Massenhafte Gegenwehr durch Gewerkschaften nötig

* Nein zu Arbeitsplatzvernichtung und Kürzungspolitik

* Arbeitszeitverkürzung auf 30 Std./Woche bei vollem Lohn- und Personalausgleich

* Öffentliche Investitionen in Gesundheit, Bildung, Umwelt und Soziales

* Massenhafte Gegenwehr durch  Gewerkschaften nötig

* Sozialistische Demokratie statt Profitsystem

Wir veröffentlichen hier mehrere Artikel unserer deutschen Schwesterorganisation Sozialistische Organisation Solidarität zur wirtschaftlichen Situation.

Von Ursel Beck, Stuttgart

Das Geldvermögen ist nach Angaben der Bundesbank Ende des ersten Quartals 2019 in Deutschland auf einen neuen Rekord von 6,2 Billionen Euro gestiegen. Das ist ein Zuwachs um eine Billion seit 2014. Es sind aber nur die Reichen, die durch den zurückliegenden Wirtschaftsaufschwung ihr Vermögen enorm gesteigert haben. Sie sind nicht bereit für die Krise ihres Systems zu bezahlen und wollen auch in der Rezession reicher werden. Dafür soll die Mehrheit der Bevölkerung bluten. Das muss verhindert werden.

Viele Beschäftigte hat die Rezession bereits eingeholt. LeiharbeiterInnen verlieren ihre Jobs, Arbeitszeitkonten der Stammbelegschaften müssen bis ins Minus geleert werden, befristet Beschäftigte bekommen keine Verlängerung. Über Altersteilzeit und Auflösungsverträge werden Jobs vernichtet, Beschäftigte werden in Kurzarbeit geschickt. Viele Konzerne planen die massenweise Vernichtung von Arbeitsplätzen und/oder Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall will den eigentlich bescheidenen Lohnabschluss von 2018 revidieren und fordert unter anderem Ausnahmeregelungen für Krisenbetriebe. Von der Bundesregierung verlangen die Konzerne weitere Steuersenkungen und Milliardensubventionen zur Durchsetzung von E-Autos und andere profitträchtige Aufträge für angebliche Klimaschutzmaßnahmen. 

Die arbeitende Bevölkerung hat weder die Wirtschafts- noch die Klimakrise verursacht. Deshalb müssen die Gewerkschaften einen entschlossenen Kampf gegen die Abwälzung der Krisenlasten aufnehmen und mit dem Kampf für die Überführung von Banken und Konzernen in Gemeineigentum verbinden. Dann kann Produktion und Verteilung endlich demokratisch nach den Bedürfnissen von Mensch und Natur organisiert werden. Profitinteressen und das private Eigentum an Produktionsmitteln sind die Hindernisse, um unsere Welt zu retten und uns ein würdiges Leben zu bescheren. Nur die Abschaffung des Kapitalismus und eine demokratisch geplante Wirtschaft sind eine Garantie für eine lebenswerte Zukunft für uns und kommende Generationen. 

Die Krise rückt näher

Über die Klasseninteressen hinter der Wirtschaftspolitik

Laut amtlicher Statistik ist die deutsche Wirtschaft im 2. Quartal (April bis Juni) um ein Promille geschrumpft. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) erwartet für das dritte Quartal einen weiteren leichten Rückgang. Damit wäre die deutsche Wirtschaft bereits seit Frühjahr in einer „technischen Rezession“. Handelt es sich nur um eine kurze Eintrübung, wie es sie zum Beispiel 2012 vor dem Hintergrund der so genannten „Schuldenkrise“ in Südeuropa auch gab, oder um den Beginn einer tiefen Wirtschaftskrise?

von Wolfram Klein, Plochingen bei Stuttgart

Die Wirtschaftsdaten haben sich in den letzten Monaten deutlich verschlechtert. Das gewerkschaftsnahe Institut IMK berechnete die Wahrscheinlichkeit einer Rezession im Juli mit 36,6 und im September mit 59,4 Prozent. Der Geschäftsklimaindex des Münchner IFO-Instituts sank innerhalb eines Jahres bis August 2019 von 103,8 auf 94,3. Das ist fast so niedrig wie bei der „technischen Rezession“ Ende 2012. Die Angaben für die wirtschaftlichen Erwartungen fielen von 100,9 auf 91,3. Das Ifo-Institut kommentierte: „Ein ähnlicher Pessimismus unter den Industriefirmen war zuletzt im Krisenjahr 2009 zu beobachten. Bei keiner der deutschen Schlüsselindustrien zeigten sich Lichtblicke.“

Die Ausfuhren deutscher Autos sanken in den ersten sieben Monaten dieses Jahres um 14 Prozent.

Die Probleme breiten sich von der Autoindustrie auf Maschinenbau, Chemie, Logistik etc. aus. Der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) meldete für das erste Halbjahr 2019 einen Auftragsrückgang um neun Prozent. Die  Industrieproduktion sank im Juli gegenüber dem Vorjahr um 4,2 Prozent. Der Markit-Einkaufsmanagerindex lag Anfang September für Deutschland bei 43,5 (für die Eurozone bei 47,0), ein Wert unter 50 signalisiert ein Schrumpfen der Wirtschaft.

Konsum 

Die wichtigste Stütze der Wirtschaft ist zur Zeit der private Konsum. Aber offene Stellen gehen zurück, im Dienstleistungsbereich gab es den stärkste Rückgang seit Dezember 2007. Die Kurzarbeit hat sich – von einem sehr niedrigen Ausgangswert – mehr als verdreifacht (von 12.000 im Mai 2018 auf 41.000 im Mai 2019). Bisher hat es noch keinen nennenswerten Rückgang des Konsums aus Angst vor der Wirtschaftslage gegeben. Es ist normal, dass sich Rezessionen mit zeitlicher Verzögerung auf dem Arbeitsmarkt widerspiegeln. Wenn Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit drastisch ansteigen, Löhne stagnieren oder fallen, kann auch diese Stütze der Konjunktur wegbrechen. Dann kann es zu einer tieferen Krise kommen. Die hohe Exportabhängigkeit und der große Anteil der Industrie an der Wirtschaft machen die deutsche Wirtschaft aufgrund der Krisentendenzen in der Weltwirtschaft derzeit besonders verwundbar. 

Was tun gegen die Krise?

Bürgerliche Ökonom*innen und Politiker*innen sind für Maßnahmen gegen die Rezession, die ihre Klasseninteressen widerspiegeln. Obwohl andere Teile der Eurozone und die USA noch nicht in einer Rezession sind, ergreifen US-Notenbank Fed und die Europäische Zentralbank EZB Maßnahmen gegen den Abschwung. Beide senkten im September die Leitzinsen, die Fed um 0,25 Prozent, die EZB senkte die bereits negativen Zinsen um ein weiteres Promille. Die erst Ende 2018 eingestellten Anleihenkäufe durch die EZB sollen ab November wieder aufgenommen werden (mit 20 Milliarden Euro im Monat). 2006 bis 2008 senkte die Fed die Zinsen von 5,5 Prozent auf 0 bis 0,25 Prozent. Jetzt liegen sie bereits bei 1,75 bis 2 Prozent, der Spielraum für Senkungen ist also geringer. Die EZB ist nie aus dem Krisenmodus herausgekommen. Abgesehen davon haben die Maßnahmen in den vergangenen zehn Jahren wenig für die Konjunktur bewirkt, sondern vor allem zu einer Aktien- und Immobilienblase geführt. Die Reichen, die dadurch noch reicher geworden sind, verlangen jetzt Steuergeschenke … als ob die Leute, die im Aufschwung mit ihrem Geld spekuliert haben, es ausgerechnet in der Krise produktiv investieren würden. Trotzdem hat Finanzminister Scholz die weitgehende Abschaffung des „Soli“ auch mit der Konjunktur begründet. 

Neue Agenda 2010?

Der BASF-Chef Brudermüller forderte im August gar eine neue Agenda 2010, vor allem eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarkts. Er und seinesgleichen wollen die Lohnkosten noch weiter senken, damit die deutsche Wirtschaft weiter hohe Exportüberschüsse hat. Aber dass Deutschland gerade von der Krise besonders betroffen ist, liegt an der starken Exportabhängigkeit. Andere Länder nieder konkurrieren und ihnen zugleich immer mehr verkaufen, kann auf die Dauer nicht funktionieren.

Zweifellos sind die Forderungen nach öffentlichen Investitionen sinnvoller. Aber auch hier stellt sich die Frage, wofür das Geld investiert wird. Zu Recht hat DIE LINKE bei den Haushaltsberatungen die Investitionslücke von 57 Milliarden Euro bei der Bahn beklagt. Aber wenn die Bahn ihr Geld ausgibt, um Projekte wie Stuttgart 21 bis zum bitteren Ende weiterzubauen oder auf der ganzen Welt Verkehrs- und andere Unternehmen aufzukaufen, genügt die Forderung nach mehr Geld nicht. Ebenso ist zu befürchten, dass „öffentliche Investitionen für den Klimaschutz“ teils eine Tarnbezeichnung für Hilfen für die Autoindustrie sind, den klimaschädlichen Autoverkehr mit Elektroautos noch jahrzehntelang fortzusetzen, statt entschlossen den öffentlichen Personen- und Güterverkehr auszubauen. Wir dürfen uns nicht damit benebeln lassen, dass öffentliche Ausgaben „der Wirtschaft“ nützen, sondern müssen fragen, ob sie der Masse der Bevölkerung und der Umwelt nützen. Und solche Ausgaben erreichen wir nur durch Klassenkampf.

Aber auch unterstützenswerte politische Maßnahmen beseitigen nicht die Krisenhaftigkeit des Kapitalismus. Ein Entkommen aus den wiederkehrenden Krisen mit all ihren schrecklichen Folgen für die Arbeiter*innenklasse weltweit, ist nur durch eine grundlegende Veränderung des Wirtschaftssystems zu einer sozialistisch-demokratischen Planwirtschaft möglich.

Autokonzerne in Gemeineigentum!

Arbeitsplätze verteidigen und Produktion umstellen.

Die BMW-Erben und Geschwister Stefan Quandt und Susanne Klatten hatten 2018  ein Vermögen von 34 Milliarden Euro. Dazu gehörten 45 Prozent der BMW-Aktien. Die Dividenden werden von 134.000 BMW-Beschäftigten erwirtschaftet. Deren Löhne und Arbeitsplätze sind nun bedroht.

von Ursel Beck, Stuttgart

Ob BMW, VW oder Daimler, wo für November ein riesiges Sparpaket angedroht wird: die Konzernchefs wollen die Verluste aus dem Absatzrückgang und dem Dieselbetrug sowie die Investitionen für Elektroautos, autonomes Fahren und Digitalisierung rigoros auf die Beschäftigten und die Masse der Steuerzahler*innen abwälzen. Es ist höchste Zeit, den Profiteuren und kriminellen Managern in der Autoindustrie das Handwerk zu legen und die Autofabriken im Interesse von Beschäftigen, Gesellschaft und Umwelt in Gemeineigentum zu überführen und demokratisch zu verwalten. 

Autoindustrie in der Krise

Die Autokonzerne aus USA, Deutschland, Japan und China befinden sich in einem immer härteren Konkurrenzkampf, weil es schon lange enorme Überkapazitäten gibt. Hinzu kommt, dass sich neue Konkurrenten aufbauen. Dazu gehören chinesische Hersteller, Tesla, Google, Apple, streetscooter, e.go und andere start ups.  Die Strategie der deutschen Autokonzerne, sich mit dem Betrugsdiesel einen Wettbewerbsvorteil aufzubauen, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Im ersten Halbjahr 2019 ist die Autoproduktion in Deutschland um zwölf Prozent gesunken, die Exporte sind um 15 Prozent zurückgegangen. Laut einer Studie des Forschungsinstituts CAR der Universität Duisburg/Essen könnte 2019 der globale Autoabsatz um fünf Prozent auf 79,5 Millionen Stück sinken. Das wäre ein stärkerer Einbruch als in der Krise 2008/2009. Ankündigungen von Stellenstreichungen und Sparprogramme zu Lasten der Beschäftigten nehmen drastisch zu. 

Der E-Betrug

E-Mobilität bietet für die Klimakrise keine Lösung. Denn auch E-Autos sind von der Produktion her und dem zusätzlichen Bau von zehntausenden von Ladepunkten klima- und ressourcenschädigend. Außerdem würden vierzig Prozent des  Stroms durch die C02-emittierende Kohleverstromung gewonnen. VW-Chef Herbert Diess hat bereits angekündigt, dass man wegen der riesigen zusätzlichen Strommengen für E-Autos „schlimmstenfalls sogar mit Braunkohle“ elektrisch unterwegs sein müsse. Gegenüber den Beschäftigten wird die Umstellung auf den E-Motor als Totschlagargument für Arbeitsplatzabbau, Lohnverzicht, noch mehr Flexibilisierung und Intensivierung der Arbeit angeführt. 

Nein zu Co-Management

Die IG-Metall-Führung verfolgt eine Politik des Co-Managements, die bedeutet, dass sich die Beschäftigten der Logik des kapitalistischen Markts unterwerfen und  die Gewerkschaft nur noch Schadensbegrenzung machen kann. Entsprechend spricht sie sich für eine so genannte sozialverträgliche Transformation aus. Es wäre falsch zu glauben, dass die Krise ähnlich wie nach 2009  mit Kurzarbeitergeld, Abwrackprämie (jetzt Umweltprämie genannt) und Qualifizierungsmaßnahmen überbrückbar wäre und sich in Deutschland dann ein neuer Branchenboom mit einem neuen Beschäftigungsrekord entwickeln würde. 

IGM in die Offensive!

Potentiell hätte die IG Metall gerade in den Autofabriken und großen Zulieferbetrieben mit tausenden und zehntausenden Beschäftigten die Macht, Kurzarbeit, Lohnverzicht,  Arbeitsplatzvernichtung, Sparprogramme und Fehlinvestitionen zu verhindern. Eine zentrale Forderung muss die nach Verteilung der vorhandenen Arbeit auf alle durch drastische Arbeitszeitverkürzung ohne Lohnverzicht sein. Darüber hinaus wird in der Satzung der IGM das Ziel der „Überführung von Schlüsselindustrien und anderen marktbeherrschenden Unternehmen in Gemeineigentum“ formuliert. Angesichts der Dramatik der Krise in der Autoindustrie und der Klimakatastrophe ist es höchste Zeit, für dieses Ziel eine Durchsetzungsstrategie zu entwickeln. Denn auf dieser Grundlage wäre es möglich, Konzepte zur Umstellung der Produktionsanlagen auf gesellschaftlich und ökologisch sinnvolle Produkte zu erarbeiten. Diese Diskussion sollte in der IG Metall dringend geführt werden.