Ein sozialistisches Programm gegen die tiefste Krise der Nachkriegszeit – für einen Kurswechsel in den Gewerkschaften
Alles ist anders. Wir stehen vor der größten wirtschaftlichen Krise seit Ende des zweiten Weltkrieges. Diese Krise wurde zwar durch die Corona-Pandemie verschärft, ihre Ursache liegt aber in der kapitalistischen Wirtschaftsweise. Schon im letzten Jahr hatte sich eine weltweite Rezession abgezeichnet. Es ist abzusehen, dass diese Krise tiefer ist als die letzte Krise 2008.
Arbeitslosigkeit und Kürzungen
Es ist wahrscheinlich, dass viele Unternehmen die Zahl der Mitarbeiter/innen massiv kürzen wird, viele Entlassungen bevorstehen und die Arbeitslosenzahlen trotz einer leichten Entspannung zuletzt wieder in die Höhe schnellen werden. Bereits jetzt wird die Coronakrise von vielen Betrieben für Personalabbau genutzt (z.B. Swarowski, voestalpine, Mediamarkt). Wenn Hilfen im Herbst auslaufen kann es zu Betriebsschließungen kommen, besonders wenn eine zweite Corona-Welle kommt. Die Regierung wird sich über kurz oder lang das Geld für die Rettungspakete von den Beschäftigten zurückholen. Im Gesundheitsbereich sind zwar im Moment Einschnitte unpopulär, die Gesundheitskasse hat aber aufgrund hoher Arbeitslosigkeit und fehlender Beiträge weniger Mittel zur Verfügung. Das IHS fordert „Reformen zur Kosteneindämmung“ in diesem Bereich. Beim Böhlerspital wird immer wieder über Schließung spekuliert. In der Debatte um das Arbeitslosengeld besteht die Gefahr dass es bei länger dauernder Arbeitslosigkeit mit der Zeit auf einen geringeren Prozentsatz abgesenkt wird. Während Milliarden in die Wirtschaft gepumpt werden, bleibt es für die Masse der Beschäftigten bei leeren Worten. Statt deutlicher Aufwertung der „systemrelevanten“ Berufe, gab es moderate Abschlüsse bei den Kollektivverhandlungen. Das zeigt, wer aus Sicht der Regierung für diese Krise und die Verschuldung zahlen soll: Während Unternehmen massive Unterstützung bekommen, wird bei den Beschäftigten der Rotstift angesetzt.
Gewerkschaftliche Gegenwehr
In dieser Situation ist gewerkschaftliche Gegenwehr, betrieblich und betriebs- und branchenübergreifend, so wichtig wie nie zuvor. Leider sehen wir zur Zeit weiterhin eine völlig falsche Ausrichtung durch die Gewerkschaftsführung. Hier muss es einen radikalen Wandel geben. Es gibt bereits Anzeichen dass es Bereitschaft zu Widerstand gegen Betriebsschließungen und Jobabbau gibt, besonders bei Betrieben in Regionen die von einem Arbeitgeber abhängen – bei ATB Spielberg z.B. gab es eine Demonstration und eine Streikfreigabe, der Betriebsrat sprach sogar von Besetzung des Betriebes gegen Abtransport der Maschinen. Aber auch bei jenen, deren Jobs gesichert scheinen, gibt es Anzeichen für Offensivkämpfe: Beim AMS gab es eine Streikdrohung für mehr Personal und eine Coronaprämie.
Verzicht ist keine Lösung
Die jahrelange Verzichtslogik hat nicht zu mehr Arbeitsplatzsicherheit geführt. Dasselbe gilt jetzt. Statt Verzicht zu üben, muss ein konsequenter Abwehrkampf geführt werden, in allen Betrieben und Branchen. Darum ist auch der Vorschlag der SPÖ und der Gewerkschaftsführung für ein „90 für 80“ Modell in Wahrheit Lohnverzicht – nötig wäre stattdessen eine konsequente Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn und Personalausgleich. Im Sozial-KV wurde zwar eine Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn beschlossen (von 38 auf 37 Stunden), aber durch den 3-Jahresabschluss nimmt man sich gerade in diesen systemrelevanten Berufen die Chance durch Mobilisierungen in den nächsten beiden Jahren weitergehende Forderungen zu erkämpfen.
Sozialpartnerschaft führt zu Kürzungen
Die Gewerkschaften müssten jetzt auf breiter Front informieren, diskutieren und dann Pläne schmieden, wie gegen die Personalabbau, Betriebsschließungen und Kürzungen mobilisiert werden kann. Dabei müssen die Interessen der Kolleg/innen maßgeblich sein und nicht die der Konzerne. Das lässt sich nur erreichen, wenn die Politik der Sozialpartnerschaft beendet wird. Sozialpartnerschaft bedeutet die Logik des Kapitalismus zu akzeptieren. Mit dieser müssen wir brechen. Innerhalb dieses profitorientierten, konkurrenzbasierten Systems ist es nicht möglich, einen Ausweg aus dieser massiven Krise zu finden. Denn wenn Produkte nicht mehr auf dem Weltmarkt verkauft werden können, ist die logische Folge im Kapitalismus, dass weniger produziert wird – um möglichst profitabel zu sein und nicht von der Konkurrenz aufgefressen zu werden – und das bedeutet Abbau von Stellen bis hin zu Entlassungen und Betriebsschließungen.
Eigentumsfrage
Daher ist es nötig, die Eigentumsfrage zu stellen, um die Frage zu beantworten wie Arbeitsplätze erhalten werden können. Hier reicht es nicht aus, Betriebe vorübergehend zu verstaatlichen, um sie dann wieder zu privatisieren, wenn die Krise vorüber ist. Diese Sozialisierung von Verlusten und Privatisierung von Gewinnen ist abzulehnen. Stattdessen muss die Forderung von Überführung von Schlüsselindustrien und anderen großen Unternehmen in Gemeineigentum wieder in die Diskussionen und Strategien der Gewerkschaften übergehen. Denn nur auf der Grundlage von Gemeineigentum an den Produktionsmitteln ist auch möglich eine Produktion orientiert am Bedarf, demokratisch geplant und verwaltet durch die arbeitende Bevölkerung, ausgerichtet auf das Wohl von Mensch und Umwelt, zu entwickeln. Dadurch ist auch die Umstellung der Produktion angesichts der Krise der Autoindustrie und der Klimakrise möglich, während gleichzeitig die Jobs erhalten bleiben. Mit einer solchen Perspektive ist es auch möglich, aus der Falle der Mitgestaltung von Sparpolitik im Interesse der Kapitalist/innen heraus zu kommen. Die Aufgabe der Gewerkschaften muss sein, die Lebensgrundlage der Beschäftigten mit allen Mitteln zu verteidigen. Dieser Kampf muss jetzt vorbereitet werden.
Streiks und Betriebsbesetzungen
Es braucht ein Konzept für die Verteidigung der Arbeitsplätze, inklusive der Forderung nach Enteignung der Bosse, Überführung in Gemeineigentum und gegebenenfalls Konversion der Produktion unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung durch Belegschaften und Gesellschaft. Dafür müssen die Gewerkschaften mobilisieren, für Streiks und für die Besetzung von Betriebstoren oder Werkhallen, um den Abtransport von Maschinen und Produktionsanlagen zu verhindern. Wenn ein Betrieb geschlossen werden soll, ist auch die Mobilisierung von Solidarität aus anderen Betrieben und Branchen nötig. Es sollten Solidaritätskomitees geschaffen werden. Die Angriffe auf Kolleg/innen sind zunächst vereinzelt – auf Arbeitsplätze, Arbeitsbedingungen, Einkommen. Damit die Kolleg/innen sehen, dass sie nicht allein sind, ist es schon jetzt nötig, gemeinsame Mobilisierungen zu organisieren. Eine bundesweite Demonstration der Gewerkschaften sollte als erster Schritt schon jetzt im Herbst geplant werden – unter Wahrung der Sicherheit der Demonstrierenden, mit Abstand und Maske. Das gemeinsame Motto sollte lauten: Wir zahlen nicht für diese Krise.
Dafür braucht es einen Kurswechsel in den Gewerkschaften. Es ist nötig sich zu einer Opposition in den Gewerkschaften zusammenzuschließen und dass sich Kolleg/innen dafür vernetzen – mit folgenden Forderungen:
- Lebensstandards verteidigen!
- Wir zahlen nicht für diese Krise – die Reichen sollen zahlen!
- Nein zu Personalabbau und Betriebsschließungen – Kampf um jeden Arbeitsplatz!
- Nein zu Lohnverzicht!
- Verteidigung aller gewerkschaftlichen Rechte!
- Verteilung der Arbeit auf alle statt Massenarbeitslosigkeit: 30h-Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich!
- Nein zu Angriffen auf das Arbeitslosengeld – keine schrittweise Absenkung im Abtausch zu einer Erhöhung zu Beginn! Keine Schikanen für Arbeitslose, keine Befristung, eine Höhe von der man Leben kann!
- Keine Kürzungen bei Pensionen, Gesundheit, Bildung, und Soziales! Stattdessen ein Investitionsprogramm für Gesundheit, Bildung, Soziales – keine Milliarden für die Kapitalist/innen!
- Verstaatlichung von Betrieben die geschlossen werden sollen oder die Personalabbau betreiben – aber auch von profitablen Betrieben – unter demokratischer Kontrolle und Verwaltung der Beschäftigten und der Gesellschaft, Entschädigung nur für Kleinaktionäre!
- Eine demokratisch nach den Bedürfnissen der Beschäftigten und der Gesellschaft geplante Wirtschaft, Umstellung der Produktion durch diese!
- Bruch mit dem Kapitalismus und eine sozialistische Gesellschaft um zu verhindern dass die Arbeiter/innenklasse für diese Krise bezahlen muss!
