Elke Kahr wurde mit den Stimmen von SPÖ und Grünen zur Bürgermeisterin gewählt. Graz hat eine Proporzregierung (die KPÖ hatte ja schon in der Vergangenheit Stadträt/innen), aber für die Bürgermeister/innenwahl war eine Übereinkunft mit SPÖ und Grünen nötig. Die KP hat laut Medienberichten der SPÖ „Einfluss über die Beteiligungen der Stadt“ versprochen. Die Grünen bekommen den Stadtrat für Planung, Mobilität und Umweltschutz. Der Druck, Kompromisse einzugehen, um die Bürgermeisterin zu stellen war riesig. Aber eventuell ist der Preis, der dafür gezahlt werden könnte, ein hoher.

SPÖ und Grüne sind prokapitalistische Parteien, die sich an die kapitalistischen Spielregeln halten. Gleichzeitig gibt es wahrscheinlich große Hoffnungen in die neue Stadtregierung.

Im Regierungsprogramm stehen einige fortschrittliche und gute Punkte. Gut ist z.B. der Bau von öffentlichen Wohnungen, freier Eintritt in Museen, Ausgleichsmaßnahmen gegen Teuerung.

Manche Punkte sind aber auch sehr begrenzt. Es steht viel zu Umweltschutz im Programm, aber von gratis Öffis ist z.B. nicht die Rede. Die KPÖ hat von der SPÖ die Forderung nach Senkung der Beiträge für die Kindergärten übernommen, aber das geht sogar hinter den Gratiskindergarten zurück, der ja vor dessen Rücknahme bestanden hatte, und den es in Wien nach wie vor gibt. Und werden die Forderungen der Kindergartenpädagog/innen, die eben in Graz auf die Straße gegangen sind, nach besserer Bezahlung und mehr Personal umgesetzt? Die Frage beim öffentlichen Wohnbau ist, wieviele Gemeindewohnungen gebaut werden, und wie die genannte Leerstandsmobilisierung umgesetzt wird. Wird dabei auf die Interessen der Immoblienkonzerne Rücksicht genommen? Oder auf jene der Mieter/innen? Die KPÖ Graz könnte z. B. Forderungen der Kampagne  „Deutsche Wohnen enteignen“ nach Überführung von Wohnungen im Besitz der Immobilienkonzerne in öffentliches Eigentum unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der arbeitenden Bevölkerung übernehmen. Die Kp hatte in den Interviews zum Antritt eine Personalaufstockung in den städtischen Betrieben angekündigt. Gleichzeitig müssten aber auch die Löhne in diesem Bereich erhöht werden.

Gut ist dass sich das Programm gegen Privatisierung und Verkauf von Gebäuden und Grundstücken ausspricht. Allerdings bricht die KPÖ bereits mit ihrem Wahlprogramm als sie hier die Forderung nach Rekommunalisierung ausgelagerter Betriebe (also der Graz-Holding) fallen lässt, und zwar auf Druck von SPÖ und Grünen. Das Regierungsprogramm beginnt noch dazu damit dass ein ausgeglichener Haushalt angestrebt wird, was in Zeiten enger werdender finanzieller Spielräume meist Kürzungen bedeutet. Diese beiden Punkte zeigen bereits die Gefahr des Bündnisses mit SPÖ und Grünen – die KPÖ gibt in wichtigen Punkten nach, so wie sie in weiten Teilen hinter ihrem Wahlprogramm zurück bleibt.

Gleichzeitig konnte die KPÖ auf die Frage wie ihr Regierungsprogramm finanziell umgesetzt werden soll nicht wirklich antworten – sie meinten, man habe noch keine genauen Einblicke in die finanzielle Situation und man müsse erst einen Kassasturz machen. Die KPÖ hofft vermutlich, dass die Streichung der Bauprojekte von Nagl und der ÖVP ihnen einiges an finanziellen Spielraum verschafft. Aber was passiert, wenn der Bund beim Finanzausgleich der Stadt Graz weniger Geld gibt? Wird die KPÖ dann versuchen eine Massenbewegung gegen eventuelle Kürzungen und zur Verteidigung der Lebensstandards aufzubauen, mit einem Aufruf im Rest von Österreich dasselbe zu tun? Oder würde die Führung der KPÖ Graz akzeptieren dass sie Kürzungen machen müssen? Die KPÖ Graz sollte von Beginn an klarmachen, dass sie keine Kürzungen umsetzen wird und wenn nötig mobilisieren wird um etwaige Verbesserungen zu verteidigen.

Die KPÖ betont auch dass sie ein neues „Miteinander“ wünscht – aber Miteinander mit wem? Miteinander im Sinne einer Einheit der Arbeiter/innenklasse im Kampf für Forderungen im Interesse der Arbeiter/innenklasse? Oder Miteinander mit den Bossen? Der ÖVP wurde in vorauseilendem Gehorsam deren Wunschressort überlassen. Wie viele inhaltliche Zugeständnisse würden an die ÖVP gemacht wenn diese Kritik übt?

Die KPÖ besitzt zwar eine relative Mehrheit, aber keine absolute. Dh. sie wäre auf die Unterstützung der anderen Parteien angewiesen bei der Umsetzung ihrer Reformen. Darum ist der Aufbau einer Bewegung für Verbesserungen so wichtig, da eine solche die anderen Parteien unter Druck setzen kann, solche umzusetzen.

Im Regierungsprogramm steht nun der kleinste gemeinsame Nenner mit SPÖ und Grünen.

Die KPÖ sollte aber darüber hinausgehend ein radikales Programm für Verbesserungen entwickeln für das sie kämpft. Dieses kann sie als Anträge im Gemeinderat einbringen und dadurch die Führung von SPÖ und Grünen bloßstellen, wenn diese diese Punkte nicht unterstützen. Das könnte eine Basis für den Aufbau von Unterstützung für eine sozialistische Alternative legen.

Für diese Punkte müsste sie mobilisieren. Sie könnte z.B. die Forderungen der Pflegekräfte nach mehr Personal und höherer Bezahlung in den städtischen Pflegeeinrichtungen umsetzen. Auch hier fallen sie im Regierungsprogramm hinter ihr Wahlprogramm zurück. Das Pflegepersonal hatte ja gemeinsam mit der KPÖ Graz demonstriert. Für die Landesspitäler muss dieser Mobilisierungsdruck aufrecht erhalten werden und die Kampagne weiter geführt werden.

Sie darf sich dabei nicht von SPÖ oder Grünen einschränken lassen. Das gilt besonders, wenn der finanzielle Spielraum von Graz kleiner werden sollte, weil der Bund eventuell im Finanzausgleich zu wenig Geld hergibt und versucht das „kommunistische Experiment“ auszuhungern. Die KPÖ darf sich dann nicht darauf beschränken einen Mangel zu verwalten, sondern sollte die arbeitende Bevölkerung mobilisieren, damit der Bund das Geld zur Verfügung stellt, ähnlich wie der sozialistische Stadtrat in Liverpool in den 80ern dies gegen Thatcher getan hat.

Gleichzeitig müsste die KPÖ klarmachen, dass sie sich nicht an die Sachzwanglogik des Kapitalismus hält und erklären, dass Verbesserungen dauerhaft nur durch einen Bruch mit dem Kapitalismus und durch eine sozialistische Veränderung der Gesellschaft abgesichert werden können. Sie müsste erklären, dass private Unternehmen in öffentliches Eigentum unter demokratischer Verwaltung und Kontrolle der arbeitenden Bevölkerung übernommen werden müssten, um echte Verbesserungen zu erreichen.

Grazer SPÖ Chef Ehmann meinte auf die Frage ob die SPÖ keine Angst hätte dass „die KPÖ ein totalitäres System“ einführen würde, dass die SPÖ sich auf keine Übereinkunft einlassen würde, wenn dem so wäre. Dass die Medien den Stalinismus benutzen um Angst vor der KPÖ zu schüren ist eine Sache. Dass die KPÖ dies nicht kontern kann, eine andere. Denn nötig wäre natürlich nicht ein „totalitäres System“ sondern ein Bruch mit dem Kapitalismus und eine echte demokratische sozialistische Gesellschaft mit einer demokratisch geplanten Wirtschaft. Die KPÖ hätte die Chance zu erklären was „Kommunismus“ tatsächlich sein könnte und – um klarzumachen, dass man kein stalinistisches Regime möchte – was er nicht sein soll. Das tut sie aber nicht. Ihr „Kommunismus“ steht aber bestenfalls nur versteckt irgendwo im Programm, in ihrer tagtäglichen Politik spielt er aber keine Rolle.

Die KPÖ in Graz hat eine besondere Verantwortung. Sie darf nicht die Abzweigung des Kompromisses mit dem Kapitalismus nehmen, die andere linke Kräfte gewählt haben und die in die Niederlage führt. Der Verrat von Syriza, die 2015 die Hoffnungen der griechischen Arbeiter/innen tief enttäuscht haben, indem sie gegenüber der Troika klein beigegeben hatten, weil sie keine Alternative zum Kapitalismus hatten, hat die griechische Arbeiter/innenbewegung schwer zurückgeworfen. Die Syriza-Regierung war natürlich eine Regieung auf Bundesebene – aber auch auf kommunaler Ebene besteht die Chance für die KPÖ und andere linke Kräfte den Grundstein für den bundesweiten Aufbau einer ernsthafte politische Alternative zu legen. Die KPÖ Graz, Links und andere sollten eine Initiative in Richtung Aufbau einer bundesweiten Kraft die über die KPÖ, über Graz und Wien hinausgeht setzen. Ob diese aber attraktiv ist, hängt aber davon ab was die KPÖ in Graz tut.

Viele mögen nun Hoffnungen haben dass ein Bündnis aus KPÖ, SPÖ und Grünen eine Alternative sein könnte, besonders da alle Koalitionsmöglichkeiten aus den etablierten Parteien schon ausprobiert wurden. Wenn die KPÖ aber faule Kompromisse macht und sich von SPÖ und Grünen dazu verleiten lässt sich an die kapitalistischen Spielregeln halten zu müssen, dann können diese Hoffnungen ebenso schnell enttäuscht werden. Eine rotrotgrüne Stadtregierung die Kürzungen umsetzt wäre fatal. Ein sozialistisches Programm, unabhängige Politik und Mobilisierung wären daher umso wichtiger, um eine Kraft aufzubauen, die tatsächlich eine sozialistische Gesellschaftsveränderung erkämpfen kann.