ukraine von Russland ein. Putin erklärte öffentlich, dass „der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte Tragödie des zwanzigsten Jahrhunderts“ gewesen sei. Damit meinte er nicht eine Tragödie im Sinne des ursprünglichen Konzepts von Lenin, Trotzki und den Bolschewiki. In krassem Gegensatz zu Putin standen die Führungspersönlichkeiten der russischen Revolution für einen völlig freiwilligen Zusammenschluss verschiedener Nationen zu einer Gemeinschaft, die zum gegenseitigen Nutzen aller vereinigten Nationalitäten zusammenkam. Die Zwangselemente wurden später vom Stalinismus eingeführt, um die Nationalitäten in einer undemokratischen stalinistischen so genannten „Föderation“ zu halten. Als jedoch die Sowjetunion zusammenbrach und mit ihr die Planwirtschaft, die durch den wilden Kapitalismus ersetzt wurde, begannen die Nationalitäten, sich gewaltsam von dem zu trennen, was für sie die Verweigerung ihrer legitimen nationalen und demokratischen Rechte bedeutete.
Während der Orangen Revolution übernahmen Demonstrant*innen die Macht und errichteten eine Zeltstadt in Kiew, die mit Verboten und Schüssen beantwortet wurde. Ein hochrangiger russischer Regierungsbeamter erklärte damals, „dass Russland bereit sei, einen Krieg um die Krim zu führen, um seine Militärbasis dort und die russischstämmige Bevölkerung zu schützen, wenn die Ukraine sich weiter nach Westen orientiere“. Damals haben Putin und seine Agenten die Führung dieser Bewegung erstmals ohne jeden Beweis als „Neonazis“ denunziert – eine List, die zur Rechtfertigung der jetzigen Invasion noch einmal wiederholt wird.
Gleichzeitig häuften die Oligarch*innen, die Putins feste Basis bildeten, immense Reichtümer an. Sie mussten sich in anderen Ländern umsehen. Die Kapitalflucht auf westliche Bankkonten war unüberschaubar geworden. Eine Schätzung von kapitalistischen Expert*innen ergab, dass seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 800 Milliarden Dollar im Ausland gebunkert wurden – mehr als das Vermögen der gesamten russischen Bevölkerung“. Dies ermöglichte es ihnen nicht nur, „als Russlands neuer Adel zu leben, sondern auch strategische Vorräte an Schwarzgeld anzulegen“. Dieses Bargeld war für alle Arten von Investitionen nützlich, einschließlich des Aufkaufs begehrter Immobilien in der ganzen Welt. London wurde unter den Tory-Regierungen und insbesondere unter Boris Johnsons „wohlwollendem“ Regime so sehr begünstigt, dass es bald als „Londongrad“ bekannt wurde.
Die Verschwendungssucht Putins zeigte sich in den Ausgaben für Eitelkeitsprojekte wie die Olympischen Winterspiele in Sotschi, die dreieinhalb Mal teurer wurden als das Projekt der NASA, einen Rover zum Mars zu schicken!
Das Ausmaß der Korruption zog unweigerlich gleichgesinnte Gangster wie Donald Trump an. Im Jahr 2008 tauchte ein russischer Tycoon am Horizont auf, der Trump mit finanzieller Unterstützung bei der Deckung seiner legendären Schulden aushalf. Als Trump dann 2016 die Präsidentschaftswahlen gewann, so Belton, „konnten die Russen ihr Glück zunächst nicht fassen. Die Szenen im russischen Parlament waren zum Brüllen komisch. Als ein Abgeordneter am Morgen in die Parlamentssitzung rannte, um die Nachricht vom Sieg Trumps zu verkünden, sprang der ganze Saal auf und applaudierte lautstark. Am Abend wurde Champagner ausgeschenkt“. Ein russischer nationalistischer Abgeordneter erklärte: „Es ist phänomenal, wie nahe sich [Putin und Trump] in der Außenpolitik stehen“. Belton stellt dann die faszinierende Frage: „Hatte Russland eine monumentale Operation durchgeführt, um seinen Mann im Weißen Haus zu installieren?“
Instabiles Regime
Das blutige Drama in der Ukraine ist bei Redaktionsschluss noch nicht zu Ende. Eines ist jedoch sicher: Als Putin, aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch, diese Invasion startete, glaubte er, den Widerstand der ukrainischen Massen und den Zorn der übrigen Welt einfach beiseite fegen zu können. Doch statt siegreicher Paraden werden derzeit die Leichensäcke der russischen Truppen zurückgebracht, was den ohnehin wachsenden Widerstand weiter anheizt. Dies wiederum hat Putin dazu veranlasst, in seiner Unterdrückung der Ukraine noch weiter zu gehen. Er versucht, dieselben Methoden und dieselben Armeegeneräle einzusetzen, die in Syrien eingesetzt wurden und die im dortigen Bürgerkrieg Aleppo brutal und wahllos bombardiert haben. Solche Methoden werden nur dazu dienen, die öffentliche Meinung in der Welt weiter gegen Russland aufzubringen und den Widerstand in der Ukraine zu verstärken.
Die russischen Arbeiter*innen werden die sozialistischen Traditionen von 1905 und 1917 wiederentdecken. Sie werden die Idee des demokratischen Arbeiter*innenstaates der aus der russischen Revolution hervorging wiederentdecken, bevor dieser von den schweren Stiefeln Stalins und von dessen bürokratischen Regime zertreten wurde. Putin möchte ein quasi stalinistisches Regime aufrechterhalten, allerdings auf einer anderen Klassenbasis, nämlich dem Kapitalismus, der aber bereits überholt ist. Im Vergleich zu 1917 ist die russische Gesellschaft heute industriell entwickelt, mit einer gebildeten Arbeiter*innenklasse, die das Putin-Regime nicht mehr lange tolerieren wird. Das Gleiche gilt für die Massen in Osteuropa, China und dem Rest der Welt.
Mit den immensen Informationen, die das Buch von Catherine Belton enthält, versuchen wir hier zu zeigen, dass die Zukunft Russlands und Osteuropas nicht in den politischen Methoden eines stalinistischen Regimes liegt, das sich an einen überholten Kapitalismus klammert.
Ungeachtet der Schrecken dieses Krieges wird die Arbeiter*innenklasse und insbesondere ihre neue Generation wichtige Lehren daraus ziehen, wie sie die Fehler ihrer Vorfahren vermeiden und ihr Vertrauen nicht in sogenannte starke Männer, sondern in ihre eigene Macht und ihre eigene demokratische Kontrolle über die Wirtschaft setzen kann.
Wir charakterisieren Putins Russland als ein zutiefst korruptes kapitalistisches Regime, das unweigerlich mit den arbeitenden Massen sowohl in Russland als auch in den Ländern, die früher unter der Fuchtel des Moskauer Stalinismus standen, frontal zusammenstoßen wird. Alle wesentlichen Elemente einer Planwirtschaft sind verschwunden, und was wir haben, ist eine verschleierte Diktatur mit dem Mäntelchen eines Handlanger-Parlaments, das einem kapitalistischen Regime vorsteht.
Darüber hinaus hat er seinen „imperialistischen“ Appetit durch die Invasion in der Ukraine, aber vor allem durch die blutigen Aktionen der letzten Zeit unter Beweis gestellt. Es gibt für Putin und seine Regierung keine „Kontrollen der Macht“, die man normalerweise mit einem bürgerlich-demokratischen Regime in Verbindung bringen würde. Catherine Belton nennt zahlreiche Beispiele, die verheerenden Charakter haben. Sie nennt als Beispiel „die staatliche Bank für spezielle Kreml-Projekte, die mit einer obskuren Krim-Bank verbunden ist, die von Putins Jugendfreund geleitet wird“, der in Schattenbankgeschäfte und „Schwarzgeldgeschäfte“ verwickelt war. Es wurde sogar vorgeschlagen, „Putin ein 50-Millionen-Dollar-Penthouse zu schenken“, woran Trump unglaublicherweise beteiligt war. Der Autor stellt fest: „Der KGB glaubte zumindest, Trump angeworben zu haben“.
Was bedeutet das alles für den laufenden Kampf in der Ukraine, für die Arbeiter*innenklasse, sowohl dort als auch weltweit? Wir stehen vor einer noch nie dagewesenen Situation in der Ukraine und in Osteuropa, die ihrerseits eine der unruhigsten Perioden in der Geschichte des Kapitalismus eingeleitet hat. Vor diesem Krieg dachte Putin, er hätte freie Bahn, um seine Methoden nicht nur in Russland, sondern auch in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion durchzusetzen. Doch anstatt triumphierend die Szene zu beherrschen, hat Putin einen Krieg ausgelöst, der unabsehbare Folgen für Europa und den Rest der Welt haben könnte.
Das Putin-Regime ist eindeutig kapitalistisch in seinen Methoden und in seinem Appetit auf weitere Eroberungen. Es hat auch versucht, sich auf China zu stützen, um Unterstützung und materielle Hilfe zu erhalten. Während wir Putins Russland eindeutig als ein gefräßiges kapitalistisches Regime bezeichnen, sehen wir einige wichtige Unterschiede zwischen Russland und China. Das Regime in Peking ist ebenfalls ein „staatskapitalistisches“ Regime, allerdings mit einem sehr eigenartigen Charakter. Es gibt zwar viele Ähnlichkeiten mit Russland, aber auch einige markante Unterschiede. China hat zwar eine der höchsten Zahlen von Millionären und Milliardären in der Welt, aber der Staat übt immer noch einen starken Einfluss auf die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft aus. Dadurch kann der Staat, anders als in Russland, als mächtiger Regulator für die Ausrichtung der Industrie und die Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an „sozialistischer“ Planung auftreten. Diese Situation kann jedoch nicht ewig andauern, ohne dass entweder die chinesischen Arbeiter*innen die Bürokratie stürzen oder ein zunehmend normales kapitalistisches Regime entsteht. Dies wiederum wird sich nicht nur innerhalb der Grenzen Chinas entscheiden, sondern wird stark von internationalen Ereignissen beeinflusst werden, wie wir sie derzeit in Russland und Osteuropa erleben.
Die Sozialistische Partei und das CWI unterstützen unmissverständlich die leidenden Massen in Russland, China und der ganzen Welt. Die Ereignisse, deren Zeugen wir sind, werden einen unauslöschlichen Eindruck bei den werktätigen Massen hinterlassen. Putin und seinesgleichen zeigen das blutige Gesicht des Kapitalismus und erteilen den Völkern der Welt die eindringliche Lektion, dass Krieg und Leid nur durch eine sozialistische Konföderation Europas und der Welt für immer beseitigt werden kann.
Wie Russlands Gangsterkapitalist*innen nach dem Zusammenbruch des Stalinismus die Macht ergriffen
Putins brutales Regime entstand unter Bedingungen wirtschaftlicher Anarchie, als sich inmitten des Zusammenbruchs der früheren Planwirtschaft eine neue Kapitalist*innenklasse bildete. Peter Taaffe rezensiert ein kürzlich erschienenes Buch, das anschaulich beschreibt, was passiert ist.
Dieser Artikel erschien zunächst auf socialistworld.net
Catherine Belton, eine ehemalige Journalistin der Financial Times, hat 2021 eine äußerst vernichtende Kritik geschrieben über den Aufstieg und die Konsolidierung des staatskapitalistischen Putin-Regimes nach dem Zusammenbruch des Stalinismus in den frühen neunziger Jahren. Dieses Buch ist eine unverzichtbare Lektüre für alle, die genau verstehen wollen, wie Wladimir Putin, ursprünglich ein sehr unbedeutender KGB-Beamter mit Wurzeln im Stalinismus, in der Lage war, einen „Mafia-Staat“ zu errichten – allerdings in einem gigantischen Ausmaß im Vergleich zur italienischen Mafia – und wie dies zu den schrecklichen Verwüstungen in der Ukraine geführt hat.
Sie beschreibt zutreffend und in grellen Details, wie der „ursprüngliche KGB“ in der Lage war, sich von einem Teil der verrotteten stalinistischen Bürokratie in eine kapitalistische Staatsmaschine zu verwandeln. In der Tat war der alte KGB in der Lage, durch Putin und seinen Zweig der stalinistischen Geheimpolizei mit Sitz in Leningrad-St. Petersburg nach dem Zusammenbruch des Stalinismus den größten Raub der Produktivkräfte in der Geschichte durchzuführen. Diesem KGB-Staat, der sich um die Leningrader Silowiki (starke Männer) gruppierte, gelang es über einen gewissen Zeitraum, die Macht und einen beträchtlichen Teil der Produktivkräfte in den eigenen Händen zu konzentrieren.
Die Autorin beschreibt, wie sich Putin aus einem Geheimpolizisten entwickelte, dessen Kaste das stalinistische Regime vor allem gegen die Möglichkeit eines Aufstands der Arbeiter*innen verteidigen sollte. Dabei drückte er der Regierung und dem Staat, den er nun verkörpert, seinen eigenen politischen Charakter auf. Wie einer seiner Kumpane über Putin sagte, „wurde er von Gott gesandt, um das Land zu retten“. Catherine Belton beschreibt, dass diese Schergen gleichzeitig „zu seinem Wohlgefallen dienten. Diese Ja-Sager verstanden die tiefe Heuchelei des Systems, die Scheindemokratie, die von der Kremlpartei ‚Vereintes Russland‘ repräsentiert wurde, und wie tief korrupt sie geworden war. Sie wurden als Mittel zur Selbstbereicherung benutzt. Das war weit entfernt von den antikapitalistischen, antibürgerlichen Prinzipien des Sowjetstaates, dem sie einst gedient hatten. Diese Leute [die Putin unterstützt haben] sind eine Mischung aus dem ‚homo sovieticus‘ und dem wilden Kapitalismus der letzten 20 Jahre. Sie haben so viel gestohlen, um ihre Taschen zu füllen. Alle ihre Familien leben irgendwo in London. Wenn sie sagen, dass sie jemanden im Namen des Patriotismus vernichten müssen, sagen sie das aufrichtig. Aber wenn sie es auf London abgesehen haben, werden sie zuerst ihre Familien von dort wegschaffen.“
Diese Kreaturen, „die jetzt im Kreml arbeiten, sagen – mit absoluter Aufrichtigkeit – wie toll es ist, dass sie so reich werden können… In den 90er Jahren war das inakzeptabel. Man musste entweder in die Wirtschaft gehen oder für das Land arbeiten. Jetzt vergeben die Minister Lizenzen, um Geld zu verdienen. Und natürlich kommt das alles vom Chef. Das erste Gespräch, das Putin mit einem neuen Staatsangestellten führt, lautet: „Das ist Ihr Geschäft. Teilen Sie es nur mit mir. Wenn dich jemand angreift, werde ich dich verteidigen… und wenn du das nicht tust [d.h. deine Position als Geschäft nutzt], bist du ein Idiot“.
Belton weist außerdem auf den tiefen Zynismus und die machtgierigen Charaktere hin, die Putin umgeben, wobei einer erklärt: „Sehen Sie sich die Leute um Putin an… Ich sehe sie an und sie glauben an nichts. Sie verstehen, dass das alles Mist ist. Vereintes Russland ist Mist, die Wahlen sind Mist, der Präsident ist Mist… und dann gehen sie auf die Bühne und sagen, wie toll alles ist. Alle Trinksprüche, die sie tätigen, sind totale Lügen… es herrscht ein solcher Zynismus… sie stehlen von allen Seiten. Dann kommen sie raus und reden darüber, wie Putin gegen die Korruption kämpft. Ich sehe sie an und denke: Das ist das Ende.
Die Autorin fasst die Situation zusammen, indem sie einen offenen Austausch zwischen zwei Bürokraten aus dem Umfeld Putins aufzeichnet, die vor dem System zurückschrecken, das sie mit geschaffen haben. Dieses System führte zum „Aufstieg von Putins KGB-Kohorte an die Macht und dazu, wie sie mutierte, um sich im neuen Kapitalismus zu bereichern. Es ist die Geschichte der überstürzten Machtübergabe zwischen Jelzin und Putin und wie sie den Aufstieg eines ‚deep states‘ von KGB-Sicherheitsleuten ermöglichte, der während der Jelzin-Ära immer im Hintergrund lauerte, nun aber auftauchte, um die Macht für mindestens 20 Jahre zu monopolisieren und schließlich den Westen zu gefährden“.
Sie kommt zu dem Schluss, dass „das von Putins Männern geschaffene System ein hybrider KGB-Kapitalismus war, der darauf abzielte, Geld anzuhäufen, um Amtsträger*innen im Westen zu kaufen, [die] nach dem Ende des Kalten Krieges die sowjetischen Taktiken der nicht allzu fernen Vergangenheit längst vergessen hatten. Die westlichen Märkte stürzten sich auf den neuen Reichtum aus Russland und schenkten den kriminellen KGB-Kräften dahinter wenig Beachtung. Der KGB hatte schon vor langer Zeit – am Vorabend des Zusammenbruchs der Sowjetunion – eine Allianz mit dem russisch organisierten Verbrechen geschmiedet, als vom Staat Edelmetalle, Öl und Rohstoffe im Wert von Milliarden Dollar an Unternehmen übertragen wurden, die mit dem KGB verbunden waren. Von Anfang an waren die Auslandsgeheimdienstleute des KGB bestrebt, „Schwarzgeld“ anzuhäufen, um ihren Einfluss in den Netzwerken, die durch den Zusammenbruch der Sowjetunion längst zerschlagen schienen, aufrechtzuerhalten und zu bewahren. Unter Jelzin blieben die Kräfte des KGB eine Zeit lang im Hintergrund, aber als Putin an die Macht kam, trat die Allianz innerhalb des KGBs zutage und zeigte ihre Zähne.“
Von Obskurität in Dresden nach Moskau
Belton beschreibt weiter, wie Putin von einem kleinen Agenten im ostdeutschen Dresden, über Berlin zur Zeit des Zusammenbruchs des Stalinismus, dann zur Hauptperson in dem Prozess aufstieg, der zu der gegenwärtigen Katastrophe und dem Schrecken davor geführt hat.
Ende der 1990er Jahre begannen die jungen Tycoons, die ein Produkt dieses Zusammenbruchs waren, das Erbe der Vergangenheit – sinkende Produktion und hohe Verschuldung – in ein gewisses Wachstum der Wirtschaft der ehemaligen Sowjetunion umzuwandeln. Aber sie hatten dazu beigetragen, „diese neuen Milliardär*innen durch die Darlehen für Aktienoptionen zu schaffen, was sie nie vergeben oder vergessen würden und die den Kern für die spätere Revanche des KGB bilden würden… Der KGB hielt sich damals im Hintergrund und war in der Lage, einen Großteil des Geldflusses aus den Ölquellen des Landes zu kontrollieren… aber er wurde überlistet und die finanziellen Zügel wurden ihm aus der Hand genommen. Dies war ein Wendepunkt, an dem die neuen Tycoons von Russlands neuem riesigen Ölreichtum den Grundstein legten zur Entstehung der Oligarch*innen, die erheblichen Einfluss auf die geschwächte Jelzin-Regierung hatten. Die verbliebenen Mitglieder der alten Sicherheitsgarde wurden entlassen, und es begann ein Wettlauf um den neuen Reichtum“. Ein ehemaliger hochrangiger Offizier des Auslandsgeheimdienstes kommentierte dies jedoch so: „Die Oligarch*innen vergaßen, wem sie etwas schuldeten“.
Einer der Neureichen, Michail Chodorkowski, der selbst aus der ehemaligen Bürokratie stammte, bemerkte in der Eile, mit der er seinen neu angehäuften Reichtum anhäufte, „nicht, dass in der Nähe, in St. Petersburg, eine Kälte in der Luft lag“. Die Dinge wurden dort anders gehandhabt. Abgeschieden vom Goldrausch des Moskauer Wirtschaftsbooms übten die Kräfte des KGB in der Stadt, in der die Wirtschaft härter und dunkler war, eine weitaus größere Kontrolle aus. Die Gruppe, die die Stadt übernommen hatte, war Teil einer Verbindung von organisiertem Verbrechen und KGB-Männern, die in den 1990er Jahren in St. Petersburg das Sagen hatten, und Putin stand im Mittelpunkt dieser Verbindung.
Anders als in Moskau, wo sie sich weitgehend im Schatten aufhielten, waren sie hier viel sichtbarer: „St. Petersburgs Wirtschaft war viel kleiner als die Moskaus, der Kampf um Bargeld bösartiger, und das Büro des Bürgermeisters hatte Tentakel, die in die meisten Unternehmen reichten“. Der Hauptgrund für den starken Einfluss des KGB war, dass der Bürgermeister, Anatoli Sobtschak, Putin zusammen mit einem anderen prominenten Bürokraten den täglichen Überblick über den Handel überließ. Catherine Belton kommentiert: „Im Chaos des Zusammenbruchs der Sowjetunion schienen die Institutionen der Macht zu zerfließen. Organisierte Gansterbanden füllten das Vakuum, indem sie Schutzgelderpressungen durchführten, lokale Unternehmen erpressten und den Handel übernahmen“.
In dieser gewalttätigen, düsteren Welt war Sobtschak überfordert, aber der ehemalige KGB-Agent Putin fühlte sich in dieser Welt zu Hause und wurde von den Gangstern um ihn herum voll und ganz verstanden. Sie schlossen eine Allianz. Das System war zusammengebrochen, aber ein Teil davon war geblieben, insbesondere die Allianz zwischen Putin, seinen KGB-Verbündeten und dem organisierten Verbrechen, das „einen großen Teil der Wirtschaft der Stadt zu ihrem eigenen Nutzen betrieb“. Sie verfügten über einen Schmiergeldfonds, der seine Wurzeln in den Tauschgeschäften der vom KGB geführten Unternehmen hatte. Daran beteiligt war die St. Petersburger Tambov-Gruppe. Einem örtlichen FSB-Offizier zufolge bestand deren Geschäft aus „Mord und Raub“. Schließlich wurde Sobtschak ermordet, als Putin nach Moskau weiterzog.
Die St. Petersburger Mobster übernahmen die Macht. Sie begannen mit der Privatisierung der Tambov-Gruppe. Dazu kauften sie Aktien von den armen Hafenarbeitern auf, die diese als staatliche Gutscheine für ihren Anteil an dem verstaatlichten Unternehmen erhalten hatten. Dies wurde zu einem Modell für die gesamte ehemalige sowjetische Wirtschaft. Wie der Autor kommentiert: „Als Putin und seine KGB-Männer sich ihrer Kontrolle über die Wirtschaft der Stadt immer sicherer wurden, begannen sie, ihre eigenen bourgeoisen Träume zu träumen“. Putin hatte seinen ehemaligen Seniorpartner Sobtschak eingesetzt – dessen letztendliche Ermordung auf Putin selbst zurückgeführt werden konnte – um seine Position zu festigen. Er nutzte seine bürokratischen kriminellen Aktivitäten als Sprungbrett für die ultimative Macht in Moskau und im übrigen Russland.
Wirtschaftlicher Zusammenbruch
Währenddessen wurden unter dem Jelzin-Regime die wirtschaftlichen Probleme, die sich aus der Auflösung der Planwirtschaft ergaben, immer deutlicher. Unter Jelzin steuerte das Land auf die Rückkehr des Marktes und gleichzeitig auf eine drohende wirtschaftliche Katastrophe zu. Ehemalige KGB-Mitglieder, darunter auch Putin, versammelten sich im August 1998 und erklärten, dass der KGB bald wieder an die Macht zurückkehren würde: „Wir werden Ihnen nicht sagen, wer es ist, aber er ist einer von uns, und wenn er Präsident ist, sind wir wieder da“.
Als Beispiel für die Verschwendung von Ressourcen des russischen Volkes berichtet Catherine Belton, dass „Jelzin während eines offiziellen Besuchs in Budapest in Ungarn offenbar 1 Million Dollar ausgegeben hat“. Kein Wunder also, dass Jelzins Popularität auf einem historischen Tiefstand von 4 % lag. Zur gleichen Zeit wurde der Kreml rekonstruiert, wobei 50 kg reines Gold für die Dekoration der Säle und 662 Quadratmeter feinste Seide für die Verkleidung der Wände verwendet wurden. Der Kreml sollte seinen „zaristischen Glanz“ wiedererlangen und einen deutlichen Kontrast zu den Jahrzehnten der „kommunistischen Herrschaft“ bilden. „Als alles fertig war, waren ausländische Staatsoberhäupter wie Bill Clinton und der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl von der Pracht überwältigt“.
Die Neureichen taten alles, um Putins Rolle zu festigen, insbesondere die Oligarch*innen, die unter Jelzin enorm profitiert hatten, und infolgedessen vergrößerte sich die Kluft zwischen Arm und Reich enorm. Eine Schätzung besagt, dass „fast 50 % des BIP des Landes von den Unternehmen von nur acht Familien erwirtschaftet werden“. Weiter hieß es: „Wenn es so weitergeht, werden sie bald 50 % kontrollieren… und alle Gewinne fließen in private Taschen. Es wurden keine Steuern gezahlt. Das war Plünderung pur… ein Weg ins Nichts“. Tatsächlich war es ein Weg in eine sehr reiche Zukunft für die Oligarch*innen und die Neureichen, die unter der Herrschaft von Jelzin florierten, und noch mehr, als Putin fest an der Macht war.
Putin nutzte seine Position, um seine Macht Schritt für Schritt zu konsolidieren, sowohl in Russland selbst als auch in den autonomen Regionen der ehemaligen UdSSR, die sich mit neuen, Moskau und Putin selbst unterstellten Super-Gouverneuren wiederfanden. Boris Beresowski, ein Vertreter der neuen Elite, bezeichnete Putin sogar als einen „Diktator“.
Unglaublich detailliert werden die stalinistischen Methoden Putins beschrieben, mit denen er jede Opposition ausschalten wollte, insbesondere diejenigen, die sich in seinem unmittelbaren Umfeld befanden. Die Abschnitte des Buches, die sich mit der Bedrohung durch Chodorkowski, dem Verfechter einer noch stärkeren Privatisierung, befassen, sind aufschlussreich. Er setzte auf die Unterstützung der Neureichen, aber sein Spiel ging gründlich schief. In einer Fernsehsendung prangerte er die zunehmende Korruption im Staat an und behauptete, dass die Korruption im Lande 10 % des BIP erreicht habe, was 30 Milliarden Dollar pro Jahr entspreche. Dies geschah zu einem Zeitpunkt, als die jährlichen Steuereinnahmen auf etwa 30 % des BIP geschätzt wurden. Putin setzte alle seine Waffen gegen Chodorkowski ein, der die übermäßige Machtkonzentration in den Händen des Präsidenten angeprangert hatte. Dies zog den ganzen Zorn des Präsidenten und des von ihm kontrollierten Staates auf sich, was schließlich zum Fall Chodorkowskis und zu seiner zehnjährigen Inhaftierung führte.
Chodorkowski war zum Zeitpunkt seiner Verhaftung der reichste Mann Russlands. Seine Verhaftung löste bei den Neureichen Schockwellen aus. Ein Oligarch erklärte, dass die Neureichen „nicht sagen können, sie seien die rechtmäßigen Eigentümer*innen. Die Privatisierung hat kein rechtmäßiges Eigentum geschaffen. Die anderen Oligarch*innen haben das sehr wohl verstanden. Niemand von ihnen behauptete, Eigentümer*in der Unternehmen zu sein. Sie haben verstanden, dass sie nur Shareholder sind“. Belton meint, dass das, was mit Chodorkowski passiert ist, eine Rache für die 1990er Jahre war, als der KGB gezwungen war, am Rande zu warten: „Was jetzt unter Putin geschieht, ist die Revanche des KGB… Der KGB hat die Oligarchie geschaffen. Er musste ihr dienen. Jetzt rächen sie sich“. Sie konnten ihr Handeln rechtfertigen, so der Autor, „indem sie sich einredeten, dass sie die Übergabe der reichsten Ölvorkommen des Landes an den Westen verhindern wollten“. Zusammen mit der Inhaftierung Chodorkowskis reichte dies damals als Vorwand aus, um das Putin-Regime zu unterstützen.
Dies führte zu einer Situation, in der „die gesamte Oligarchie sich vor Putin verbeugte und ihm dies und jenes anbot und ihn um Erlaubnis für die kleinste Sache bat“. Das ständige Verbeugen und Buckeln vor ihm stieg Putin zu Kopf. Er begann, „an seine Macht als neuer Zar zu glauben“. Er wurde ermutigt, härtere und autoritärere Entscheidungen zu treffen, aber auch schreckliche Fehler zu begehen, wie den Krieg gegen Tschetschenien und das anschließende Blutbad. Dies ist vergleichbar mit dem monumentalen Fehler, der sich bei dem aktuellen Angriff auf die Ukraine gezeigt hat und der enorm nach hinten losgehen könnte.
Die russische Zentralisierung wird konsolidiert
Der Verlust der Ukraine in der „Orangen Revolution“ von 2004-2005 traf die zentralrussischen Bürokratie sehr stark. Die Ukraine war die drittgrößte Sowjetrepublik nach Russland selbst und Kasachstan. Es wurde viel in die Industrialisierung der Ukraine investiert, die einst eine landwirtschaftlich geprägte Region war, sich aber zu einem wichtigen Zentrum für die Herstellung von Rüstungsgütern entwickelte, unerlässlich für Russland. Außerdem war die Ukraine eine wichtige Transitroute für Russlands strategisch wichtigste Öl- und Gasexporte. Etwa 85 % der russischen Gasexporte nach Europa wurden über das ukrainische Pipelinenetz abgewickelt. Gleichzeitig war die Halbinsel Krim nach wie vor wichtig für die militärischen Interessen des russischen Staates, insbesondere als Marinestützpunkt.
Die Orange Revolution war ein Rückschlag für die Pläne des Kremls, denn sie leitete die Abspaltung der Ukraine von Russland ein. Putin erklärte öffentlich, dass „der Zusammenbruch der Sowjetunion die größte Tragödie des zwanzigsten Jahrhunderts“ gewesen sei. Damit meinte er nicht eine Tragödie im Sinne des ursprünglichen Konzepts von Lenin, Trotzki und den Bolschewiki. In krassem Gegensatz zu Putin standen die Führungspersönlichkeiten der russischen Revolution für einen völlig freiwilligen Zusammenschluss verschiedener Nationen zu einer Gemeinschaft, die zum gegenseitigen Nutzen aller vereinigten Nationalitäten zusammenkam. Die Zwangselemente wurden später vom Stalinismus eingeführt, um die Nationalitäten in einer undemokratischen stalinistischen so genannten „Föderation“ zu halten. Als jedoch die Sowjetunion zusammenbrach und mit ihr die Planwirtschaft, die durch den wilden Kapitalismus ersetzt wurde, begannen die Nationalitäten, sich gewaltsam von dem zu trennen, was für sie die Verweigerung ihrer legitimen nationalen und demokratischen Rechte bedeutete.
Während der Orangen Revolution übernahmen Demonstrant*innen die Macht und errichteten eine Zeltstadt in Kiew, die mit Verboten und Schüssen beantwortet wurde. Ein hochrangiger russischer Regierungsbeamter erklärte damals, „dass Russland bereit sei, einen Krieg um die Krim zu führen, um seine Militärbasis dort und die russischstämmige Bevölkerung zu schützen, wenn die Ukraine sich weiter nach Westen orientiere“. Damals haben Putin und seine Agenten die Führung dieser Bewegung erstmals ohne jeden Beweis als „Neonazis“ denunziert – eine List, die zur Rechtfertigung der jetzigen Invasion noch einmal wiederholt wird.
Gleichzeitig häuften die Oligarch*innen, die Putins feste Basis bildeten, immense Reichtümer an. Sie mussten sich in anderen Ländern umsehen. Die Kapitalflucht auf westliche Bankkonten war unüberschaubar geworden. Eine Schätzung von kapitalistischen Expert*innen ergab, dass seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 800 Milliarden Dollar im Ausland gebunkert wurden – mehr als das Vermögen der gesamten russischen Bevölkerung“. Dies ermöglichte es ihnen nicht nur, „als Russlands neuer Adel zu leben, sondern auch strategische Vorräte an Schwarzgeld anzulegen“. Dieses Bargeld war für alle Arten von Investitionen nützlich, einschließlich des Aufkaufs begehrter Immobilien in der ganzen Welt. London wurde unter den Tory-Regierungen und insbesondere unter Boris Johnsons „wohlwollendem“ Regime so sehr begünstigt, dass es bald als „Londongrad“ bekannt wurde.
Die Verschwendungssucht Putins zeigte sich in den Ausgaben für Eitelkeitsprojekte wie die Olympischen Winterspiele in Sotschi, die dreieinhalb Mal teurer wurden als das Projekt der NASA, einen Rover zum Mars zu schicken!
Das Ausmaß der Korruption zog unweigerlich gleichgesinnte Gangster wie Donald Trump an. Im Jahr 2008 tauchte ein russischer Tycoon am Horizont auf, der Trump mit finanzieller Unterstützung bei der Deckung seiner legendären Schulden aushalf. Als Trump dann 2016 die Präsidentschaftswahlen gewann, so Belton, „konnten die Russen ihr Glück zunächst nicht fassen. Die Szenen im russischen Parlament waren zum Brüllen komisch. Als ein Abgeordneter am Morgen in die Parlamentssitzung rannte, um die Nachricht vom Sieg Trumps zu verkünden, sprang der ganze Saal auf und applaudierte lautstark. Am Abend wurde Champagner ausgeschenkt“. Ein russischer nationalistischer Abgeordneter erklärte: „Es ist phänomenal, wie nahe sich [Putin und Trump] in der Außenpolitik stehen“. Belton stellt dann die faszinierende Frage: „Hatte Russland eine monumentale Operation durchgeführt, um seinen Mann im Weißen Haus zu installieren?“
Instabiles Regime
Das blutige Drama in der Ukraine ist bei Redaktionsschluss noch nicht zu Ende. Eines ist jedoch sicher: Als Putin, aufgeblasen wie ein Ochsenfrosch, diese Invasion startete, glaubte er, den Widerstand der ukrainischen Massen und den Zorn der übrigen Welt einfach beiseite fegen zu können. Doch statt siegreicher Paraden werden derzeit die Leichensäcke der russischen Truppen zurückgebracht, was den ohnehin wachsenden Widerstand weiter anheizt. Dies wiederum hat Putin dazu veranlasst, in seiner Unterdrückung der Ukraine noch weiter zu gehen. Er versucht, dieselben Methoden und dieselben Armeegeneräle einzusetzen, die in Syrien eingesetzt wurden und die im dortigen Bürgerkrieg Aleppo brutal und wahllos bombardiert haben. Solche Methoden werden nur dazu dienen, die öffentliche Meinung in der Welt weiter gegen Russland aufzubringen und den Widerstand in der Ukraine zu verstärken.
Die russischen Arbeiter*innen werden die sozialistischen Traditionen von 1905 und 1917 wiederentdecken. Sie werden die Idee des demokratischen Arbeiter*innenstaates der aus der russischen Revolution hervorging wiederentdecken, bevor dieser von den schweren Stiefeln Stalins und von dessen bürokratischen Regime zertreten wurde. Putin möchte ein quasi stalinistisches Regime aufrechterhalten, allerdings auf einer anderen Klassenbasis, nämlich dem Kapitalismus, der aber bereits überholt ist. Im Vergleich zu 1917 ist die russische Gesellschaft heute industriell entwickelt, mit einer gebildeten Arbeiter*innenklasse, die das Putin-Regime nicht mehr lange tolerieren wird. Das Gleiche gilt für die Massen in Osteuropa, China und dem Rest der Welt.
Mit den immensen Informationen, die das Buch von Catherine Belton enthält, versuchen wir hier zu zeigen, dass die Zukunft Russlands und Osteuropas nicht in den politischen Methoden eines stalinistischen Regimes liegt, das sich an einen überholten Kapitalismus klammert.
Ungeachtet der Schrecken dieses Krieges wird die Arbeiter*innenklasse und insbesondere ihre neue Generation wichtige Lehren daraus ziehen, wie sie die Fehler ihrer Vorfahren vermeiden und ihr Vertrauen nicht in sogenannte starke Männer, sondern in ihre eigene Macht und ihre eigene demokratische Kontrolle über die Wirtschaft setzen kann.
Wir charakterisieren Putins Russland als ein zutiefst korruptes kapitalistisches Regime, das unweigerlich mit den arbeitenden Massen sowohl in Russland als auch in den Ländern, die früher unter der Fuchtel des Moskauer Stalinismus standen, frontal zusammenstoßen wird. Alle wesentlichen Elemente einer Planwirtschaft sind verschwunden, und was wir haben, ist eine verschleierte Diktatur mit dem Mäntelchen eines Handlanger-Parlaments, das einem kapitalistischen Regime vorsteht.
Darüber hinaus hat er seinen „imperialistischen“ Appetit durch die Invasion in der Ukraine, aber vor allem durch die blutigen Aktionen der letzten Zeit unter Beweis gestellt. Es gibt für Putin und seine Regierung keine Kontrollen der Macht durch eine Gewaltenteilung, die man normalerweise mit einem bürgerlich-demokratischen Regime in Verbindung bringen würde. Catherine Belton nennt zahlreiche Beispiele, die verheerenden Charakter haben. Sie nennt als Beispiel „die staatliche Bank für spezielle Kreml-Projekte, die mit einer obskuren Krim-Bank verbunden ist, die von Putins Jugendfreund geleitet wird“, der in Schattenbankgeschäfte und „Schwarzgeldgeschäfte“ verwickelt war. Es wurde sogar vorgeschlagen, „Putin ein 50-Millionen-Dollar-Penthouse zu schenken“, woran Trump unglaublicherweise beteiligt war. Der Autor stellt fest: „Der KGB glaubte zumindest, Trump angeworben zu haben“.
Was bedeutet das alles für den laufenden Kampf in der Ukraine, für die Arbeiter*innenklasse, sowohl dort als auch weltweit? Wir stehen vor einer noch nie dagewesenen Situation in der Ukraine und in Osteuropa, die ihrerseits eine der unruhigsten Perioden in der Geschichte des Kapitalismus eingeleitet hat. Vor diesem Krieg dachte Putin, er hätte freie Bahn, um seine Methoden nicht nur in Russland, sondern auch in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion durchzusetzen. Doch anstatt triumphierend die Szene zu beherrschen, hat Putin einen Krieg ausgelöst, der unabsehbare Folgen für Europa und den Rest der Welt haben könnte.
Das Putin-Regime ist eindeutig kapitalistisch in seinen Methoden und in seinem Appetit auf weitere Eroberungen. Es hat auch versucht, sich auf China zu stützen, um Unterstützung und materielle Hilfe zu erhalten. Während wir Putins Russland eindeutig als ein gefräßiges kapitalistisches Regime bezeichnen, sehen wir einige wichtige Unterschiede zwischen Russland und China. Das Regime in Peking ist ebenfalls ein „staatskapitalistisches“ Regime, allerdings mit einem sehr eigenartigen Charakter. Es gibt zwar viele Ähnlichkeiten mit Russland, aber auch einige markante Unterschiede. China hat zwar eine der höchsten Zahlen von Millionären und Milliardären in der Welt, aber der Staat übt immer noch einen starken Einfluss auf die Entwicklung von Wirtschaft und Gesellschaft aus. Dadurch kann der Staat, anders als in Russland, als mächtiger Regulator für die Ausrichtung der Industrie und die Aufrechterhaltung eines gewissen Maßes an „sozialistischer“ Planung auftreten. Diese Situation kann jedoch nicht ewig andauern, ohne dass entweder die chinesischen Arbeiter*innen die Bürokratie stürzen oder ein zunehmend normales kapitalistisches Regime entsteht. Dies wiederum wird sich nicht nur innerhalb der Grenzen Chinas entscheiden, sondern wird stark von internationalen Ereignissen beeinflusst werden, wie wir sie derzeit in Russland und Osteuropa erleben.
Das CWI unterstützt unmissverständlich die leidenden Massen in Russland, China und der ganzen Welt. Die Ereignisse, deren Zeugen wir sind, werden einen unauslöschlichen Eindruck bei den werktätigen Massen hinterlassen. Putin und seinesgleichen zeigen das blutige Gesicht des Kapitalismus und erteilen den Völkern der Welt die eindringliche Lektion, dass Krieg und Leid nur durch eine sozialistische Konföderation Europas und der Welt für immer beseitigt werden kann.
